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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 19
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Fischbach, Friedrich: Thorr-Barbarossa
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Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: die Plastik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0338

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29^

Die K u n st - H a l l e. -

Nr. fy

in: Bildwerke und in den Festreden gedachte, wär
er als Besitzer des Grund und Bodens darüber er-
bost, daß ein anderer Barbarossa seine Rechte und
Mythen dort vindizirt erhielt, so würde gar bald das
Bild seines Stellvertreters zerschmettert sein. Aber
die hohen Götter lächeln über die Spielzeuge der
kleinen Menschen und haben Geduld, weuu Irrthümer
die Köpfe umnebelu. — Ja, es ist eiu recht dicker
Nebel, welcher bis heute verursachte, daß man den
Vlitzbart Thorr, dem der Donnerstag geweiht ist,
mit dein päpstlich gesinnten Hohenstaufen Kaiser
Friedrich l. verwechselte, weil dieser in der Nähe des
Kyffhäusers eiue Pfalz uud — zufällig einen rothen
Bart hatte. Hätte Rückert die „Mythen des Thorr"
von Ludwig Uh land früher geleseu, als er sein
schönes Barbarossa - Gedicht verfaßte, so wäre der
Kaiser Nothbart nicht zu der Ehre gelangt, an Stelle
Thorr's im Kyffhäuser zu wohnen. Wer am Nieder-
rhein den Ausruf bei schwerem Gewitter gehört hat:
„Kiuder betet, der Herrgott kieft", zweifelt
nicht, daß der Donnergott der Scheltende oder Kei-
fende ist. Wer Thorr's herrliche Mythen kennt,
weiß, daß er im Herbst in sein Haus, iu den Berg
geht und im Frühling wieder auszieht, um die Dä-
monen des Wiuters zu verscheuchen und die Saaten
zu segneu. Die christliche Kirche suchte diese in: Volke
tief wurzelnden Mythen zu verwischeu. Wo es an-
ging, übernahm sie das Segnen der Fluren (in den
Frühlingsprozessionen), und ferner übertrug sie auf
Helden, Fürsten und Heilige die zu Sagen umge-
modelten Mythen. So hat z. B. der Paladin Karl's
des Großen, Held Noland, nie gelebt. Thorr hat
das felsenspaltende Schwert und das über Länder
schallende Horn. Spätere Historiker trugen der Sage
Rechnung und verwoben sie mit Geschichtlichem. Die
Nolands-Säulen und -Statuen sind verchristlichte Thorr-
Bilder. Der Gott der Bauern und Segner der
Fluren bewacht und beschützt den Markt.
Es ist ein störender Gedanke, daß die genialen
Erbauer des so großartigen Denkmals einen: Hohen-
staufen-Kaiser, der keine wesentlichen Verdienste um
das Deutsche Neich hat, den Ehrenplatz gaben, der
vielmehr den: urwüchsigen, hochpoetischen Gewittergotte
gebührt. Nückert war es, der den Irrthum verau-
laßt hat . . . Nun ist dieser schon so tief eingesessen, trotz
mancher Geschichtsforscher, die der Wahrheit die Ehre
gaben, daß Niemand mehr an die Beseitigung des
thörichten Barbarossa-Kultus zu glaubeu vermag.
Und jetzt hat gar ein Denkmal ungewöhnlicher Art
der srüheren Geschichtsfälschung neues Lebeu für die
folgeuden Iahrhuuderte gegebeu. Oder wird mau
sich doch uoch eimnal entschließe!:, eine Umarbeitung
resp. eine Ergänzung an den: Herrlichei: Schmnck des
Kyffhäuser-Monumentes vorzunehmen?


Vie Internationale Kunstausstellung.
von Fritz Stahl.

Die Plastik.
1: der Zeit der philosophirenden Aesthetik, die
lange nun todt ist, aber als bleiches Gespenst
doch ruhelos noch umgeht, war der Satz er-

fuuden worden, daß im neunzehnten Jahrhundert die
plastische Knnst keine Stelle habe. Das läßt sich mit
einen: halben oder ganzen Dutzend von Gründe,:
vortrefflich beweisen, beinah unwiderleglich. Es giebt
eine ganze Anzahl so wohl beweislicher Sätze in
Kunstsragen; sie gelte:: dein: auch als wahr, bis
Thatsachen beweise::, daß sie falsch sind. Von diesen:
Satz über die Plastik haben das namentlich die
Schöpfungen des letzten Jahrzehnts auf's Glänzendste
bewiesen: man muß weit, sehr weit zurückgehen in
der Kunstgeschichte, um eine Zeit zu finden, in der
eine so rein plastische und große Anschauung die
Bildhauer beherrschte wie heute. Weuu in dem,
was über moderne Kunst gesagt und geschrieben
wird, das lange nicht klar und scharf genug Aus-
druck fiudet, so liegt das hauptsächlich darau, daß
deu meisten Wortführern der Moderne die Fühlung
gerade mit den großen Blüthe-Epochen der Plastik,
mit den: griechischen fünften Jahrhundert und mit
den: italienischen (Quattrocento, fast ganz abgeht. Je
deutlicher jetzt von den Vordersten in der Bewegung
der Zusammenhang mit den besten alten Perioden
ihrer Kunst gesucht wird, desto mehr werde:: diese
Wortführer in den Hintergrund treten. Sie waren
die Theoretiker einer Verirrung, sie konnten es nur
sei::, weil sie uicht wußte::. Sie waren nie Führer,
sondern immer nur Verführte. Als die Küustler
jenen sonderbaren Haß gegen die alte Kunst em-
pfanden, der hart an Barbarei streifte, da waren die
Tage der Nosen für diese, die die alte Kunst nicht
kannten, und deshalb mit dem Brustton der Ueber-
zeugung versichern konnten, es gäbe nun eine durch-
aus neue. Diese schöueu Tage siud vorüber: uud
mit bösen: Erschrecken werden nun die vorwärts-
strebenden Künstler merken, wie die früher immer-
bereiten Nurliteraten garnicht mehr mit können, wo
es in die Kunst hineingeht. Niemand wird sie mehr
hemmen, wird schädlicher das Publikum beeiuflusseu,
als die, deren Wirksamkeit für die moderne Kunst
von den Künstlern gestern noch so hoch gepriesen
wurde. Man wird einsehen, daß ihre Theorien nicht
eine Spnr besser waren als die der alten Schule,
daß sie das Publikum geuau so wie jene an der
Kunst vorbeiführen.
Es ist bezeichnend für diese Kunstschreiber, daß
sie sich nie gern mit der Plastik abgegeben haben.
Und daß bei den geradezu wilden Neueren die er-
erbte Unwahrheit, diese Kunst widerspreche den:
Wesen unserer Zeit, mit anderen verjährten Vor-
 
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