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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 16
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Feld, Otto: Der Salon der Champs-Elysées
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0285

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Nr. (6

-Die Kunst-Halle, kM-

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begegnen, die uns nicht zeigte, daß ihr Autor gründlich ge-
lernt, was in der Kunst sich lernen läßt — sein Handwerk,
daß er mit redlichem Fleiß bemüht gewesen, das Gelernte
anzuwenden. Und man weiß wie gründlich von den fran-
zösischen Künstlern das Handwerk erlernt wird. Schade aber,
daß all dies schöne Können hier nur dazu dient, hundertmal
schon Gesagtes in denselben konventionellen Formen zu
wiederholen, in derselben Sprache dieselben niedlichen Ge-
schichten zu erzählen wie seit Jahrzehnten nun schon, mit
demselben falschen Pathos winzig kleine Gedanken auf rie-
sigen Leinwandflächen auszuspinnen, mit derselben Geschicklich-
keit die Dualität eines Stoffes wiederzugeben, aber so blut-
wenig von dem Seelenleben dessen, der damit bekleidet ist.
Lin eisiger Hauch strömt uns mit wenigen Ausnahmen
aus den glänzenden goldenen Rahmen hier entgegen. Es
fehlt, was so reich, so überreich vielleicht, im Lhamp de
Mars uns entgegentritt, es fehlt die Persönlichkeit in den
Kunstwerken. Ls fehlt uns vor ihnen hier das Gefühl,
daß ein eigenartiger, malerisch empfindender Mensch mit
dem erwärmenden Hauch, der von eigenem Lrgriffensein
ausgeht, uns erzählt von dem, was er gesehen. Dort ein
emsiges Suchen und Ringen nach einem Ausdruck für das
Schöne, das Große, das Neue, das den Seelen sich offen-
bart hat, ein Stocken oft noch ein Stammeln unter dem
starken Lindruck, der in der Brust nachzittert und mühsam
erst eine Form sucht sich zu offenbaren. Hier zu schönem
Gleichklang Abgewogenes, ruhig dahinfließende, einschläfernde
Phrasen. —
Die Kunst der Lhamp s-L lysves ist die Kunst der
Tradition und wir sehen hier wohin es führt, wenn in der
Kunst die Bewahrung der Tradition zum Selbstzweck wird.
Sicherlich war diese Tradition die Stärke der französischen
Kunst. Ueber die gefahrvollen Epochen des Klassizismus und
der Romantik hat sie den dortigen Meistern fortgeholfen. Und
Dank dieser Basis eines überlieferten sicheren Könnens sind
selbst die oft gewagten und oft mißglückten versuche der
Allerneuesten heut hier immer noch erträglich. Aber wie sie
allen Denen zum Segen geworden, die sich ihrer weise zu
bedienen wußten, so ward sie zum Fluch, wo man wie
einen Götzen sie anbetete, wo die Geschicklichkeit der Mache
als Wichtigstes gilt, wo das Ausdrucksmittel wichtiger wird
wie der Inhalt, dem man Form zu geben hat, da legt sich
ein nüchternes Banausenthum auf die Seelen. Man ver-
gißt, daß wer malen kann, darum noch lange kein Maler,
kein Künstler ist.
Nichtsdestoweniger werden wir den Bouguereau und
Bonnat und Lefsvre und Henner und wie sie Alle heißen,
die auch in diesem Salon, wie so oft schon von ihrer Ge-
schicklichkeit Zeugniß ablegen, als den Bewahrern der Tra-
dition unseren Respekt nicht versagen. Aber die Kunst un-
serer Tage repräsentiren sie nicht und vielleicht thäten sie
besser mit dem Ruhm sich zu begnügen in den Museen ver-
treten zu sein und den Platz in den Ausstellungen der
strebenden Jugend zu überlassen.
Da haben mir z. B. ein gut gezeichnetes, gut gemaltes
Porträt von Benjamin Lonstant! So wie es da ist, sehr
geschickt, die Schatten ein bischen zu bräunlich, der Ton ein
bischen zu tief, ein bischen zu viel Arrangement und Mache,
würde es sich in einem Museum recht gut ausnehmen und
in soo Jahren würden alle Kunstkenner sich höchlichst über
das Werk freuen, das in der Malweise und im Kostüm des
Dargestellten so deutlich den Stempel der Kunst von MO

trägt. Der Künstler hat seinen Sohn geinalt, der nach dem
neuesten Lhic d. h. ü la, MO gekleidet ist. Dagegen wäre
ja nichts zu sagen, der hübsche Junge sieht gar nicht übel
in dem Kostüm aus, hätte der berühmte Vater die Sache
nur nicht komischer weise so ernsthaft genommen und aus
seinem vermuthlich etwa um MO geborenen Sohn einen
jener empfindsamen Jünglinge ü Io, MO zu machen ver-
sucht . . . Von den gefeierten Porträtisten ist wohl jeder ver-
treten, jeder mit seiner Spezialität, jeder mit seinen be-
kannten Vorzügen und Fehlern, Bonnat wie Bouguereau,
wie Lefsvre, kurz wie sie alle heißen, von den Un-
berühmteren giebt weiß ein in Haltung und Mache über
das allgemeine Niveau herausragendes Bildnis eines alten
Herrn, Maree ein Porträt seines Vaters, das von großer
Tonschönheit ist. Die beste Porträtleistung ist wohl von
Humbert (einem Engländer?), eine Dame in weißem
Ballkleid fein zusammengestimmt, gut gezeichnet und von
ausdrucksvoller Haltung. Der Belgier Lharlet bringt ein
großes Porträt Rochefort's in seinem Arbeitszimmer. Der
blasse geistreiche Koxf ist sehr charakteristisch, die Figur steht
gut in der reichen Umgebung. Ueber ein Porträt von Gtto
Feld muß ich mir leider jede Kritik versagen, da ich dem
Autor zu nahe stehe. Interessant ist das Bildniß, das
Henri Martin bringt, nur weiß ich nicht recht, was die
goldene Blume, die die erhobene linke Hand trägt, in dem
Porträt bedeuten soll.
Uneingeschränktes Lob verdient desselben Meisters großer
Fries für das Hotel de Ville. Durch sonnenbeleuchtete
Stämme schaut ein Heller Himmel auf die trefflich an-
geordneten Figuren, die theils Porträts, theils Allegorien
sind, welche Musik uud Skulptur vorstellen: Die Farbe
leuchtend schön, die Figuren vortrefflich gezeichnet. Modernstes
Können fügt sich hier bestens dem dekorativer: Zweck, dem
das Bild zu dienen bestimmt ist. Nicht von allen den rie-
sigen „Maschinen", den Plafonds, panneaux u. s. w., die in
großer Zahl wie alljährlich die wände dieses Salons füllen,
kann man das sagen. Die meisten zeigen ja ein großes
Können, gute Modellirung, sichere Zeichnung der Verkürz-
ungen in den Figuren der mehr oder minder bekleideten
Damen, die da auf Treppenstufen sitzen oder in der Luft
umherfliegen. Aber es fröstelt einem, wenn man denkt, daß
man diese unmalerische Freudlosigkeit über seinem Kopf
schweben hätte. Liest man die langen Erklärungen unter
den Bildern, so hat man vollends genug! welche Ge-
lehrsamkeitl wie viel Bücher sind da gewälzt, wie viel
Kostümkundige zu Rathe gezogen und wie wenig Maler
haben dann den Pinsel geführt. Lin Bild kann einen
„Inhalt" haben! Meinetwegen! Aber dieser Inhalt muß
malerisch sein und nicht historisch oder kulturhistorisch oder
philosophisch oder dergl. Gelehrsamkeit suchen wir in
Büchern und nicht in Kunstausstellungen.
Und wenn diese Gelehrsamkeit, diese Weisheit nun gar
so winzig klein und gar so wenig neu ist wie diejenige, die
Herr Rochegrosse in seinem riesigen Bilde „V'^n§ol886
llumaino" auskramt, dann ist's wirklich schade um so viel
Arbeit, so viel Können und so viel Leinwand, was er
uns hier mit Aufwendung von so viel Mühe erzählt, wür-
den uns zwei Zeilen eines unserer großen Dichter viel
besser sagen und wir hätten, während wir jene lesen, nicht
das unbehagliche Gefühl des Bedauerns auszustehen, daß
ein schönes Talent durch eine falsche Ruhmsucht auf so
schlechte Fährte geführt wird. Rochegrosse ist ein Talent,
 
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