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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 15
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Feld, Otto: Der Salon des Champ de Mars
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0265

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Nr. so

Die Kunst-Halle.

Der ^alon des Champ de Mars.
Von Gtto Leid, Paris.
(Affinen Pariser „Salon" im Rahmen eines einzigen Ar-
tikels zn beschreiben, kritisch zn würdigen — wird
immer ein Magnis; sein. Versuchen wir kühn dieses Mag-
nis; und beschränken wir uns daraus, aus dem reichen Ge-
sammtbild internationalen Kunstschaffens, das in den herr-
lichen Räumen vor uns ausgebreitet ist das Bemerkens-
wertheste herauszuheben.
Die reifsten Leistungen hat diesmal Schottland ge-
sendet. Allen seinen Landsleuten weit voran Lavery,
dessen beiden Bildnissen ich höchstens die beiden Kinderpor-
traits Guthrie's an die Seite zu stellen wüßte, die in Hal-
tung, echt kindlichem Ausdruck und in dein Reiz der Mache
zu den: Interessantesten gehören, was ich kenne. Aber Lavery
ist diesmal doch noch vornehmer. Das eine seiner Portraits
zeigt ein junges Mädchen in weißen: Atlaskleide, die linke
in die Hüfte gestützte Hand hält einen schwarzen Feder-
fächer, die Rechte berührt leicht einen schwarzen Tisch, auf
dem ein Arrangement weißer Rosen steht. Um die Schultern
ist ein kleines schwarzes Mantelett angeordnet, dessen weißes
Atlasfutter die Tonverbindung mit dem bräunlichen Hinter-
grund giebt. Das bildschöne Gesichtchen ist dein Beschauer
fast völlig zugewendet, prächtige dunkle Augen blicken ihm
daraus entgegen und ein lächelnder, eii: klein wenig geöffneter
Mund. Tin unbeschreiblicher Zauber echter Mädchenhaftig-
keit, ihrer selbst nicht bewußter Schönheit umschwebt die
Figur; das Ganze ist von einen: Zusaunnenklang, der es
würdig neben die allergrößten Merke der Zeiten reiht. Das
zweite fast ebenbürtige Bildniß einer Frau ist schwarz auf
braun gestimmt, eine einzige kleine Note in roth, ein winziges
Blümchen in dein Gürtel der sitzend dargestellten ist auf's
glücklichste eingefügt. Tameron ist mit einem tüchtigen Por-
trait erschienen, Macarthur hat eine:: sehr interessanten
„Frühlingsabend" geschickt. Von den Engländern ragt
Robinson heraus, Burne Iones mit einem Portrait und
vor allein Walton, der ein grau-gelb gestimmtes Portrait
von Miß Akte:: sandte und eine sehr feine Landschaft. Lrang-
wyns „St. Simon Stylite" ist wie alle Merke des Meisters
von still-vornehmer Wirkung. —
Der feinste Farbenkünstler unter den sehr zahlreiche::
Amerikanern ist wohl Hopkinson. Seine kleine:: meist
auf einen feinen grau-blau-grünen Ton gestimmten Bildchen
sind in Haltung geradezu vollendet. Humphreys Johnston
hat ein paar sehr gute Arbeiten. Dieser, wie besonders
aber sein gleichfalls in Paris lebender Landsmann Harrison
sind von französischen Lindrücken stark beeinflußt. Nicht zn
ihren: Schaden. Harrisons Studien zeigen in verschiedenen
Abendstimmungen einen kleinen Jungen, der eine bunte
Papierlaterne in der Hand trägt, an: Strande; seine große
Marine ist ein vortreffliches Werk. Die große einsame
wellenbewegte Wasserfläche, in der ein fahler Abendhimmel
sich spiegelt, ist voller Stimmung. Auch Melchers bringt
interessante Arbeiten. — Deutschland darf sich bei Mar
Liebermann bedanken, der die Lhre rettet; sein „Tnde des
Tages", ein alter Fischer, der in den: Dünengras rastet,
(das Leipziger Museum hat das Bild angekauft) ist ein groß
empfundenes stimmungsvolles Werk. Noch interessanter aber
sind die „Jungen von Sandvort, die aus den: Bad kommen",
Kinderakte von sprühendem Leben im Ton und in den Be-

wegungen inmitten einer herbstgrauen Landschaft, aus der
uns der köstliche, erfrischende Seewind entgegen weht. Kühl
hat einen „Schlächterladen in Lübeck" gemalt, der ein bischen
schwer wirkt, und seinen bekannten „Blick auf Lübeck", jene
rothen Dächer, mit denen er Schule gemacht zu haben
scheint. Trübner „Wiedertäufer Secon", Skarbina „walves
Tlustirg", Dora Hitz ein nicht glückliches Portrait. Der
junge Max Seevogt, der in München für ein großes „Licht"
ausgeschrieen wird, schickte eine Danach die von einem
hübschen Können und einer gewissen Kraft zeugt, aber brutal
und geschmacklos wirkt. Meyer-Ball bringt zwei Studien-
köpfe, Tarl von Steffen Portraits und Landschaften, Gudden
zwei Bilder aus Holland, die farbig, nur noch ein wenig
haltungslos wirken, Burger unter Anderem zwei hübsche
farbige Lithographieen. Ls thut mir leid, aber der „Weiher"
Lcistikow's ist ein entschiedener Mißgriff und alle wohl-
meinenden müssen den: strebsamen Künstler abrathen, auf
diesem Wege fortzufahren. Das Bild ist sehr fleißig studirt
(besonders das Wasser), aber es wirkt doch gar zu hart,
die Farbe gar zu bunt und unerfreulich. — wie gesagt,
Deutschland ist in diesem Jahre weder sehr zahlreich noch
— von Liebermann und etwa Kühl abgesehen — qualitativ
günstig vertreten, wo sind denn die Münchener geblieben?!
In der graphischen Abtheilung hat Koepping drei Radirungen
und der junge V. Graf drei hübsche Blätter in Aquatinta.
Von den Holländern möchte ich Israels und Mesdag
erwähnen, beide mit den bekannten Vorzügen. Dagegen
hat der Belgier Tourtens neben drei anderen interessanten
Arbeiten eine große „Morgenstimmung in: Walde", das nur
das vollendetste zu sein scheint, was der Künstler bisher
geschaffen, wie das Licht durch die dicht belaubten Bäume
rieselt, wie weich und doch bestimmt die Stämme und Aeste
in diesem Flimmern stehen, wie die Sonne hinten über den
Rasen fluthet, das ist unvergleichlich schön gemacht. Und
während die Bilder des Meisters sonst manchmal ein wenig
unruhig und fast zu rafstnirt wirken ist dieses Werk von
höchster Geschlossenheit und einfach-ruhiger Stimmung. Fer-
dinand willaert „Kanäle" in Gent und in Brügge sind
gleichfalls vortrefflich. Dieser mit seinen feinen, kühl ge-
stimmten Bildern bildet einen Uebergang zu der modernsten
Richtung unter den französischen Landschaftern, die von der
Wiedergabe der starken Effekte, wie sie die Helle Tagesbe-
leuchtung bietet, zur Darstellung der feinen differenzirten
Stimmungen sich gewendet, in die die Landschaft sich hüllt,
wenn der Abend herabsinkt. Tazin, der hier wohl Führer
und Anreger gewesen, bringt auch in diesen: Jahre wieder
eine Reihe feinster Arbeiten, wie unendlich bescheiden
treten diese Werke auf und wie tief wirken sie, wenn inan
sich hinein versenkt. Bilotte, der die gleiche Stunde liebt,
wirkt dagegen auf die Dauer doch ein bischen weichlich.
Vortrefflich sind die gleichfalls anspruchslos auftretenden
Landschaften des in Paris völlig heimisch gewordenen Iettel.
Auch den Norweger Fritz Thaulow, dessen beste Leistungen
immer noch die beiden von den: Salon der Internationalen
bekannten Nachtstimmungen sind und den sehr sorgsam
studirenden Dänen Bertson nutz; man künstlerisch wohl den
Franzosen zuzählen. Msnard, der schon in dein Salon der
pastellisten durch seine groß aufgefaßten stimmungsvollen
Landschaften gerechtes Aufsehen erregte, ist auch hier wieder
glücklich vertreten. Ebenso Raffaeli, Binet, Sisley, Lolin,
Bareau, Lottet. Aublets Akte im Freien sind, wie
immer, auch diesmal gut gezeichnet, sehr hell und leuchtend
 
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