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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 1
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Galland, Georg: Die Reichsmetorpole und die Kunst
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Meissner, Franz Hermann: Berliner Neu-Romantik
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Die Kunst-Palle.

Nr. s

Berliner Magistrat läßt sich gegenwärtig die Ver-
breiterung ganzer Straßen, die Veränderung ganzer
Theile der Altstadt ein ungeheures Stück Geld
kosten, warum geht nun sein nur von prinzipiellen
Gegnern geleugnetes Verständnis; für zeitgeinäße
künstlerische Forderungen nicht noch einen Schritt
weiter? Warum sieht mail gleichgiltig zu, wie die
mit größtem Aufwand von Geld und Mühen ge-
schaffenen neuen oder verbreiterteil Straßen von
zum Theil phantasiearmen Architekten planlos bebaut
und so um die monumentale Schönheit ihrer allseitig
erhofften Perspective elendlich gebracht werden?
Als Kurfürst Friedrich III., der spätere erste
Preußenköng, den nach ihm benannten Stadtheil seiner
märkischen Residenz gründete, blieb der weitsichtige
Monarch dabei nicht stehen, sondern er ließ, wie
uns berichtet wird, Nering noch dreihundert Fassaden
entwerfen, um dadurch den geplanten Bau-Tharakter
der Friedrichsstadt möglichst für Jahrhunderte festzu-
legen. Tin anderes lehrreiches Beispiel gab vor
ungefähr 25 Iahreil Brüssel, eine Residenz, die
freilich die Vorzüge der Alterthümlichkeit und des
Modernen in anziehendster Weise vereinigt. Als da-
mals in Belgiens Hauptstadt die innern Boulevards
ihre fetzige Ausdehnung erhielten, schrieb der dortige
kunstsinnige Magistrat, um sich die architektonische
Schönheit zumal der Straßenecken zu sichern, eine
Konkurrenz für Fassaden aus, und er prämiirte
zwanzig Entwürfe, welche Preise bis zur pöhe von
20000 Franken erhielten. Sollte derartiges für
Berlin wirklich ganz unmöglich sein? Tausende
Fremde kommen jährlich vorübergehend zu uns,
und sie schildern heimgekehrt vor allem den Eindruck,
deil die Straßen und Plätze, die Brücken, die Bauteil,
die Einrichtungen der Reichsmetropole auf sie aus-
geübt.
Zwar braucht man sich hier der gegenwärtigen
architektonischen Leistung, der Stattlichkeit und Pracht
der päuserschauseiteil gewiß nicht zu schämen. Im
Gegeiltheil. Mail darf ohne Uebertreibung behaupten,
daß Berlin zur Zeit über eine größere bau-
künstlerische Mannigfaltigkeit verfügt, als irgend
eine zweite Kapitale des europäischen Kontinents.
Wien und sogar Paris müssen uns wenigstens
darin unbedingt weichen. Nirgends sieht man
nämlich den Sonderwillen auf architektonischem Ge-
biete so rücksichtslos zum Ausdruck gelangen, wie bei
uns in Mitteil feiler stetig rapide zunehmenden Zahl

von bürgerlichen Palästen, in denen besonders
der Berliner Großhandel und ein riesenhafter Bier-
konsum sich dell Luxus größter Repräsentation gestatten,
put ab vor diesem nimmer rastenden Eifer, der aus
dem Vollen des überlieferten Formenschatzes schöpft
und Neues zu gebären sucht! Wenn dabei nur nicht
die geheime Nebenabsicht bestände, das stolze Grund-
stück des Nachbarn möglichst „todt" zu bauen. Wir
fragen uns mitunter: wohin soll es führen, wenn
selbst durchgebildete, begabte Architekten der Lockung
prahlerischer Bauherren nicht den nöthigen Wider-
stand leisten!
Die Thätigkeit einer städtischen Kunstbehörde soll
aber die persönliche Eigenart des schöpferischen Ar-
chitekten keineswegs beschränken. Sie würde ihn eher
zur Vertiefung seiner Aufgabe anspornen. Als das
Mindeste kann von ihr erwartet werden, daß sie
disciplinirend wirke. Ein direct förderndes Eingreifen
wird dann am Platze sein, lpenn ein thatsächliches
Interesse vorliegt, einen Fassadeneiltwurf auf Kosteil
der Stadt herzustellen und ihn dringend zur Aus-
führung zu empfehlen. Nicht feder Bauherr wendet
sich erfahrungsgemäß an dell berufenen Kleister. In
solchem Falle kann einer Gefahr der Beleidigung des
Schönheitssinnes des Publikums rechtzeitig vorgebeugt
werden. Die Umgebung der kürzlich wiederherge-
stellteil alten Marienkirche und des neuen Luther-
denkmals hätte nicht auf Generationen hin verpfuscht
zu werden brauchen. Eine künstlerische Oberaufsichts-
behörde erscheint aber um so unentbehrlicher, je welliger
der Oberleiter des städtischen Bauwesens ein
Künstler ist.



Berliner Neu-Romantik.
von Sranz Hermann Meißner, Berlin.
ie stillen und schwer zugänglichen Reize der
Mark, — Sand, Föhren, Seen, auf einen
melancholischen Unterton zusammengestimmt, —

und innerhalb der sehr mühselig gewachsenen Weltstadt
die eigenthümlich ätzende, den Blüthenduft der
Phantasie kritisch zerstörende Wirkung des Spree-
wassers machen den besonderen Charakter der
Berliner Kunst des laufenden Jahrhunderts aus:
Menzel ist mit dem Prinzip der kritisch-aktuellen Dar-
stellung ihre größte und ihre persönlichste Offenbarung.
 
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