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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 14
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Eller, George: Ausstellung englischer Aquarellisten
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0252

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218

-Die Kunst-Halle.

Nr.

Mäher und Mäherinnen auf lose geschichtetem Gras sitzen,
ist einfach, natnrwahr, überaus anmuthend. Seine „Aal-
fischer", ein Dünenbild, zeigt allerdings des Künstlers außer-
ordentliche Geschicklichkeit, entbehrt aber leider der Poesie.
Llaude Hayes' „Belton Lonnnon" ist ein ganz vor-
treffliches Bild. Voll Licht und Lust, überaus ansprechend
durch den warmen Ton der aus dunkelgrünem Hag violett
blühenden Eriken und Ginster, und technisch tadellos. Joseph
Knight stellt ein „Begräbniß in Wales" aus, ein gut ge-
maltes Stimmungsbild, das besser wirken würde, wenn es
weniger, eintönig gemalt wäre. Finlay Mackinnon's „Lin
nasser Tag" ist flott, keck, wahr. Beim Beschauen knöpft
man unwillkürlich den Ueberrock zu. Fred. G. Lotman
zeigt dagegen in einem kleinen Bild „Sierra Noveda", wie
zaubervoll Luft, Licht, blauer Himmel, blaues Wasser gemalt
werden können, wenn der Maler ein gottbegnadeter Künstler
ist. Edward Read ist ein Künstler, der ein mitleidiges Herz
besitzt: Im Hintergrund seines Bildes blitzen Lichter aus den
schneebedeckten Häusern des Dorfes, links, am Grabenrand, sitzt
ein armes Weib, das frierende Kind an die Brust
drückend, und blickt sehnsuchtsvoll hinüber nach dem Heim.
Alles ist in Schnee gehüllt, und das Zwielicht färbt den
Schnee sanft violett. Line Welt voll Empfindung ist in
diesem einfach gemalten Bild!
Ldgar Bundy stellt eines der wenigen Figurenbilder aus,
welche aus dem Wust konventioneller Menschenmalerei
künstlerisch hervorragen. „Lonquerors" nennt er sein Bild:
Zwei nackte Knaben haben ein Insekt gefangen, der eine
hats an einem Bindfaden befestigt und hält es frei in der
Luft, der andere hat eine Gerte in der Hand und holt damit
zum Todesstreich aus. Die Komposition ist trefflich, doch die
Zeichnung ist einigermaßen übertrieben und die Muskulatur
erscheint hart, unausgeglichen, dagegen ist es prächtig ge-
malt und schön in Ton und Farbe. Walter Langley's
„Rekonvaleszent", ein Mädel im Zwielicht auf der Fenster-
bank sitzend, neben ihr der Vater in der Bibel lesend, während-
dem die ältere Schwester das jüngste Kind in der wiege
schaukelt, ist ein tief empfundenes, gemüthreiches Bild, gut
gemalt, wenn auch etwas matt im Ton. Lrwähnenswerth
sind u. a. noch eine deliziöse „Abendlandschaft" von M.Brown,
ein sonniges „Strandbild" von A. Foord Hughes, ein „Mond-
aufgang" von Macxherson-Haye, der ganz und gar in
Lharles Jaques Fußstapfen wandelt, ein etwas steifer, aber
krystallig klar und rein und sauber gemalter „Mühlenkanal"
von Lucien Davis, ein warmtöniger „Herbstnachmittag" von
Stuart Richardson, eine überaus gemüthvolle,,Abendstimmung"
von w. I. Mackenzie, eine stark realistische, aber flott ge-
malte „Staubige Straße" von Frank Spenlove. Henry
Ryland folgt dem dankbaren Beispiele Alma Tadema's und
malt antike Frauengestalten: „Auf der Terrasse" und „Al-
cestis" sind die Titel seiner beiden Bilder. Also bessere
Hübschmalerei, die da schmeckt wie Lavendelwasser, das ohne
Alkohol bereitet ist. Und nun zum Schluß noch wenige
Worte für ein geniales Bild von T. Hope Maclachlan,
an dem, wie leicht begreiflich, die Böotier, Banausier und
Philister aller Geschlechter achselzuckend vorbeigehen. In
wüstem Gestrüpp, auf weiter Haide, in Sturm und Wetter
und platschendem Regen, zur Dämmerungszeit, bricht sich ein
Weib Bahn, erbärmlich gekleidet, unsägliches Leid in den:
angstvoll bewegten Antlitz. Diese „Verzweifelte" Naclach-
lan's ist ein Kunstwerk ersten Ranges, ein Meisterstück!

Berliner Runstschau.
Im Salon Schulte macht sich eine Sammelausstellung
des Malers Wischniowsky so breit, daß man sie nicht
gut übergehen kann, trotzdem nicht ein einziges der Bilder
den Durchschnitt überragt und damit eine Erwähnung fordert.
Auch das sehr anspruchsvolle Kolossalbild, das Lhristus auf
einem Schlachtfelde zeigt, macht keine Ausnahme. Es er-
reicht nicht einmal den billigen Effekt, auf den hin es ge-
malt ist. Die kleinen Bilder sind physiognomielose Studien
von überall auf der Erde. Die Landschafter Ed. Fischer
und Karl Rahtjen, die ebenfalls größere Kollektionen
geschickt haben, sind beide Manieristen. Aber während
Rahtjen matt und verblasen malt, erreicht Fischer durch sein
kräftiges Kolorit und seine virtuosen Künste starke, wenn
auch nicht echte Wirkungen. Unbestreitbar ist die dekorative
Wirkung seiner größeren Arbeiten.
Paul Bach's und Willi Werner's Bilder sind
Talentproben, die Gutes hoffen lassen. Jeder hat die Tugend,
die öem andern fehlt, Bach koloristisches Feingefühl, Werner
gewissenhafte Beobachtung, von den Arbeiten Bach's ist
die beste ein weiblicher Akt im Grünen, in dem Form und
Farbe mit gleicher Sorgfalt behandelt sind. In allen anderen
giebt er zu wenig. Mder vielleicht ist es richtiger zu sagen:
er beherrscht die Dinge noch nicht genug, um in Andeutungen
sie zu vollem Ausdruck zu bringen. Es ist ein allgemeiner
Fehler der Jungen, an dem er leidet: sie wollen von vorn-
herein so schaffen, wie es nur der gereifte Meister vermag.
Werner, der Motive aus dem Spreewald malt, Land und
Leute, ist zunächst noch mehr Sittenschilderer als Maler.
Ls ist mehr die Ligenart des seltsamen Stückchens Lrde,
das Treiben seiner Bewohner, was ihn reizt, als gerade
die farbige Erscheinung. So befriedigen seine Schwarzweiß-
blätter, die als Vorlagen für das bekannte Prachtwerk
dienten, vollständig, während die Bilder eine gewisse Härte
zeigen. Ich bin weit entfernt, ihm nun etwa rathen zu
wollen, daß er sich irgendwoher die farbige „Schönheit"
leihen soll. Er ist auf gutem Wege und wird schon von
selbst ankommen. —
Unter den Bildnissen ist diesmal eins ersten Ranges:
das Porträt eines jungen Mädchens von Bertha Weg-
mann. Das Fräulein ist in ganzer Figur dargestellt, in
einem einfachen Hauskleid, den Hintergrund bildet der von
dem letzten Abendroth durchleuchtete Wald. Aus dem ernsten
Gesicht blicken uns die großen Augen gedankenvoll und
empfindungsstark an. Kraft und Schönheit der Mache sind
bewunderungswürdig. — weit über das hier Uebliche ragt
auch das Werk einer Berliner Malerin Julie Wolf-
Thorn: das Bildniß einer alten Dame. Das kluge und
liebe Altefrauengesicht ist mit liebevoller Empfindung und
mit feinem Farbengefühl eindrucksvoll gemalt.
Der Salon Gurlitt vermittelt uns eine sehr inter-
essante Bekanntschaft: er enthält eine Kollektion von Werken
Robert Fowler's, des schottischen Meisters, von dem
man in der letzten Zeit so viel begeistert Rühmendes hören
und lesen konnte.
Ls ist nicht ganz leicht. Fowler's Kunst mit kurzen
Worten zu bezeichnen. Lr malt schöne Frauen am liebsten,
die in einer schönen Landschaft sich ergehen oder träumend
stehen oder schlafen. Lr giebt aber weder eine Wirklichkeit
wie Harrison noch eins Phantasie wie Böcklin, er malt
weder die Natur, wie sie ist, noch versucht er, eine erdachte
zum Scheine der Wirklichkeit zu erheben. Lr will nur aus-
drucksvolle Anmut der Linien und stimmungsvolle Süße der
Farben geben. Das erste Ziel hat er mit den englischen
Präraphaeliten, das zweite mit den boys of Glasgow gemein.
Seine Ligenart ist, daß er beides vereinen will. Ist das
viel oder wenig? Ich habe immer gefunden, daß das Sache
des Erfolges ist. Wenn man so etwas nur will, wird man
verächtlich ein Llektiker genannt, wenn man es kann, heißt
man ein Künstler. Fowler ist ein Künstler. Nur eines ist
er nicht: ein Neuerer, ein Führer. Er ist, wenn man eine
bezeichnende französische Wendung variiren darf, ein üu
ä'seole. Man sieht an Fowler sehr deutlich den ganzen
Charakter der schottischen Kunst, den man bei uns nach
 
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