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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 9
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Imhof, Franz: Zum Dresdner "Bildhauerstreit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0156
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4- Die Kunst-Halle

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nügenden Vertretung französischer und belgischer
Meister nicht Halt gemacht wurde, sondern daß immer
neue und zwar oft recht umfangreiche Gipsabgüsse,
die für theures Geld gekauft waren, aufgestellt wurden
und, um für diese Platz und passenden Hintergrund
zu finden, manches deutsche Werk in eine Nische hinter
einen Plüschvorhang wanderte, von dem sich nun
die „neue Erwerbung" wirkungsvoll abhob. Aber
die Künstler, schüttelten sie auch oft ob dieser Aus-
länderei die Köpfe, schwiegen und nahmen das Beste,
das die Sammlung bot, die auserlesene Sammlung
Rotyscher Plaketten und andere vortreffliche aus-
ländische Werke gerne und dankbar auf. waren
doch immer noch auch neuere deutsche Sachen da,
wenn sie auch oft den Vermerk „Geschenk" trugen.
Als nun im vergangenen Sommer der Leiter der
Sammlung im Verein mit dem Oberbürgermeister
Dresdens in Haris das „iVlonumorll aux iiilort8^
von Bartholome für sO OOO Mark, die Hälfte der
von der Stadt für Ankäufe plastischer Werke auf der
diesjährigen internationalen Ausstellung bewilligten
Summe erwarb, ohne abzuwarten, ob die Ausstellung
nicht sonst Manches bringen würde, was besitzenswerth
sei, da trat eine weitgehende Beunruhigung ein und
diese fand weitere Nahrung, als Treu sich in einem
Vortrag über französische Kunst recht einseitig für
diese eingenommen zeigte. Nun hielten die Bildhauer
den Zeitpunkt für gekommen, eine Eingabe an die
städtischen Behörden zu richten, in der sie baten,
wenigstens in Zukunft die städtischen Mittel nicht den
„Ausländern" zu opfern, nachdem schon so reichlich
die staatlichen Gelder hierfür in Anspruch genommen
seien. Gleichzeitig veröffentlichten sie die Eingabe im
Dresdner Anzeiger mit den Unterschriften aller-
heimischen 3^ Bildhauer; nur hatten nicht unter-
zeichnet, dafür aber waren der Erklärung beigetreten
die gesammte Kunstgenossenschaft, der Architekten-
Verein und der Kunstgewerbeverein, also die ge-
sammte Künstlerschaft Dresdens.
Die Eingabe, die in ruhiger vornehmer Lorrn
streng sachlich gehalten ist, betont, daß nunmehr das
Aeußerste irr Verausgabung beträchtlicher Mittel für-
fremde Bildnerei geschehen sei. Das fortwährende
Heranziehen auswärtiger, deutscher Anschauungsweise
fremder Ideale laste schwer auf der hiesigen Kunst
und das Volk werde durch die unaufhörlichen Hin-
weise auf die fremde Kunst irregeleitet. Ls liege
den Bildhauern fern, sich dem werthe anderer
Leistungen zu verschließen, aber es sei ihres Erachtens
keine Veranlassung mehr, der knapp dotirten heimischen
Plastik immer wieder Summen zu entziehen, die doppelt
ins Gewicht sielen, da sie zugleich eine andere Kunst
fördern hülfen. Keine Kunst sei je zur Blüthe ge-
langt, ohne daß die Theilnahme der Berufenen sich
nicht auf die heimische Produktion konzentrirte. Die
Eingabe schloß mit der Bitte, den verbleibenden Nest
der Summe für den Ankauf deutscher Skulpturen zu
verdoppeln.
Treu antwortete alsbald sehr maßvoll: er ver-
theidigte seine Handlungsweise mit der hohen Blüthe
der französischen und belgischen Plastik und meinte, es
würde eine Pflichtwidrigkeit für einen Museumsleiter-
gewesen sein, wenn er nicht mit allem Nachdruck
seine Werthschätzung der ausländischen Plastik zum
Ausdruck gebracht hätte, sagte aber zugleich, die An-
käufe ausländischer Werke sollten nun abgeschlossen
sein. Daß er sich ein Lob dafür erbittet, daß er, wo
er Stimme hatte, bei Vergebung öffentlicher Arbeiten
für deutsche, speziell Dresdner Bildhauer eingetreten

Nr. 9

sei, wirkt etwas sonderbar. Bei öffentlichen Arbeiten
kommen eben Ausländer überhaupt nicht in Betracht.
Die Sache würde nun erledigt gewesen sein, wenn
nicht Herr T. Gurlitt in den Dresdner Nachrichten
einen Artikel veröffentlicht hätte, der vo:^. solcher Ge-
hässigkeit gegen die Bildhauer erfüllt war und
zugleich Treus Verdienst so überschwänglich schilderte,
daß die Bildhauer nicht schweigen durften. Nach
Art „gewandter" Journalisten spielte er die Sache
auf ein anderes Gebiet, erzählte, wie auswärtige
Kunstgelehrte und Künstler deutsche Kunst hock-
schätzten, nennt eine Menge Werke und Kunstblätter,
die Artikel über deutsche Künstler brachten u. s. w.
Man glaubte eher, ein mit bissigen Bemerkungen
gespicktes Feuilleton, aus dem inan erfuhr, daß er
voriges Jahr bei Meunier, den er eigentlich für
Deutschland entdeckt habe, speiste, zu lesen, als eine
ernste Erörterung einer recht ernsten Sache. Ich
kann mir denken, daß Treu beim Lesen dieses Artikels
bei sich gedacht hat „Gott schütze mich vor meinen
Freunden". Nun ergriff auch Herr Schumann im
Dresdner Anzeiger das Wort für Treu. Er schildert
unter Beibringung aller möglichen Angaben und
Zahlen die Lage der deutschen Bildhauer als eine
glänzende, beneidenswerthe, schilt sie undankbar gegen
die Verdienste Treus und identifiziert sich zudem
mit Gurlitts Ausführungen. Die „Abwehr" der
Bildhauer, die darauf als ihr letztes Wort erschien,
weist ihn: verschiedene falsche Folgerungen und un-
richtige Auffassungen nach und bemerkt sehr richtig,
daß sich „Zablengruppirungen" für jeden gewünschten
Zweck zurechtstutzen lassen. In Bezug auf Gurlitts
Artikel aber schreiben die Bildhauer: „ihn: kommt
das zweifelhafte Verdienst zu, in den bisher sachlichen
Kampf der Meinungen persönliche Herabsetzung des
Gegners einzuführen und Unterschiebung unlauterer
Motive. Sätze wie: „Wenn die Dresdner Bildhauer
das alles nicht anerkennen Treus Verdienstes so
zeigen sie damit nur, daß sie selbst Treus Werth nur
danach bemessen, wieviel Vortheil sie aus seinen:
Wirken ziehen" oder „mit aufrichtigem Bedauern habe
ich einige Namen unter den Unterzeichnern des Auf-
rufs gefunden. Es hindert dies, daß man sagen könne,
nur die Armen in: Geiste hätten die Eingabe unter-
schrieben" braucht man nur niedriger zu hängen,
um begreiflich zu machen, „daß man sich von ihnen
abwendet, ohne sie einer Antwort zu würdigen".
Und weiter: „Wie sie jederzeit eine öffentliche Kritik
ihrer Arbeiten ruhig hinnehmen, verlangen sie in
ihren nahegehenden kunstwissenschaftlichen Fragen das
Necht der Kritik, ohne daß ihnen Beweggründe wie
„entgangener Gewinn" untergeschoben werden dürfen.
Daß auch die materielle Frage als ein wichtiger
Faktor für die Entwickelung von Talenten ins Ge-
wicht fällt, ist wohl nicht allein mit billigen Witzen
abzuthun; ebensowenig wie das kollegiale Zusammen-
stehen". Soweit der Zeitungsstreit.
Auch in der öffentlichen Sitzung der Stadtver-
ordneten kau: die Sache zur Sprache und es leistete
sich der Herr Oberbürgermeister die Bemerkung,
„inan dürfe bei Künstlern nicht jedes Wort zu ernst
nehmen", wir meinen, daß diese Bemerkung auf
ihn allein zurückfällt und sind der Ansicht, daß ein
Stadtoberhaupt, wie Herr Beutler, der, wenn es ihn:
bisher paßte, die Künstler recht ernst nahm, passendere
Worte hätte finden müssen. Paulus.
Anm. der Ned.: Nicht etwa eiue Abneigung
gegen die ausländische Kunst oder eine Verkennung
ihres Werthes, ihres Einflusses veranlaßt uns, den
 
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