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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 16
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Imhof, Franz: Die Berliner Ausstellungen: die große Kunstausstellung, (I)
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Gustav, Leopold: Münchener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0291
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Nr. s6

4- Die Aunst-Halle

253

in der Stimmung viel glücklicher. Der schattige park mit
dem rothblühenden Kastanienbaum im Vordergründe ist
ein echtes Meisterwerk, angesichts dessen man den feinen
Archaismus dieser Leinwand sogar vergessen kann. Er ist
ein farbenvoller Elegiker, ein Poet zumal des dichtbe-
laubten, blühenden Kastanienbaumes, uud es ist fast schade,
daß ein Maler mit so starker Empfindung und solchem
technischen Können in der Befangenheit der biedermeierisch-
romantischen Epoche steckt, nicht frei und unbefangen aus
sich heraus zu gestalten strebt.
(Quantitativ beherrscht v. Radimsky, der in Paris
der extremeri Freilichtmalerei huldigt, die Räume des
Salons mit einer Unzahl weißgerahmter Gemälde. So
viel kreidiges Licht wie auf diesen Dutzenden von Lein-
wandflächen kann selbst ein nur Halbwegs normaler Be-
schauer nicht auf einmal vertragen. Selbst wo der Titel
der Bilder von Sonnenuntergängen (Mühle bei Giverny:
letzte Strahlen) spricht, scheint das weiße Licht nur wenig
gedämpft und die Deutlichkeit aller Gegenstände kaum
etwas vermindert. Der Künstler malte Getreide- und
Stoppelfelder, blühende wiesen und Gärten, Wasserparthien
und dergleichen in reicher Abwechselung. Aber Alles in
dem gleichen lichten Ton und geringen, farbenmatten Re-
flexen. Manches giebt freilich eine so ausgezeichnete
Wahrheit des sonnigen Naturbildes, daß eine geeignete
Auswahl der vorgeführten Sammlung ohne Frage dem
Gesammturtheil über ihn günstiger gewesen wäre. Ich
kann mich mit den sonstigen Kollektionen bei Schulte z. B.
den Arbeiten von Steppes und Friedrich Schwinge, Ham-
burg, nicht ausführlich beschäftigen; nur auf die zahl-
reichen kleinen Aquarelle von Prof. Albert Hertel, der
mit seiner freien Technik und seiner frischen Natur-
empfänglichkeit die köstliche Umgebung von Rothenburg
a. d. Tauber schildert, soll noch nachdrücklich hingewiesen
werden. F. I.
X
Müycffeyev Avief.
m Kunstverein und später im größeren Maßstabe
in dem uä lioe stimmungsvoll dekorirten kleinen
Kaisersaal hat Hermione von Preuschen eine größere
Anzahl ihrer Werke zur Ausstellung gebracht. Der Erfolg
mit dem verkaufe von 2( Bildern ist ein respektabler,
nicht in gleicher Höhe können wir den künstlerischen ein-
schätzen. Frau von Preuschen ist eine geistreiche Malerin,
die uns durch ihre Gedanken zu fesseln weiß, aber die
Malerei an sich ist technisch nicht einwandsfrei. Dies gilt
von allem Figürlichen, ausgenommen etwa das Haupt des
auf dem Todtenbette liegenden Gatten der Künstlerin,
welches geradezu vorzüglich plastisch herausgearbeitet ist.
Unter den mit leuchtendem Kolorismus gemalten Blumen-
stücken, aber mehr noch unter den kleinen sonnigen Land-
schaften, findet sich manches, das rein künstlerischen Genuß
bietet. In Frau von preuschens neben den Bildern auf-
gelegten Dichtungen wieder einmal blätternd, habe ich den
gleichen Eindruck, wie von ihrer Malerei erhalten, daß die
Künstlerin nicht für alles, was sich in ihr zum Ausdruck
drängt, die ihrer gewiß tiefen Empfindung adäquate
künstlerische Gestaltungsfähigkeit zu erzwingen verinag.

Im Kunstverein waren Mehrere mit interessanten
Kollektionen vertreten, so Karl Haider. Kannten wir
auch ein gutes Theil dieser Bilder, so gewährte doch die
Sammlung einen großen Genuß. Man sieht, wie diffe-
renzirt Haiders Landschaften von einander sind, wenn sich auch
seine Vor-AIpenmotive noch so ähneln mögen, wie ist da
alles von Stimmung durchsättigt, und welch liebevolle
Sorgfalt ist auf jedes Grashälmchen verwendet. Die
älteren und jüngeren Werke unterscheiden sich in ihrer
Auffassung und Malweise kaum von einander. Dieser fast
kindlich-schlichte Naturpoet wird an blendender Technik
gewiß von gar vielen übertroffen; wer sich aber in eine
spröde und bis ins Kleinste ausführende Malweise ein-
gelebt hat, wird tiefhaftende Eindrücke von Haiders Kunst
mit sich nehmen. Der künstlerische Nachlaß von Karl
Gehrts (f) gab einen ziemlich klaren Ueberblick über die
Vielseitigkeit dieses Düsseldorfer Meisters. Eine geistvolle
Persönlichkeit spricht aus vielen Kompositionen; aber nie
tritt vor dem Gedanklichen das Reinkünstlerische zurück.
In Gel wie Aquarell bekundet Gehrts eine stattliche
Technik die aber sich nie zu Kunststücken hergiebt.
Zwei unvollendete Werke Boecklins, welche die
durch die Straße einer Stadt ziehende Pest und eine Szene
aus dem rasenden Roland darstellten, geben nur theilweise
vollgiltiges Zeugniß von ihrem Urheber. So steht noch
das Roth in dem Bilde der Pest zu unvermittelt, und die
vom Gifthauch dahiusinkenden Menschen ähneln theilweise
solchen, die bei Glatteis ausrutschen. Das Rolandsbild ist
voll feinem Humor.
von Landschaften sind mir in letzter Zeit folgende im
günstigen Sinne ausgefallen: Friedrich Behr end, der mit
markigen, treffsicheren Strichen ein stattliches Können
verräth, Emmy Lisch ke, die feintonige Dachaustudien bietet,
und Alfred Zoff. Letzterer bringt auch Marinen. Seine
Wasserbehandlung, welche auf Schönleber hinweist, ohne
daß von Nachempfindung geredet werden könnte, ist
brillant. Seine feintonigen Landschaften künden eine sehr
differenzirre Beobachtung für die kleinsten Schatten-
wirkungen. Lines der feinsten Bilder, ein Frühlingsabend
mit regenschwerem Wolkenhimmel, hat — wo, ist nicht
gesagt — eine „msäulUs äs droues" bekommen.
Gertrud Lberstein zeigt in ihren Aquarellbildern
energische, stotte Zeichnung und Sicherheit, wie man sie
selten trifft. Die Eharakterisirung der Köpfe ist eine tief-
gründige, doch ist ihre Malweise etwas nüchtern und kühl
im Ton. Hans Best ist ein Dekorationstalent, er malt
gern Stucksche Zentauren, Medusen und Sphinxe. Daß er
hier von dein Vorbild nicht loskommt, ist verzeihlicher, als
ein Mangel an Tiefe. Auch feine Landschaften und
Porträts zeigen das Bestreben nach Effekt, nur zu oft mit
herzlich billigen Mitteln.
Die Kaesersche Kunsthandlung hat eine Klinger-
Ausstellung veranstaltet, welche sich sehr starken Besuches
erfreut. Ls ist dies ein Zeichen dafür, daß Interesse
reichlich vorhanden ist, aber, wie ich schon oft erwähnt
habe, von unseren Kunstsalons viel zu wenig hierfür ge-
than wird. Ls find die bekanntesten der Klingerschen
Radirungen, von denen ich nur die Ehaussse wegen der
hier erreichten, direkt malerischen Wirkung hervorheben
will, vorhanden; auch unter den Handzeichnungen haben
einige eine Weichheit des Tons, die nicht genug zu be-
wundern ist. Sonst enthält die kleine Ausstellung noch
 
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