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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 21
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Berger, Rud.: Die Kunst auf der bayerischen Landesausstellung in Nürnberg
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32§

Die Kunst-Halle.

Nr. 2 s

mit dem Geiste eines Albrecht Dürer so zum Bewußtsein
gelangt wie hier. Zumal in den Steindrucken spricht
sich die Bestrebung, die alte Dürer'sche Volkskunst
wieder ausleben zu lassen, einfach und klar aus. Der
Wanderer im Laubwald, das deutsche Schloß, die
heilige Familie, das Bauermädcheu sind volksthümlich
gehaltene Kunstblätter, welche sür den Zweck der
modernen Kunst, Gemeingut Aller zu werden, im
ersten Treffen stehen. Zwei Tableaux, der „Ausläufer
des Vogelberges" und das „Taunusdorf", sind so tief
empfundene Werke, wie sie nur selten in der deutschen
Landschaftsmalerei wiederkehren.
Auch im Uebrigen liegt das Schwergewicht der
Ausstellung in ihrer Landschaftsmalerei entsprechend
den modernen Bestrebungen der Münchener Kunst
nach dieser Richtung. Obenan steht Ludwig Dill mit
seinen Bildern „Nach dem Gewitter" und „Oktober-
abend bei Dachau". Tin starkes persönliches Em-
pfinden klingt aus dieseu der Natur abgelauschten
Landschaften. Neben ihm steht eine ganze Reihe
tüchtiger Künstler auf diesem Gebiete, wie Ludwig
Herterich mit seineu „Abendklängeu", Strützel mit
seinem „Altwasser", Hölzel, Busse, Bösseuroth, Schultze-
Naumburg, Andersen-Lundby, Hartmann. Auch der
Name von Keller-Reutlingen ist unter einem Bilde zu
lesen, das aber nicht den Höhepunkt seiner Kunst be-
zeichnet. Unter den noch unvollendeten Talenten
interessiren zumeist Kuschel und Zwintscher. Ersterer
zeigt noch eine allzu starke Abhängigkeit von be-
rühmten Mustern, vor allem von Böcklin. Aber
wenn diese erst überwunden sein wird, dann wird er
ein tüchtiger Meister werden. Unfertig ist auch noch
der zweite, Zwintscher, dessen „Sturm" mit den kecken
Verkürzungen noch von der Münchener Frühfahrs-
ausstellung der Sezession her bekannt ist, dessen „Thal-
landschaft" und „Meißen" sehr wirkungsvoll ge-
malt sind.
Unter den Porträtisten treten zwei durch die auf-
fallende Aehnlichkeit in der äußeren Technik in den
Vordergrund: Franz von Lenbach und Leo Sam-
berger. Man hat den letzteren schon den Lenbach
der Sezession genannt. Ich glaube aber, daß man
der Kunst Samberger's damit doch ein bischen zu
viel Ehre erweist. Beideu gemeinsam ist allerdings
die nonchalante Behandlung des Nebensächlichen, d. h.
alles dessen, was sie für nebensächlich halten. Auch
die möglichste Beschränkung auf einen Grundton,
neben dem die übrigen Farben nur als andeutende
Begleitakkorde austreten, ist auf Samberger's Por-
träts zu beobachten. Damit sind aber die Berührungs-
punkte so ziemlich zu Ende; denn während bei Len-
bach die wenigen charakteristischen Züge haarscharf
bis zur Aehnlichkeit, manchmal sogar fast bis zur
Karrikatur durchgeführt siud, verallgemeinert Sam-
berger die psychologische Persönlichkeit zu eiuem
typischen Vertreter eines größeren mit ihr verwandter:
Personenkreises, was einige Kunstkenner für ungemein

geistreich halten. So kann das Porträt seines Vaters
mit Violine für den „Musiker", oder das Selbstbildniß
für den „Künstler" typisch sein. Halten wir dagegen
Lenbach's Porträt des Prinzen Ludwig von Bayern
gegenüber, so finden wir aus den wenigen Strichen,
welche die fein modellirte Stirn, die energischen Augen
unter der Brille bedeuten, die ganze Individualität
des Mannes heraus, der die vor kurzem so viel be-
sprochenen Worte hinwarf, nicht etwa aber die
Züge des „Staatsmannes", des „Thronprätendenten"
Eines der besten Bildnisse Samberger's
ist diesmal der interessante Kopf Stuck's. Nebeu
diesen beiden Vertretern heutiger Porträtkunst sind
noch Albert Keller, Tonring, Schuster-Woldan uud
Georg Kellner zu neuneu.
Zu geringfügig erscheint mir hier die gerühmte
Münchener Thiermalerei. Außer einigen Schafen von
Heinrich Zügel, den Hühnern von Hubert von Heyden,
sind nur weuig iu dieses Genre fallende Gemälde zu
verzeichnen... Noch sind einzelne Namen zu ueunen,
bevor wir die Liste der bayerischen Maler beschließen.
Uhde's Bild „Um Thristi Rock", das eine Schwenkung
des Meisters von seiner bisherigen Weise zu fener
der alteu Meister bedeutet, findet natürlich lebhafte
Bewunderer. Als Komposition ist der religiöse Stoff
trefflich behandelt, und technisch steht das neue Bild
gleichfalls auf einer hohen Stufe. Auch das audere
Gemälde von Uhde, „Gstermorgen", einer seiner be-
kannten Anachronismen, ist ein bedeutendes, sehr zart
ausgeführtes Werk. Exter, von Habermann, Volz,
Kalckreuth, haben gute Bilder eingesandt, die über
das Durchschnittsniveau um Haupteslänge hinaus-
ragen. Ein Meisterwerk sind Walter Firles „Singende
Mädchen" sowohl in technischer Beziehung wie auch
in der Empfindung. Ein vielversprechendes Talent
ist endlich noch Max Slevogt, der verdiente, diesen
Meistern beigesellt zu werden, — sobald er sich seine
Verzeichnungen abgewöhnen wollte. Unter den wenigen
Besuchern der Nürnberger Kunsthalle dürfte er sich mit
seiner allzu derben Technik kaum Freunde erwerben.
Sein Diptychon, das erste Menschenpaar, zumal siudet
meist nur ein bedauerndes Achselzucken.
Die Plastik auf der Laudesausstellung bean-
sprucht keine allzu breiten Besprechung, zumal sie
nicht zahlreich vertreten ist. Immerhin läßt sich der
lang ersehnte Aufschwung, wenn auch uur andeutungs-
weise, erkennen. So bedeutet z. B. Josef Floßmaun
eine volle und ganze Künstlerindividualität, die trotz
der ohnehiu nicht allzu günstigen Situation der Münche-
ner Bildhauer dem Publikum keiue Konzessionen zu
macheu gewillt ist. Neben einem bekannten Gips-
abdruck feuer Gruppe, die eine „Mutter" mit ihren
beiden Kinder:: vor einer todtbringenden Katastrophe
wirkungsvoll darstellt, sind scharf modellirte Porträt-
büsten (darunter die der Eltern des Künstlers sowie
diejenige Leo Samberger's) von echt künstlerischem
Gehalte. Der Werth dieser Arbeiten wird um so
 
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