Die Kunst-Halle — 1.1895/1896
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0321
DOI issue:
Nr. 18
DOI article:Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: Schweden und Norwegen
DOI article:Juristen im Kunstgewerbe
DOI article:Allg. Deutscher Kunstgewerbetag
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Ar. 1.8
--^-<8 Die Kunst-Halle.
279
Im Porträt finden wir neben starken Französeleien,
grünen haaren und dergleichen, bei Einzelnen tiefe
Charakteristik. In feinster Form giebt sie sich in
Ehr. Krogh's herrlichem Bildniß einer alten Dame.
Es gehört zu den schönsten Porträts, die ich über-
haupt kenne.
L
Juristen im Rnnstgewerbe.
mir aus guter Ouelle erfahren, sollen in den drei
preußischen Kunstgewerbeschulen zu Berlin, Kre-
feld und Hanau Kurse für solche Juristen (Referendare
und Assessoren) errichtet werden, die später als maßgebende
Beamte im Ministerium zu fungiren hätten, wir begrüßen
diese Einrichtung auf das Lebhafteste! wären doch viele
Mißgriffe in der Organisation der Schulen, der Museen und
des allgemeinen Zeichenunterrichtes in letzten Jahrzehnten
nicht vorgekommen, wenn die amtlichen Verwaltungs-
behörden fachlich orientirt gewesen wären. Man kennt das
ironische Lied mit dem Refrain: „Gewählt wird der Jurist,
weil er kein Fachmann ist." Mit dem Amt kommt leider
die Einsicht nicht immer von selbst. Die preußische Bureau-
kratie ist bekanntlich so mächtig, daß sie durch ihre Geld-
bewilligung für königliche Anstalten auch die Direktion der-
selben sich verschaffte. Die früheren Direktoren oder Kura-
toren beklagen bitter, daß sie nur noch Rechnungsrevisoren
seien und daß jeglicher Fortschritt oder jede Verbesserung
vom Belieben derjenigen Verwaltungsbeamten abhänge, die
sehr urigenügende fachliche Kenntnisse besitzen. Zugegeben,
daß durch große Geldmittel stattlichere Schulen und eine
größere 'Lehrerzahl wie früher dem Kunstgewerbe dienen
und daß eine fast militärische Ordnung herrscht. Ist aber
der Fortschritt dadurch jetzt größer als früher? Nehmt
dem Künstler die freie Bewegung, so läuft er wie jedes
Lastthier am Zügel, aber nur nach dem Brotkorb und nicht
zur Höhe des Fortschrittes oder Ideals. . . Die jungen
Juristen werden im Umgänge mit Künstlern und Groß-
industriellen vielleicht bald zur Einsicht kommen, daß sie
lediglich zu verwalten und nicht zu dirigiren das
Zeug haben. Man macht sich lächerlich, wenn man
als Nichtfachmann erprobte Meister — meistern will.
Ebenso wenig wie ein Nichtarzt im Kultusministerium ver-
bände und Rezepte korrigirt, wenn er als Oberregierungs-
rath Spitäler kontrollirt, sollte auch im Kunstgewerbe nur
der das Artistische leiten, der es fachlich versteht. —
Immerhin ist die Einführung von Kursen für zukünftige
verwaltnngsbeamte an den drei königlichen Hauptschulen
Preußens als ein wesentlicher Fortschritt zu begrüßen.
ä. K.
*
Nllg. Deutscher Kunstgewerbekag.
dritten Kongreß, den der verband deut-
scher Kunstgewerbe-Vereine dieses Mal in
Berlin abhielt, hatten sich nicht viel mehr
als hundert Theilnehmer von nah und fern im Archi-
tektenhause eiugefunden. Am Abend des ersten
Tages (5. Juni) fand für die Gäste eine Empfangs-
feierlichkeit in den Bäumen des Künstlervereins statt:
Festaufführung, Beden und Gesang folgten einander
abwechselnd und hielten die Theilnehmer des Kon-
gresses lange in fröhlicher Stimmung. Am Vor-
mittag des zweiten Tages gab es eine fast drei-
stündige Sitzung im großen Saale, in Gegenwart ver-
schiedener Negierungsvertreter, z. B. der Geheimräthe
I)r. Schöne und Lüders. Das Bureau des Kon-
gresses konstituirte sich aus den Herren Architekt Hoff-
acker-Berlin als Vorsitzenden, Prof, von Lange-Mün-
chen, Hofrath Graff-Dresden und Prof. Waag-
Pforzheim.
Der Vorsitzende, Herr Hoffacker, betonte in
kurzer Ansprache den Zweck des gegenwärtigen Kunst-
gewerbetages, daß uian hier nicht etwa auf be-
stimmte große Resultate hoffen dürfe, auch sei der
persönliche Meinungsaustausch der Delegirten, von
erfahrenen Fachleuten, die sich im Leben fern stehen,
wichtiger als rein akademische Beschlüsse, die doch
später für den Einzelnen keine bindende Kraft be-
säßen. Vor allem aber sollte man sich über die Wichtig-
keit der nationalen Eigenart im Kunstgewerbe
immer mehr klar werden.
Den Hauptheil der Sitzung am 6. Juni bildeten
die beiden Vorträge des Geheimraths Prof. vr. Jul.
Lessing und des Dr. p. Jessen. Lessing sprach
sehr eindringlich über die Stellung von Kunst und
Kunstgewerbe im öffentlichen Leben. In klarer Aus-
führung, die ungemein fesselte, erörterte Redner die
innigen Beziehungen zwischen Kunst und Kunst-
handwerk und redete einer besseren technisch-künst-
lerischen Ausbildung der Kräfte, desgleichen einer
mehr konstruktiven, einfachen Behandlung der Gegen-
stände das Wort. Lächelnd mußte man sich freilich
dabei erinnern, daß dieser Gelehrte, der heute in dem
formenknappen englisch-amerikanischen Möbelstil das
Heil für die moderne Klein-Architektur erblickt, vor
Jahren mit demselben tiefen Brustton der Ueber-
zeugung die deutsche Renaissance empfahl, die da-
mals mit ihren: Reichthun: der Schmuckformen den
armseligen Stil der Mahagonimöbel der sechziger
Jahre ablöste. Heute aber lieben es die einge-
schworenen Freunde des englischen Empires dieselbe
Renaissance zu diskreditiren, indem sie jene mit über-
ladener, billiger Kleidung vergleichen, als sei die Re-
naissance sozusagen der Stil der prahlerischen Leute,
die äußerlich über ihren Besitz hinaus repräsentiren
wollen. Die Schundarbeit steht aber in Wirklichkeit
--^-<8 Die Kunst-Halle.
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Im Porträt finden wir neben starken Französeleien,
grünen haaren und dergleichen, bei Einzelnen tiefe
Charakteristik. In feinster Form giebt sie sich in
Ehr. Krogh's herrlichem Bildniß einer alten Dame.
Es gehört zu den schönsten Porträts, die ich über-
haupt kenne.
L
Juristen im Rnnstgewerbe.
mir aus guter Ouelle erfahren, sollen in den drei
preußischen Kunstgewerbeschulen zu Berlin, Kre-
feld und Hanau Kurse für solche Juristen (Referendare
und Assessoren) errichtet werden, die später als maßgebende
Beamte im Ministerium zu fungiren hätten, wir begrüßen
diese Einrichtung auf das Lebhafteste! wären doch viele
Mißgriffe in der Organisation der Schulen, der Museen und
des allgemeinen Zeichenunterrichtes in letzten Jahrzehnten
nicht vorgekommen, wenn die amtlichen Verwaltungs-
behörden fachlich orientirt gewesen wären. Man kennt das
ironische Lied mit dem Refrain: „Gewählt wird der Jurist,
weil er kein Fachmann ist." Mit dem Amt kommt leider
die Einsicht nicht immer von selbst. Die preußische Bureau-
kratie ist bekanntlich so mächtig, daß sie durch ihre Geld-
bewilligung für königliche Anstalten auch die Direktion der-
selben sich verschaffte. Die früheren Direktoren oder Kura-
toren beklagen bitter, daß sie nur noch Rechnungsrevisoren
seien und daß jeglicher Fortschritt oder jede Verbesserung
vom Belieben derjenigen Verwaltungsbeamten abhänge, die
sehr urigenügende fachliche Kenntnisse besitzen. Zugegeben,
daß durch große Geldmittel stattlichere Schulen und eine
größere 'Lehrerzahl wie früher dem Kunstgewerbe dienen
und daß eine fast militärische Ordnung herrscht. Ist aber
der Fortschritt dadurch jetzt größer als früher? Nehmt
dem Künstler die freie Bewegung, so läuft er wie jedes
Lastthier am Zügel, aber nur nach dem Brotkorb und nicht
zur Höhe des Fortschrittes oder Ideals. . . Die jungen
Juristen werden im Umgänge mit Künstlern und Groß-
industriellen vielleicht bald zur Einsicht kommen, daß sie
lediglich zu verwalten und nicht zu dirigiren das
Zeug haben. Man macht sich lächerlich, wenn man
als Nichtfachmann erprobte Meister — meistern will.
Ebenso wenig wie ein Nichtarzt im Kultusministerium ver-
bände und Rezepte korrigirt, wenn er als Oberregierungs-
rath Spitäler kontrollirt, sollte auch im Kunstgewerbe nur
der das Artistische leiten, der es fachlich versteht. —
Immerhin ist die Einführung von Kursen für zukünftige
verwaltnngsbeamte an den drei königlichen Hauptschulen
Preußens als ein wesentlicher Fortschritt zu begrüßen.
ä. K.
*
Nllg. Deutscher Kunstgewerbekag.
dritten Kongreß, den der verband deut-
scher Kunstgewerbe-Vereine dieses Mal in
Berlin abhielt, hatten sich nicht viel mehr
als hundert Theilnehmer von nah und fern im Archi-
tektenhause eiugefunden. Am Abend des ersten
Tages (5. Juni) fand für die Gäste eine Empfangs-
feierlichkeit in den Bäumen des Künstlervereins statt:
Festaufführung, Beden und Gesang folgten einander
abwechselnd und hielten die Theilnehmer des Kon-
gresses lange in fröhlicher Stimmung. Am Vor-
mittag des zweiten Tages gab es eine fast drei-
stündige Sitzung im großen Saale, in Gegenwart ver-
schiedener Negierungsvertreter, z. B. der Geheimräthe
I)r. Schöne und Lüders. Das Bureau des Kon-
gresses konstituirte sich aus den Herren Architekt Hoff-
acker-Berlin als Vorsitzenden, Prof, von Lange-Mün-
chen, Hofrath Graff-Dresden und Prof. Waag-
Pforzheim.
Der Vorsitzende, Herr Hoffacker, betonte in
kurzer Ansprache den Zweck des gegenwärtigen Kunst-
gewerbetages, daß uian hier nicht etwa auf be-
stimmte große Resultate hoffen dürfe, auch sei der
persönliche Meinungsaustausch der Delegirten, von
erfahrenen Fachleuten, die sich im Leben fern stehen,
wichtiger als rein akademische Beschlüsse, die doch
später für den Einzelnen keine bindende Kraft be-
säßen. Vor allem aber sollte man sich über die Wichtig-
keit der nationalen Eigenart im Kunstgewerbe
immer mehr klar werden.
Den Hauptheil der Sitzung am 6. Juni bildeten
die beiden Vorträge des Geheimraths Prof. vr. Jul.
Lessing und des Dr. p. Jessen. Lessing sprach
sehr eindringlich über die Stellung von Kunst und
Kunstgewerbe im öffentlichen Leben. In klarer Aus-
führung, die ungemein fesselte, erörterte Redner die
innigen Beziehungen zwischen Kunst und Kunst-
handwerk und redete einer besseren technisch-künst-
lerischen Ausbildung der Kräfte, desgleichen einer
mehr konstruktiven, einfachen Behandlung der Gegen-
stände das Wort. Lächelnd mußte man sich freilich
dabei erinnern, daß dieser Gelehrte, der heute in dem
formenknappen englisch-amerikanischen Möbelstil das
Heil für die moderne Klein-Architektur erblickt, vor
Jahren mit demselben tiefen Brustton der Ueber-
zeugung die deutsche Renaissance empfahl, die da-
mals mit ihren: Reichthun: der Schmuckformen den
armseligen Stil der Mahagonimöbel der sechziger
Jahre ablöste. Heute aber lieben es die einge-
schworenen Freunde des englischen Empires dieselbe
Renaissance zu diskreditiren, indem sie jene mit über-
ladener, billiger Kleidung vergleichen, als sei die Re-
naissance sozusagen der Stil der prahlerischen Leute,
die äußerlich über ihren Besitz hinaus repräsentiren
wollen. Die Schundarbeit steht aber in Wirklichkeit