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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 16
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Imhof, Franz: Die Berliner Gewerbeausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0287

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Nr. W

. - - -—H Die Kunst-Halle.

2B

Warum Berlin keine Weltausstellung mochte,
nicht einmal ein nationales Unternehmen — begriff
ich vordem nicht. Jetzt versteh' ich es wohl. Jetzt,
da ich wenigstens einen Begriff erhielt von der un-
geheueren Fülle gewerblicher Leistungen, welche allein
die Hauptstadt auszustellen vermag. Ich schritt durch
die unübersehbare Reihe der Hallen; was ich sah,
hat mich erst interessirt, dann wirklich erstaunt, end-
lich begeistert. Berlin ist gewerblich Deutschland,
wie Paris Frankreich ist — das wurde mir zum ersten
Wale klar. Diese Lokalausstellung bedeutet einen
Erfolg allergrößten Ranges. . . Und zu diesem Erfolg
hat nicht zuletzt die Architektur beigetragen. Ich
bin nicht etwa blind gegenüber demjenigen, was einer
ernsteren Prüfung nicht Stand halten kann, was in
der Hast des baukünstlerischen Schaffens, nicht voll-
ausgereift und harmonisch abgewogen, eine nur un-
vollkommene Gestaltung empfing, was nicht völlig
zweckmäßig in der Anlage den Eharakter des Ge-
bäudes nur undeutlich ausprägt, was ästhetisch wie
tektonisch nicht einwandfrei erscheint und mehr über-
trieben, schwülstig als großartig, ideenvoll wirkt. Ich
durchschaue die Mängel wohl; aber ich vergesse da-
bei nicht, daß diese Architektur nicht einmal für eine
längere Dauer bestimmt ist, sondern nur für das kurz-
bemessene Vergnügen einer Saison. Wenn die
Blätter des anmuthigen Treptower Parkes wieder
zur Erde fallen, wird auch die festliche Pracht dieser
Stätte dahin sein. Doch hoffentlich nicht für immer.
Das Beste voran gestellt, betone ich, daß Bruno
Schmitz in der kuppelbekrönten Vorhalle des
Hauptgebäudes der Ausstellung, in diesem auch durch
Plastik und Walerei wundersam wirkenden Ehrensaal,
daß neben ihm besonders Karl Hoffacker in seinem
mächtigen Holzbau für „Fischerei und Sport" —
Werke schufen, denen eine dauernde Erinnerung
sicher ist, die es billigerweise verdienen, stets genannt
zu werden, wenn in Zukunft von derartigen öffent-
liche!: Fest- und Gelegenheitsbauten die Rede sein
wird. . . . Als das größte Kunstwerk in Treptow er-
scheint nur aber der Gesammtplan der Ausstellung,
der aus der Erwägung aller betheiligten künstlerische,:
Kräfte hervorgegangen zu sein scheint. Die Witte
des ganzen Geländes bildet ein oval ausgeschachteter
See, von noch jungen Baumalleen eingefaßt. Und
um dieses laudschaftlich herrliche Tentrum gruppireu
sich die manuigfaltigen Theile, hochmalerisch und
wechselreich bis zu den äußersten Grenzen des
Terrains, das kann: erheblich an Umfang von einer
der berühmten Weltausstellungen übertroffen wird,
die Wehrzahl derselbe!:, z. B. die letzte pariser, da-
gegen erheblich übertrifft. Entzückend wirkt das
lebendige Panorama, genossen von den geschweiften
offenen Arkaden aus, die der Front des Hauptpalastes
mit seinen beiden weißen vierkantigen Thürmen und
seiner metallglänzenden Kuppel vorgelegt sind. Da
sällt der Blick zunächst auf ein terrassenförmig ab-

fallendes System riesiger, mit N. Geiger's kolossalen
Bildwerken geschmückter Springbrunnen und dann
weiter über die Länge jenes fahrbaren Sees, dessen
Ufer zierliche Rundtempelchen schmücken und an dessen
halbrunden: Südabschluß ein von Hallen stankirter
gewaltiger Wasserthurn: emporsteigt — ebenfalls ein
Werk unseres genialen Bruno Schmitz.
Weiter südwestlich erstreckt sich noch ein anderes
seeartiges Wasser, ein buchtenreicher, von Bäumen
und Büschen umsäumter Karpfenteich, an dessen Ufer
ein Stück Spreewalddorf ein Wuseum für Volks-
trachtei: umschließt, während gegenüber eii: bevölkertes
Negerdorf eine Art geöffnetes Entrs zur Kolonial-
ausstellung bildet, und endlich an der Südseite das
vielerwähnte „Alt-Berlin" mit einigen Plätzen,
Gassen, trotzige!: Festungstheilen, mit Rathhaus, Hl.
Geistkapelle, Gerichtslaube und einer Unzahl von
Bürgerhäuser!: im gothischen oder Renaissancestyl —
eiue zum Theil ideale Rekonstruktion, die der Phan-
tasie ihres Schöpfers Karl Hoffacker alle Ehre macht —
das Vorderterrain des Parkes abschließt. Auf diesen:
Terrain liegt auch noch, unweit der Nordwestgrenze
gegenüber „Kairo", der mächtige, von (Huerschiffen
durchschnittene Hallenbau, welcher der Abtheiluug
„Gesundheitspflege und Unterricht" vortheilhaft dient,
eine Schöpfung desselben Architekten. In dei: öst-
liche:: Rayons bilden sodann die Abtheilung für
Gartenbau und das mit einen: Dampferkoloß
staffirte Bassin für Warineschauspiele recht interessante
Stätten. Aber beinahe hätten wir das Theater
„Alt-Berlin" übersehe::, ein Bühnenhaus mit nach
Hinte:: offener Foyer-Halle, das, während es in:
Innern, in der Anordnung der Plätze, das ganze
Raffinement des mit den optisch-akustischen Gesetzen
vertrauten modernen Theater-Architekten offenbart, an
den Fassaden in einer aufgemalten Architektur einer
koloristisch pikanten Alterthümlichkeit huldigt.
Alles Uebrige — nud wie viel Sehenswerthes
findet sich noch darunter — liegt jenseits der drei
Hauptstraßen, die das Treptower Gelände in Dreiecks-
form durchschneiden. Beim Eintritt fällt das um
eine:: viereckigen Hallenhof gruppirte Verwaltungs-
gebäude auf, das gleichzeitig deu Haupteingang in
die Ausstellung bildet und mit seinem gothischen
Staffelgiebel, den Wax Seliger herrlich bemalte,
die Treptower Thaussee und ihre farbenreiche köst-
liche Perspektive beherrscht. Wie fein hat hier Hoff-
acker aus deu topographische:: Umstände:: künstlerischen
Vortheil gezogen. Dagegen entbehrt das Lhemie.
gebäude mit dem darangelegten halbrunden Hör-
saal, eine massive dreischiffige Anlage, die von Hans
Griesebach herrührt, leider der an dieser Stätte so
wünschenswerthen Bemalung. Kühn wirkt sodann
der Aufbau des Fischereipalastes, der mit seinen
beiden phantastisch zugespitzten Thürmen den zu
Wasser nahenden Besuchern energische Grüße zuwinkt-
Winder reizvoll in dieser freilich gefährlichen Nach-
 
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