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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 10
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Galland, Georg: Unsere Internationale Kunstausstellung, [1]: ein Wort zur Verständigung
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Basedow, Hans von; Struys, Alexandre [Gefeierte Pers.]: Alexander Struys
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0173

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Nr. fO

Die Kunst-Halle. g-—°

ständen für uns gewinnen. Oder aber wir verzichten
zunächst auf den Ehrgeiz, eine große internationale
Ausstellung zu machen, die nun einmal aus Gründen,
die freilich mehr mit der „hohen" Politik als mit der
Kunst zu thun haben, gerade in Berlin erwiesener-
maßen sehr erschwert wird. Noch jedes Volk hat
einmal in seiner Geschichte solche Zeit durchgekostet;
Nom hat die Griechen, Frankreich unter Franz I. die
Baumeister Italiens, London unsern Holbein und den
van Dyck einst sehr nöthig gehabt. Das ist denn
auch die kühle Auffassung der Sachlage auf Seiten
uuserer Ausstellungsleitung, die sich der Verant-
wortung ihrer Maßnahmen vollbewußt ist und die
zweifellos im Nahmen größter Unparteilichkeit so rück-
sichtslos dem Einzelnen gegenüber handeln wird, wie es
das Interesse der festlichen künstlerischen Veranstaltung
erheischen muß. Aoblssss odliAs!
Sentimentale Erörterungen dürfen hieran nichts
ändern. Die Zeit wird dies gründlicher besorgen,
sobald erst die Hoffnungen für unser heimisches Kunst-
leben in Erfüllung gehen. Und darauf kommt es
zunächst am meisten an, nicht etwa auf voreilige Kor-
rektureu von Ausstellungsstatuten. Jeder Einzelne
aber, der ein lebhaftes Interesse an dem Gedeihen der
Sache hat, ist sehr wohl in der Lage am Nau mit-
zuwirkeu. Kliguenweseu und Streberthum müssen aus
dem Tempelbezirk der Künste verscheucht werden,
Einseitigkeit, Lmpfindelei und Engherzigkeit müssen
schwinden, Großmannssucht und Herabsetzung der
künstlerischen That des strebenden Genossen sollen mit
gleicher Strenge bekämpft werden, gern soll Jeder
dem Eroberer im Reiche des Schönen die Halme
reichen. Erst auf diesen: Boden werdeu — falls er
sich allmählich bereiten läßt, was ja Pessimisten
immerhin bezweifeln können — auch große dankbare
Aufgaben sich ganz von selbst ergeben, zu deren
Lösung die geeigneten Kräfte naturnothwendig gleich-
zeitig erwachsen.
Einstweilen liegt das Alles noch in weiten: Felde.
Begnügt sich doch der bewunderte Ehrgeiz vieler
unserer „Modernen" mit der Erreichung dessen, was
gestern in Haris Mode war und was heute dort
schon wieder belächelt wird. Unsere strebsamen
„Jungen" lassen sich an der Seine geduldig in's
Schlepptau nehmeu; und so werden wir noch lange
die fremden Herrschaften um Meister von der Oualität
eines Nops und Boldini beneiden. lVenn wir das nicht
mehr brauchen, wird auch unsere künftige „Inter-
nationale" ganz von selbst eine veränderte Physiognomie
erhalten. Dann werden wir hier hoffentlich über
Reziprozität nicht anders denken wie heute Londou und
Haris. Bis dahin gedulden wir uns bescheiden. Die
ersten Hlätze an der Tafel einer Elite-Ausstellung können
allein durch Leistungen, nicht durch den polternden Aus-
druck des Mißverguügens erobert werden. Die Hrüfung
dieser Leistungen liegt einer Jury ob, an deren Ge-
rechtigkeitssinn sich nicht zweifeln läßt, die aber nicht un-

fehlbar ist. wer sich benachtheiligt glaubt, kann ja an
die Geffentlichkeit apelliren, die auch außerhalb des
Moabiter Glashauses besteht, wer selbst damit kein
Glück hat, der tröste sich schließlich in den: Gedanke::,
daß man an maßgebender Stelle, des ewigen Drängens
der Zurückgesetzten und Zurückgewiesenen müde, eine
Umwandlung der gewöhnlichen Iahresausstellungen
in Kunstjahrmärkte ohne Jury plant. Gb dann aber
die Klagen Aller verstummen werden, das zu be-
urtheilen, bleibe den künftigen Erfahrungen Vor-
behalten.


Alexander Struys.
Von H ans von Basedow.

ie Antwerpener Kunstausstellung des Jahres
s87ö enthielt ein Bild, das Aufsehen erregte:
„Vielleicht" hieß das Bild, Sander Struys
der Maler, den Niemand kannte. Man forschte nach
ihn: und erfuhr, daß er in Folge einer romantischen
Liebesgeschichte in London gelebt habe, gemeinsam
mit seinem Freunde Ian van Beers -- der jetzt ja
ein „berühmter" Hariser Maler, der Schöpfer der
„Dame in Schwarz" —- daß beide die Leiden und
Freuden des Bohömethums kennen gelernt und flott
darauf losgepinselt hatten, plan- und maßlos, Un-
verkäufliches, wie es ihnen ihr Talent, Verkäufliches,
wie es ihneu die Noth eingab. Namentlich Struys
zeichuete sich damals durch bizarre Ideen und soziale
Schärfe und Tiefe aus, so daß die Ausstellung seiner
Bilder in Londoner Kunsthandlungen polizeilich ver-
boten wurde; trotzdem wurde:: diese Bilder merk-
würdiger weise nicht verkauft.
Das Werk, das Struys mit einen: Schlage be-
kannt machte, eben jenes „Vielleicht", war eine
Reminiscenz an seinen Londoner Aufenthalt. Ein
junger Violinist steht in dürftiger Kammer an einen
Holztisch gelehnt und phantasirt. Auf dem Tische
eiue braune Kaffeekanne, eine Obertasse, ein Stück
Brod. An der wand eine Chemisette und ein weib-
liches Horträt, darüber ein Lorbeerkranz. Ruhm und
Liebe — das große „vielleicht" im Leben des Künst-
lers. Das Bild packte durch deu seltsamen, vertieften
Ausdruck des Gesichts, wo sich der ganze geistige
Gehalt, die verinnerlichte Wahrheit und Schlicht-
heit des Ganzen konzentrirte. Der Violinist ist Nie-
mand anders, als Ian van Beers, der jetzt in seinen:
mondainen Atelier zu Haris mit verachtender Freude
an jene Jugendzeit und ihren Niederschlag in den:
seltsamen Hortrait seines Freundes denkt. Struys,
der Lebeusmomeute künstlerisch nachschaffen wollte,
griff in sein eigenes Leben hinein, aber, ::::: das zu:::
Ausdruck zu bringe::, was er sagen wollte, machte er
 
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