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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 1
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Galland, Georg: Die Reichsmetorpole und die Kunst
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Nr. I

Die K u n st - p a l l e. S»-«

3

Gegner in: Lustgarten Betrachtungen über Neu-
und Alt-Berlin anzustellen, indem ich auf das stolze
Zukunftsbild dieses Platzes hinwies, dessen Päuser-
umgebung, nach Bollendung des Domes, wohl mit der
majestätischen Schönheit des Wiener Burgringes
glücklich rwalisiren dürfte. Da schlug der gemüthliche
perr mit seinen: Stock auf den Boden und meinte:
Sieh' da, der einstige Paradeplatz des Soldatenkönigs,
hier erercierte seine geliebte Garde — voilü „Alt-
Berlin!" Ich konnte den liebenswürdigen Gönner
dahin berichtigen, daß auch dieser Erercierplatz einen
denkwürdigen Vorläufer besaß: einen herrlichen kur-
fürstlichen Lustpark, der mit seltenen Pflanzen, den
Schöpfungen niederländischer Bildhauer und reizen-
den Pavillons gefüllt war.
Auf jene Berliner Aera des Großen Kurfürsten
folgte die Zeit der Gründung der Kunstakademie vor
200 Jahren und das viel besprochene Schaffen
Andreas Schlüter's: vollü Alt-Berlin! . . . An diese
Vergangenheit lohnt es sich wohl anzuknüpfen, Was
der große Bildhauer-Architect hinterlassen, wirkt in der
That noch heute mit all' der bezwingenden Kraft,
die eine starke Individualität auszuüben weiß. Sie
lehrt uns die freie Eigenart des künstlerischen Ausdrucks
hoch schätzen. Der an der Spree später großgezogene
pellenismus soll deshalb nicht beseitigt werden. Er
soll nur nicht mehr das sein, was er lange Zeit für
uns gewesen: ein Formelbuch oder eine Logarithmen-
tafel, welche den: Künstler die Wurzeln seiner
ästhetischen Aufgaben ziehen half. Die fremde Kritik
hat angesichts dessen mehr als einmal von den:
nüchternen Geiste des seligen Nicolai kränkend ge-
sprochen, in dessen Banne auch das Berliner Kunst-
leben erstarrt sei. Wir wollen diesen Geist, der doch
zugleich ein Geist der Aufklärung war, nicht ver-
leugnen, wenn wir behaupten, daß von einer Er-
starrung des künstlerischen Lebens der Neichshaupt-
stadt längst nicht mehr die Nede ist. Das Eis ist ge-
brochen und neue farbige Blumen sprießen aus ver-
jüngtem Boden.
In vielen Ländern, Provinzen und Städten bestehen
bekanntlich alterthumskundige Aufsichtsbehörden. Was
bei uns die Konservatoren erstreben, bezweckt z. B.
in: heutigen Polland das Institut der riMsnävisenrs.
Ihre Aufgabe ist: über die alten Kunstdenkmäler zu
wachen, deren Wiederherstellung zu leiten, wenn
möglich den Abbruch kunsthistorisch bedeutsamer

Bauten zu verhindern oder wenigstens das Verlorene
im. Bilde zu bewahren. Diese Thätigkeit findet viel-
fach ein so intimes verständniß des Publikums, daß
man an: Zuidersee für die Anti-Konservatoren die
verächtliche Bezeichnung „sloopsrs" d. h. Nieder-
brecher gewählt hat. Wenn nun Berlin diese rück-
wärtsschauende Behörde noch entbehren kann, so
wäre dagegen der modernen Weltstadt statt jener
wohl eine vorwärtsschauende künstlerischeKommission
von großen: Nutzen. Es giebt auch gegenüber
kommenden Geschlechtern eine Pflicht, entsprechend
der puldigung, die man für die künstlerische Ver-
gangenheit in so reichen: Maße allgemein übrig
hat. Freilich sieht man die letztere bei uns als viel
ehrenvoller an; noch dazu ist es ja bequemer Altes
zu reproduciren als gleichwerthig Neues zu produciren.
In solcher vorwärts schauende:: Kunstbehörde, wie
sie den: Namen nach zwar schon vorhanden ist, in
Wirklichkeit aber der Neichsmetropole fehlt, müßten
begeisterungsfähige und unabhängige Künstler ton-
angebend sein.
Was würde voraussichtlich der Erfolg dieser
Neuerung sein? Es würde so manche Geschmack-
losigkeit und Planlosigkeit, die mehrere der jüngsten
Unternehmungen künstlerisch-dekorativer Gattung leider
offenbaren, vermieden werden. Diese Kommission wäre
eine leitende und kontrollirende Aufsichtsbehörde. Sie
hätte streng auf ein intimes Zusammen- und Inein-
anderarbeiten aller an einen: Werke beschäftigten
Kunstkräfte zu achten, damit das fertige Product nicht
jenen Mangel an Rücksichtnahme, die sich Architecten
und Bildhauer gegenseitig schulden, für lange
Zeiten festhalte. Selbst die opulenteste Schöpfung kann
gleichzeitig ein Denkmal der Geschmack- und Plan-
losigkeit werden.
Aber uns schwebt für diese Kommission noch
eine ganz besondere Sache vor Augen, pandelt es
sich um die dringende Erhaltung eines historischen
Bauwerks, dann hat der Konservator die Pflicht,
den: Besitzer einen geigneten plan für die würdige
Wiederherstellung zu machen. Warum sollen nun
Vorschläge einer analoge:: Behörde unterbleiben,
wenn es sich um Neubauten an besonders wichtigen
Verkehrspunkten handelt? Verdient etwa das Neue,
das den: publik::::: künftig Nutzen und Augenweide
zugleich zu verschaffen bestimmt ist, weniger Interesse
als das Alte, das man seiner schönen Patina wegen
vielleicht ungenützt am Wege stehen läßt? Der
 
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