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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 7
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Stahl, Fritz: Die Kunst als Gewerbe
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Berger, Rud.: Prof. Eduard Grützner: üeber Berlin und München, mit Bezug auf internationale Ausstellungen
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Nr. 7

-Die K u n st - bs a l l e.


jedes Widerwort verstummen muß. Reine der Blüthe-
zeiten der Kunst hat eine künstlerische Freiheit in dem
Sinne gekannt, wie sie bei uns gefordert wird. Ge-
fordert nicht etwa nur vom Genie, bei dem man es
begreifen wird, das nicht anders kann, nein, von
jedem kleinwinzigen Talentchen, das eigentlich vor
lauter Freiheit von Nestellern und Käufern garnicht
weiß, was es eigentlich thun soll, und den: in Wahrheit
sehr wohl geschähe, wenn einer mit fester bsand ihn:
ein Ziel wiese. Tin Beispiel für viele! Michel
Angelo hat die Fresken in der Sistina unter dem
härtesten, rohesten Zwang geschaffen. Das Malen
widerstrebte ihm, er wäre an: liebsten weggelaufen.
Aber da er malte, gab er sein bsöchstes: auch die er-
zwungeue Arbeit ward zum Kunstwerk. Das ist ein
extremer Fall, aber die Abhängigkeit von: Besteller,
der denn doch auch im Cinquecento nicht immer ein
Mann von feinsten: Geschmack war, war schlechtweg
die Regel.
Es ist mit den: Worte Freiheit unsagbar viel
Unfug getrieben in diesen: Jahrhundert. M:d man
ist allmählich dahin gekommen, sich die Freiheiten recht
genau auzusehen, bevor man sich dafür begeistert.
Worin besteht die künstlerische Freiheit eigentlich,
die bei uns herrscht? Der Besteller ist verschwunden,
aber an seine Stelle ist das Publikum getreten. Ich
meine, das ist mehr Schaden als Vortheil. Der Be-
steller, wenn er noch so schlimmen Geschmack hatte,
war doch immer ein Mensch. Man konnte mit ihn:
verhandeln, ibn zu überzeugen suchen, und ging das
nicht an, zu überreden. Das Publikum ist ein un-
faßbarer, unpersönlicher Begriff, ein charakterloses
Neutrum, das intransigent auf seinen: Schein besteht,
das da ist, wenn es verurtheilt, und das nicht mehr
da ist, wenn man gegen sein Urtheil etwas einzu-
wenden hat. Und mit ganz wenigen Ausnahmen
mühen und quälen sich die Künstler, die früher an
den Einzelnen sich wandten, nun um den Beifall
dieses räthselhaften tausendköpsigen Etwas. Sie
martern sich und düfteln, um wenigstens von ihn:
bemerkt zu werden oder von denen nach deren Worten
es hier und da sein Urtheil bildet. Immer tappen
sie dabei in: Dunkeln und müssen rathen und suchen.
Und das nennen sie Freiheit und setzen es in ver-
blendeten: Wahn höher, als müßten sie den: Un-
geschmacke eines sicheren Bestellers einmal ein Opfer
bringen.
Welch' ein unseliger Irrthun:! Nein, auch von:
höchsten Standpunkt betrachtet kann die Kunst nur
Förderung erwarten von der Arbeit „auf Bestellung".
Das Publikum muß in Menschen zerlegt werden.
O

Prof. Eduard Grützner: Aeber Berlin
und München^
mit Bezug aus inkernuliormle Nusstellungen.
ls unlängst die Nachricht von den: großmüthigen
Verhalten der Münchener Künstler, die zu
Gunsten der Berliner Jubiläumsausstellung


auf ihre interuationale Veranstaltung in: Jahre f896
verzichten wollen, in der presse auftauchte, kam nur,
der ich meine bserrn Landsleute genau zu kennen
glaube, sofort die Idee, daß es mit dieser plötz-
llchen Großmuth doch eine eigene Bewandtniß
haben müsse. Ich schloß nämlich, eben aus meiner
genauen Kenntniß der Verhältnisse, daß gar viele
Betheiligte in: Grunde ihres Herzens gegen die Be-
schlußfassung der Gesammtheit der Künstlerschaft ge-
wesen sei, daß diese daher gewissermaßen vor einen:
kuit ueeompll gestanden haben müsse, als jener Be-
schluß ohne Widerspruch zur Annahme gelangte.
Weniger um nur für die subjektive Mberzeugung
objektives Beweismaterial zu verschaffen, als vielmehr
aus reiner Begierde: die Stimmen einiger namhafter
Vertreter der Münchener Kunstwelt in besagter An-
gelegenheit zu vernehmen, beschloß ich ein paar Be-
suche, in den: Vertrauen auf das gastfreundliche Ent-
gegenkommen unserer Künstler an der Isar.
So führten mich meine Schritte auch zur reizenden
Atelier-Villa von Eduard Grützner, die an der
Praterstraße auf sanftansteigenden: Terran: liegt —
ein lieblicher Abschluß der südlichen Gasteig-Anlagen
gegen das imposante Maximilianeun: bin. Bald be-
fand ich mich vor den: Schöpfer der bekannten geist-
und gemüthvollen Bilder aus den: Klosterleben. . .
„Offen gestanden," meinte Professor Grützner,
„bin ich kein allzu großer Freund von inter-
nationalen Kunstausstellungen; denn sie schade::
der Individualität des Künstlers. Freilich ein fertiger
Künstler wird nicht mehr so leicht sich durch ein sen-
sationelles Werk von: Auslande her beeinflussen lassen.
Allein für die werdenden Künstler werden allzu häufige
„Internationalen" gar manchmal zum Verderben.
Aus eigenster Beobachtung kann ich Ihnen hier Be-
scheid geben. Ich kann Ihnen mit guten: Gewissen
versichern, daß ich selbst schon manches aufstrebende
Talent beobachtet habe, das zu meiner stillen Freude
vielversprechend begonnen hat und dann durch den
Anblick des einen oder anderen Bildes, das besonderes
Aufsehen erregte oft nur durch gewagte Experimente,
von: Auslande verdorben worden ist. Wie viele In-
dividualitäten auf diese Weise erstickt wurden, läßt
sich nicht ermessen. Mein Ideal wäre, alljährlich
einen Münchener einheitlichen Salon zu veranstalten,
wo nur die deutsche Kunst zum Worte käme, und nur
in größeren Zwischenräumen -— etwa alle drei bis
vier Jahre — die internationale Kunst zuzulassen
 
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