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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 17
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Wirth, Albert: Einiges über dekorative Kunst
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Stahl, Fritz: Die Internationale Kunstausstellung: Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0302

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262

—H Die K u n st - H a l l e.

Nr. s7

Möge auch fernerhin manchem hierzu veranlagten Künst-
ler Gelegenheit gegeben werden, sich in dieser schönen Kunst
zu entfalten, deren Hauptgebiet die Geschichtsmalerei sein
und bleiben wird.
Die Internationale Kunstausstellung,
von Fritz Stahl.
Verl in.
^^T^Lürde man die besten Arbeiten, die Berliner
P Maler und Bildhauer für die Ausstellung
geliefert haben, zu einer Sammlung ver-
einigen, so würde diese überall mit Ehren unsere
Kunst vertreten. Und das will um so mehr bedeuten,
als sowohl namhafte Meister wie ausstrebende Talente
fehlen: jene mit Millen, diese durch Zwang. Es
scheint, es soll nicht sein, daß die Anderen einmal ein
volles Bild von dem bekommen, was die Berliner
Kunst vermag. Weshalb die „Namen" fern bleiben,
weiß niemand, von den Anderen weiß es die Jury.
Innerhalb der Ausstellung macht die Berliner
Kunst auch einen viel besseren Eindruck als sonst.
Es ist gar nicht zu verkennen, daß das Beispiel der
Münchener Sezession die Jury beeinflußt hat, und
zwar nach zwei Seiten hin. Zunächst hat man auch
nur ein oder zwei Reihen Bilder übereinander ge-
hängt, nicht drei oder vier wie in früheren Jahren,
und zugleich damit die Bilder der einzelnen Wände
sorgfältiger zusammengestimmt, daß eine Harinonische
Gesammtwirkung entsteht. Das ist eine glückliche
Neuerung, die man nur freudig begrüßen kann.
Dann hat man aber auch die Strenge nachgeahmt.
Man hat eingesehen, daß die Sezession ihre Ersolge
hauptsächlich der Erbarmungslosigkeit ihrer Jury ver-
dankt, die „über Reichen geht". Und man wußte,
daß die Genossenschaft durch ein ähnliches Vorgehen
im letzten Jahr ihrer Ausstellung eine ungewöhnliche
Bedeutung gegeben hat. Wer den Zweck einer
Lliteausstellung will, wird dieses Mittel der Härte
annehmen müssen. Theoretisch hat man also Recht,
aber praktisch ist man im Unrecht geblieben. Daß
die Jury, als sie auch einmal über Leichen gehen
wollte, die Falschen todtgeschlagen hat, kann man
nur vermuthen, daß sie aber die Falschen hat leben
lassen, das kam: man sehen: Sehen nicht nur iu den
entlegenen Kojen der Westhalle, die überhaupt zu
einer Art Ausstellung Zweiteil Grades gemacht wor-
den ist, sondern selbst in den: Hauptsaal, der doch an:
bestell wirken wollte. Eine Kunst kann nur durch
Werke repräsentirt werden, nicht aber durch Namen.
Und am wenigsten durch solche Namen, die ihren
Klang nur den früheren beschränkteil Verhältnissen
Berlins verdanken, einem wohl revidirten Urtheil

aber durchaus nicht mehr imponiren. Ein Gefallen
geschieht übrigens den Herren damit nicht: je besser
ihre Arbeiten hängen, um so schroffer tritt ihre Ml-
beträchtlichkeit hervor. Und auch das harmloseste
Publikum erkennt mit Entsetzen, wie jämmerlich klein
seine Größeil sind.
Es ist nicht ein Gegensatz der Richtung, dem ich
hier Ausdruck gebe. Gegen Meister Knaus'
„Sommerabeud im Iudengäßchen", wird man von
keinem Standpunkt aus etwas eiuwenden könneu, und
auch Anton von Werner's „Kriegsgefangene"
wird man gelteil lassen müssen. Mail mag sie
mögen oder nicht, sie stellen immer etwas in ihrer
Art Hohes dar: das Gewollte ist erreicht. Aber da-
mit sind denn die zählenden Werke der alten Schule
auch erschöpft. — Das Knaus'sche Bild, das freilich
nicht die bestell Arbeiten seines Schöpfers erreicht,
aber doch malerisch immer vortrefflich ist, zeigt den
Meister trotz des neuen Stoffes als den Alten. Seine
liebenswürdige Laune sieht das Leben in der Iuden-
gasse verklärt wie das Leben aus dem Laude. Es
ist mit deu Augen der Geileration gesehen, die noch
keine „Fragen" kannte und die nichts Uebles darin
faild, im Denken und Schaffeil nach eignem Gefühl
sich ein Bild zu machen voll den Dingen.
Der eigentliche scharse Kontrast zu dieser An-
schauuug beginnt immer mehr zu verschwinden: ich
meine die Elendmalerei, die Kunst, die vielmehr von
einer sozialen Frage als von einem malerischen Pro-
blem ausging. Diese unkünstlerischste aller modernen
Verirrungen kann man als endgiltig beseitigt ansehen.
Wie unsere Generation das Leben schildert, das zeigen
voll den Berlinern am besten Dettmann, Skarbina
und Stahl. Rnd um so besser zeigen sie es, weil
sie zufällig ganz verschiedenen Lebenskreisen ihre Stoffe
entnehmen. Daß deshalb ihre Werke äußerlich sehr
verschieden sind ist klar.
Das Gemeinsame bei ihnen, und worin sie
typisch sind, ist, daß sie weder geistig noch malerisch
ein Programm mitbringen. Im Kontrast zu Kuaus,
der Idyll und Goldton um jeden Preis will, wird
leicht verständlich sein, wie diese programmlosigkeit
zu einer frischen Mannigfaltigkeit führen muß. Die
Wirklichkeit giebt den Anstoß zum Schaffeil, nicht eine
Vorstellung. Und aus dem Eindruck soll sich dann
auch erst die Harmonie des Bildes entwickeln, in
jedem Fall also eine neue. Der überwundene Natu-
ralismus wollte sie überhaupt nicht, sie galt ihm
ebenso für Sünde gegen die Kunst wie einst dellen um
Tornelius. Knaus und seine Gellosseil hatten sie ein
für alle Male. Die alten Meister und die von heute
haben sie bei jedem Problem wieder zu suchen.
Dettmann, der eine „Heimkehr vom Kirchdorf" schildert,
geht voil dem Grauviolett des freien Lichtes aus, das
über den Wassern und Wiesen liegt. Skarbina, der
einen Kirchhof am Allerseeleiltag malt, wählt das
Blauviolett der Dämmerung. Für Stahl's „Blumen-
 
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