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Die Kunst-Halle — 4.1898/​1899

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Nummer 18
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J., F.: Neue Bücher und Kunstvorlagen, [2]
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R., P.: Düsseldorfer Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63302#0323
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Nr. (8

Die Aunst-L^alle -s-

28s

Antinous, der streng genommen gar kein römischer Typus
ist, berücksichtigt worden. Diese Einschränkung hier ver-
steht man, da man einen besonderen Band sür die Bitten
und Trachten der Kunstvölker in Aussicht genommen und
Wiederholungen vermeiden wollte. Das genügt uns voll-
ständig ; eine Rechtfertigung aber damit, daß man den
Begriff des „schönen Menschen" völlig unwissenschaftlich
einschränkte aus den nackten und den idealisirten Menschen,
halten wir gradezu sür bedenklich. Schon früher dursten
wir wiederholt daraus Hinweisen, wie sehr im klebrigen
dieses schöne Sammelwerk des Nirthschen Verlags nicht nur
ästhetische Befriedigung verschafft, sondern auch sür Lern-
und Lehrzwecke vortreffliche Dienste thun muß.
Line Publikation, die dem Freunde älterer Kunst viel
Anregung, dein Fachmann dauernd Nutzen zu stiften be-
stimmt ist, ist das setzt den vierten Jahrgang beginnende
Werk „Nandzeichnungen alter Meister aus der
Albertina und anderen Lammlungen", von dem Liesg. ;
(jährlich t2 Neste, pro Nest — xo—sö Faksimiles aus ;o
Tafeln Mk. 3) kürzlich erschienen ist.*) In vorliegender
Lieferung sind zwei Blätter Dürers, ein interessantes Nell-
dunkelblatt Naus Baldungs mit der Versuchung des bl.
Antonius, eine Rembrandtsche Szene mit Merkur als
Argustödter, ein Michelangelo, ein Bauernbrueghel, ein
Terborch, ein Fragonard u. a. Meister vertreten, wir
können zur Empfehlung dieser technisch recht guten, zum
Theil auch farbig wiedergegebenen Reproduktionen, die
uns die künstlerische Nandschrist der alten Meister so deut-
lich erkennen lassen, nichts Anderes bemerken, als was der
Prospekt richtig bemerkt: diese Nandzeichnungen, seien es
vorbereitende Skizzen oder fertige Studien, bilden bei der
Bestimmung einzelner Künstler sowie ganzer Schulen ost
das einzige Argument, sind also sür eine exakte Kritik von
Belang. Nie sind es auch, welche uns in die Pläne und
Gedanken der großen Meister einweihen und uns die ver-
schiedenen Phasen eines Kunstwerkes von der ersten Idee
bis zur höchsten Vollendung vor Augen führen.
L- I-


vimMorler NiMbmf.

ie Frühjahrsausstellungen sind geschlossen und das ist
eigentlich das- Beste, was man von ihnen sagen kann,
denn kläglicher, als in diesem Jahre, waren sie noch nie.
In der Kunsthalle ist man ja nicht anspruchsvoll, aber aucb in
der Sezessionsausstellung bei Schulte war der Gesammteindruck
ein höchst dürftiger. Bei den „Alten" waren es die Bilder
zweier junger Maler, die hervortraten; in erster Linie die
vortreffliche sonnige Landschaft von w. Fritzel „Unter
Lichen", dann das Genrebild „Nicht zu dick" von Schönnen-
beck. Schönnenbeck hatte seinerzeit mehr erwarten lassen,
sein diesjähriges Genrebild hat manche Mängel in der
Schwärze der Farbe, der Aermlichkeit der Lharakterisirung rc.,
aber es erhebt sich doch thurmhoch über das übliche Düssel-
*) Nerausgeber Jos. Schönbrunner und Dr. Jos.
Meder; Verlag von Gerlach m Schenk in Wien.


dorser Genrebildchen, das noch immer nicht ausgestorben ist.
Bei Schulte waren eigentlich nur Porträts bemerkenswerth,
besonders das Bildniß des greisen Mswald Achenbach ge-
malt von Walter Petersen, der damit weit über seine,
wenn auch noch so geschickt gemachten Damenpastells hinaus-
geht. Sehr frisch waren drei studienartige Bildnisse von
(Dtto Neichert und ein großes skizzenhaftes Bild des Grasen
Mörner gemalt von Schneider-Didam.
Im Uebrigen bewegt sich auch die Porträtmalerei in
Düsseldorf trotz ihrer großen Ausbreitung in absteigender
Linie. Ls taucht eine ganze Menge von jungen Leuten
aus, die alle Woche ein Porträt ausstellen, aber über die
bemalte Photographie kommen die wenigsten hinaus,
manche bleiben sogar erheblich hinter derselben zurück, wobei
sie sich allerdings aus das leuchtende Beispiel so mancher
älterer Künstler berufen können. Ls liegt in diesem aus-
schließlichen und fabrikmäßigen Porträtmalen junger Leute
ein Verzicht aus allen und jeden künstlerischen Ehrgeiz, der
fast noch schlimmer ist, als das technische Unvermögen, das
sich in den meisten der Sachen kundgiebt. Das gilt nun
nicht von einigen Bildnissen des begabten L. Keller, der
dafür aber seinem Numor etwas zu sehr die Zügel schießen
läßt; der übrigens vortrefflich gemalte junge Kollege mit
der rothen Blume war doch eigeutlich nur als eine Travestie
auszusassen.
In der Kunsthalle sind seit Kurzem Entwürfe zu einem
Wettbewerb sür die Ausschmückung eines Rathhaussaales
in Altona von Klein-Lhevalier und Larl Becker ausgestellt.
Ls ist ja auch eine Errungenschaft der modernen Kunst, sür
monumentale Bilder möglichst triviale, veristische Motive
zu wählen nach dem Vorgang der Franzosen. Als ob ein
lebensgroßes Genrebild jemals ein monumentales Werk
würde. Mb es ferner geschmackvoll ist, eine realistisch ge-
malte Marine hoch an der wand über einer Thür anzu-
bringen, muß dem Ermessen der perren Besteller überlassen
bleiben. Die Skizzen sind übrigens flott gemalt, wenn
auch der landschaftliche Theil wohl der bessere ist. Klein-
Lhevalier stellt ferner zwei Skizzen aus, von denen
die eine den unerwarteten Besuch Kaiser Wilhelms ll. im
Stadtrath zu Lssen vorstellt, die andere die Einholung des
Kurfürsten von Neffen durch seine getreuen Unterthanen,
die ihm die Pferde ausgesxannt haben. Man wird bei
diesem Bilde unwillkürlich an den Theaterwitz erinnert,
den eine Kollegin gelegentlich des Pserdeausspannens einer
Diva machte. Sehr erhebend wirkt solch' ein Bild nicht, am
wenigsten heutzutage.
Interessant ist eine Nachlaßausstellung von Studien
und Bildern des vor einiger Zeit verstorbenen Eduard
Spoerer. Spoerer war Landsmann und Schüler von Lugen
Dücker und vielleicht am meisten berufen, die tüchtigen
Seiten der Dückerschen Kunst sortleben zu lassen. Merk-
würdigerweise (eigentlich ist es unter den heutigen Ver-
hältnissen und bei den Lharaktereigenschasten des Ver-
storbenen garnicht merkwürdig) hat Spoerer niemals die
Anerkennung gefunden, die er nach seinen Arbeiten ver-
diente. Seine bescheidene, dabei aber von wahrem Künstler-
stolz erfüllte Natur machte es ihm unmöglich, an dem
modernen Rennen und Treiben theilzunehmen und so blieb
er persönlich und als Künstler immer im Hintergrund.
Kränklichkeit und Verbitterung trübten die letzten Tage
des als Künstler, wie als Mensch gleich vortrefflichen Mannes.
Er hat das beste Theil erwählt, als er dem Rathe platens
 
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