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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 15
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Galland, Georg: Zur Feier der Berliner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0262
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226

H Die Kunst-Halle.

Nr. s5

Der Große Kurfürst war stets Freund einer uach
holländischem Vorbild geregelten methodischen Unter-
weisung aus wissenschaftlichem wie künstlerischem Ge-
biete. In den Bestallungen der Mehrzahl seiner Hof-
künstler war zum wenigsten andeutungsweise von
dein Unterricht begabter junger Leute, die der Fürst
jeneu zuzusenden sich vorbehielt, die Rede. Aber die
meist vom Ausland gewonnenen, nach Berlin be-
rufenen Lehrkräfte reichten keineswegs aus, und so
sandte der hohe Mäcen die ihm am hoffnungsvollsten
erscheinenden Jünglinge zur Ausbildung in die weite
Ferne, nach den Niederlanden, nach Frankreich oder
Italien. Der bekannte Nubensschüler Theodor van
Thulden war damals einer der auswärtigen Lehr-
meister märkisch-preußischer Eleven. Aber wie die
Gründung wissenschaftlicher Hochschulen seine Lieb-
lingsidee war, so stand ihm muthmaßlich auch schon
die Idee einer Kunstakademie als eines nationalen
Institutes vor dem geistigen Auge, an dem die
Berliner Hofkünstler vereint den Unterricht gäben und
der Ersatz geboten sein würde für die kostspieligen
Reisen seiner Stipendiaten ins Ausland.
Sein kurfürstlicher Nachfolger Friedrich III. ver-
wirklichte diese Idee. Er tritt uns, zusammen mit
einen: früh gestorbenen älteren Bruder, schon in
jungen Jahren auch als fleißig übender Kunstjünger
entgegen, der nicht nur in der Musik, im Zeichnen
mit Blei, Feder und Kreide, sondern sogar in: Ra-
diren, Aetzen und Drucken von Kupferplatten metho-
disch unterrichtet wurde. Die von mir am anderen
Orte ausführlich beschriebenen Zeichenbücher*) der
Söhne des Großen Kurfürsten, jetzt in: Besitz des
Geheimen Staatsarchivs, werden vielleicht künftig
die ältesten künstlerischen Dokumente eines noch zu
schaffenden Museums der Akademie bilden und zu-
gleich erläutern: wie der kurfürstliche Gründer der
Akademie dazu kommen konnte, im Jahre s69^ An-
dreas Schlüter zum Lehrer einer geplanten Bild-
hauerakademie nach Berlin zu berufe:: und an:
s. Juli s696 die ueue Hochschule der bildenden Künste
nnter dem Direktorate Josef werner's zu eröffnen.
Ich will den Leser keineswegs mit einem weit-
schweifigen geschichtlichen Rückblick unterhalten. Das
werde:: ja die gewissenhaften Kollegen noch ander-
wärts in so ausgiebiger weise besorgen, daß hoffent-
lich selbst der wißbegierigste zufrieden gestellt werden
dürfte. Ich schreibe für ein modernes Kunstblatt
und habe deshalb vorwiegend auf zeitgemäße Fragen
erörternd einzugehen: was ist uns heute die Aka-
demie? — Hat ihre Existenz noch solche Berechtigung,
daß man der Hochschule ohne Heuchelei ein künftiges
fröhliches Gedeihen wünschen kann? Sehr ernsthafte

I Studien zur Brandenburgischen und Holländischen
Kunstgeschichte. Frankfurt a. M. M2. S. 92.

Leute haben in jüngster Zeit ans Grund von Er-
fahrungen, die zum Theil wohl aus der älteren
Kunstgeschichte geschöpft sind, sich begeistert für die
vormalige Atelierausbildung, die unsere Kunstbe-
flissenen wieder zu Lehrliugen von Meistern machen
würde. Ganz gewiß: etwas mehr gediegenes Hand-
werk bei unseren Bildhauern und Malern würde
ebenso wenig schaden, wie etwas mehr phantasie-
arbeit, zumal in ihren öffentlichen Werken. Aber ich
bin darum weit entfernt, das Kind mit dem Bade
auszuschütten und denen Gefolgschaft zu leisten, die
gern vergiftete Pfeile gegen unsere Kunsthochschule
schleudern, deren nationaler Tharakter unangetastet
bleiben möge.
In Wirklichkeit richtet sich diese neuerdings fast
epidemisch aufgetretene Verachtung des akademischen
Kunststudiums gegen Akademien überhaupt, so daß
ich mich ganz generell mit der Prüfung der Bedeutung
dieser Institute für die Gegenwart beschäftigen kann,
die man wohl Pflanzstätten von Mittelmäßigkeiten,
Förderanstalten eines künstlerischen Proletariats, selbst
Mördergruben für starke Individualitäten und welche
der liebenswürdigen Epitheta mehr sind, genannt
hat. Man hat ihnen in geistreichen Feuilletons und
Büchern ein wahres Sündenregister, eine lange Reihe
von Beleidigungen wirklicher und eingebildeter Genies
vorgeworsen und endlich 8UU8 pllru86 für ihre
Schließung plädirt, da sie in sozialer wie künstlerischer
Hinsicht viel mehr Uebles als Gutes stifteten.
Sind solche Klagen oder vielmehr Anklagen wirklich
berechtigt? Das heißt: wären die sozialen Zustände
heute besser, wenn statt des akademischen Studiums
lediglich Atelierlehre bestände? Da muß man doch
zunächst an die gleiche Ueberfüllung und Ueberpro-
duktion auf alle:: übrigen Gebieten erinnern. Kann
diese Thatsache das noch unerprobte junge Talent
zum Umsatteln reizen? wer wollte unter den heutigen
Verhältnissen für das Gelingen garantiren? Jeden-
falls hält die Akademie Keinen zurück, züchtet also,
zumal sie bekauntlich gewisse Anforderungen an
Fleiß, Talent und Können stellt, ein künstlerisches
Proletariat keineswegs. Oder besitzen wir nicht auch
ein Proletariat von Schriftstellern, Dichtern und
Bühnenkünstlern — ohne Akademien ihrer Fächer?
Und wünscht man nicht gerade jetzt auf Seiten der
Journalisten eine eigene Hochschule? Offenbar doch
auch, weil man die Ueberzeugung hat, daß der aka-
demische Zwang alle diejenigen Leute fern halten
werde, die es mit der Sache nicht allzu ernst meinen,
die sich mehr durch die Ungebundenheit des Berufes,
als durch Neigung und Talent zur Litteratenlaufbahn
hingezogen fühlen.
Nein. Die Gegner beurtheilen unsere Kunst-
akademien zu oberflächliche Die Schuld an dem
künstlerischen Proletariat ist entschieden wo anders zu
suchen. Früher, als der Bildungsehrgeiz viel geringer
war, fehlte noch allgemein der mächtige Trieb nach
 
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