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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 11
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Ueber die "freie Benutzung" der Kunstwerke
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Bierbaum, Otto Julius: Parabel
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Stahl, Fritz: Nationale Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0193

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Nr. U

—°—H Die Kunst-Halle. g»-<-

(65

angeregt durch das Vorbild, die nämlichen ge-
schichtlichen, sittenbildlichen oder ähnliche Vorgänge,
sa auch Landschaften in individuell freier Wiedergabe
durch ein neues Kunstwerk zum Ausdrucke bringen,
ohne daß er sich dadurch der verbotenen Nachbildung
schuldig macht.
Aus der ihm hierbei obliegenden Pflicht, in der
Wiedergabe dem Vorbild gegenüber die volle Selbst-
ständigkeit zu beobachten, folgt, daß von einer freien
Benutzung im Sinne des Gesetzes dann keine Rede
sein kann, wenn die Wiedergabe nur unwesentliche
Aenderungen in den äußeren Formen, in der An-
wendung des Verfahrens (H 5 Ziff. s des Ges.), in
den Dimensionen, Einzelheiten der Darstellung, z. B.
durch Weglassung von Figuren oder ihre Ersetzung
oder Aenderung in der Stellung, ferner in den
Farben der Malerei, im verwendeten Material u. dgl.
ersehen läßt.
Immerhin ist jedoch nach ausdrücklicher Vor-
schrift des K 6 Ziff. 2 und 3 des Gesetzes eine Aus-
nahme gemacht, also die Nachbildung gestattet, wenn
ein Werk der Zeichnung oder malenden Kunst durch
die plastische oder umgekehrt wiedergegeben wird,
sowie die Nachbildung von Werken der bildenden
Künste, die auf oder an Straßen oder öffentlichen
Plätzen bleibend sich befinden, wobei jedoch die Nach-
bildung nicht in derselben Kunstform erfolgen darf.
Selbstverständlich wird der Begriff der freien
Benutzung auch uicht etwa dadurch ausgeschlossen,
daß der in derselben Kunstform Nachbildende ein
anderes Material verwendet, z. B. die Marmorstatue
in Guß wiedergiebt. Dagegen ist die Handhabung
und Behandlung des bei Herstellung des Kunstwerkes
gebrauchten Rohstoffes, die sog. Manier und Art
der Technik vom Gesetze nicht geschützt. So kann
z. B. keiner der modernen Freilichtmaler und Im-
pressionisten diese Methode für sich gleichsam als
Monopol oder Privilegium der Behandlung seiner Ge-
mälde beanspruchen. Ein solcher Schutz würde jede
gedeihliche Entwicklung der bildenden Künste ver-
hindern und kann deshalb auch niemals von Rechts-
wegen gewährt werden.


Parabel.
Von Gtto Iulius Bierbaum.

^^err Lehmann wollt' sich malen la'n,
Hub drum zu Lenbach z'reden an:
„Herr Meister, Ihr sollt mich konterfein!
Doch solls ein feines Bildniß sein:
Lin Bild voll Schönheit, Geist und Kraft,
Lin Lhrenmal der Lehmannschaft.

Mein treues Auge, deutsch und blau,
Daß es recht gottesfürchtig schau!
Meiner Lippen rother Bogenschwung
Verrathe heil'ge Begeisterung
Für Alles, was da groß und wahr!
Baut meine Stirne hoch und klar
Und laßt die Locken golden wallen!
Meine Nase soll meiner Frau gefallen
(Sie liebt die langen, graden, schmalen);
was Ihr verlangt, ich wills bezahlen." —
— Der Meister durch das Brillenrund
Schaut nieder auf Herrn Lehmann, und
Lr spricht:
„Herr Lehmann, Luer wohledel Gesicht
Lignet sich zu einem Adonis nicht;
Ihr seid ein guter Lehmann zwar,
Aber ein Apoll nicht eben gar.
Luer Auge blickt ein wenig schiel,
Lure Nase staunt zum Himmel zu viel,
Lurer Locken blonden Scheitelkranz,
Die Zeit hat ihn gelichtet ganz.
Ihr seid ein Bürger unzweifelhaft bieder,
Doch eure Stirn ist gedrückt und nieder,
Auch geht Lurer Lippen Schwung die (Duere —
Herr Lehmann, ich bedaure sehre."
— Groß sah den Meister Herr Lehmann an,
Dacht' bei sich: Das ist ein grober Mann.
Ist auch von den Realisten verdorben;
Der Idealismus ist ausgestorben.
G diese Zeiten, diese krassen!
Kein Biedermann kann sich mehr malen lassen!

Nationale Kunst,
von Fritz Stahl.

^^^(enn ein Wort so viel gebraucht wird wie in
dieser Zeit das Wort national, so muß man
" bei jeder Anwendung genau zusehen, ob sie
noch mit Fug geschieht. Auch Worte sind der Mode
unterworfen, und die Vielen pflegen dem Modischen
wehrlos gegenüberzustehen. „Man ist am deutsche-
sten, wenn man nicht davon spricht." Das schöne
Wort Ludwig Speidel's, dessen Wahrheit man nicht
zu erweisen braucht, läßt viele allzulaute Aeußerungen
des Nationalgefühls in eigenthümlichem Lichte er-
scheinen. Doppelte Vorsicht aber ist geboten, wenn
mit dem Appell an gewisse ideale Sentiments sehr
praktische Forderungen begründet werden sollen.
In dem Vortrag des Herrn Professor Hanns
Fechner, der zum Theil schon in dem Leiter unseres
 
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