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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 2
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Lionardo da Vinci als Aesthetiker
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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Finland, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0029
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Y 2


Nur noch ein Kapitel möge uns für dieſel Mal
intereſſiren: nämlich wie ſich bei Lionardo das Ver-
hältniß der verſchiedenen Künſte zu einander ſtellt.
Gleich Plato und Ariſtoteles unterdrückt er! 3. B. die
Berechtigung der Architektur, weil ſie keinen
„mimiſchen“ Charakter trage und weil die Aus-
führung völlig in den Händen von Handwerkern
ruhe. Im Uebrigen ſtellt er die Bangordnung für
die vier hohen Künſte — Mialerei, Skulptur,
e o Poeſie nach dem Maß der
Intenſität feſt, mit dem dieſe auf die menſchlichen
Sinne wirken. Quella cosa è pià degna, che satisfa
a miglior senso: „Diejenige Sache iſt höher an Rang,
die dem beſſern Sinne Genüge leiſtet“ und Quella
cosa, che contiene in se pià universalità e varietà di
cose, quella fia detta di piu eccellentia: „Die Sache,
die größere Vielſeitigkeit und Mannigfaltigkeit in ſich
birgt, wird die herrlichere und vorzüglichere genannt.“
Am höchſten erſcheint Lionardo der Geſichtsſinn. Er
fagt: Es giebt Niemanden, der nicht lieber Gehör,
Geruch und Taſtſinn verlieren möchte als das Auge.
Die Malerei aber beruhe ganz auf der Gottesgabe
des Augenlichtes. Und wie er dieſes verherrlicht,
vertheidigt er gleich ſchwungvoll das Vorrecht der
Malerei gegenüber den anderen Künſten, die ſich,
wie Muſik und Poeſie, an einen minder edlen Sinn,
das Gehör, wenden.
Für uns von beſonderem Intereſſe iſt, Lionardos
Gründe ſeiner geringen Schätzung der Skulptur
kennen zu lernen. Zunächſt führt er den kraſſen
Unterſchied der Arbeitsweiſe an. Die des Malers
an der Staffelei mit Pinſel und Farben ſei „äſthetiſcher“,
durch Unterhaltung und Muſik könne er ſich die
Arbeitsſtunden würzen laſſen. Der Bildhauer kämpfe
förmlich mit ſeinem ſpröden Material, in ſeiner
Werkſtatt liegen Steinſplittec und Staub, er ſelber
gleiche ſtaubbedeckt mehr einem Arbeiter, und das
Hammergedrölm halte jedes anmuthige Geſpräch
fern. Ferner erfordere die Malerei mehr „geiſtige
Ueberlegung“ und „kunſtvollen Scharfſinn.“ Es ſei
viel ſchwieriger auf einer Fläche Körper darzuſtellen
als in Stein Dem Bildhauer ſei das Uörperliche
ſchon im Material gegeben, und die Vatur ſelbſt be-
reite ihm Licht und Schatten; der Maler dagegen
müſſe alles dies erſt durch ſeine Kunſt mühſam zu
erzeugen ſuchen. Auch ſei das Darſtellungsgebiet des
Malers bedeutend umfaſſender als das des Bild-
hauers. Diefer dürfe ſich auf die „einfachen Maße
der Glieder und die Katur der Bewegungen und
Stellungen“ beſchränken, für ihn komme nur „Körper,
Figur, Lage, Bewegung und Buhe“ in Betracht.
Der Maler entfalte demgegenüber, auf einer ebenen
Fläche weitausgedehnte Gefilde mit fernen, Borizonten“
und habe über „Licht, Dunkelheit, Farbe, Körper,
Figur, Gertlichkeit, Entfernung, Röhe, Auhe und
Bewegung“ die ſorgfältigſte Ueberlegung nöthig.
Dabei ſei der Schwierigkeiten der Linien- und uft-

perſpektive gar nicht beſonders gedacht. Wenn auch
das Belief öfters eine primitive Perſpektive erfordere,
ſo könne doch nicht überſehen werden, daß es be-
züglich Schatten und Lichter „als Skulptur wie auch
als Malerei genommen“ falſch wirke.

Die Malerei, hebt Lionardo weiter hervor, ſtelle
ſich Licht und Schatten ſelber her; das ſei ein Vor-
zug, weil der die Wirkung des Kunſtwerks von vielen
Zufälligkeiten unabhängig mache. Dagegen ſei falſche
Beleuchtung ein „Hauptfeind des Bildhauers.“
Seine Schöpfungen verlieren, „wenn ihre Beleuchtung
nicht ebenſo eingerichtet iſt als die, bei welcher ſie
gearbeitet wurden. Wenn ſie Licht von unten, ſtatt
von oben erhalten, ſehen ſie verzerrt aus, zumal ein
Relief, aus dem dann faſt alle Kenntlichkeit ſchwindet.
Auch die bequeme Korrektur des Bildes führt
Cionardo als einen Vorzug der Malerei an, während
eine verhauene Skulptur nicht mehr zu ändern ſei.
Allerdings fügt er hinzu, daß ſolches „Verhauen“
kein im Weſen der Bildhauerkunſt ſelbſt liegender
Fehler ſei, ſondern eher auf einen „Marmorpfuſcher“
ſchließen laſſe. Und andererſeits könne auch der in
Thon oder Wachs arbeitende Plaſtiker leicht fort-
nehmen und hinzufügen. Da Niemand den Maler
hindern könne, ſeine Werke etwa in Schmelzfarben
auf Glas, Thon oder Metall auszuführen, ſo könne
man ſelbſt von der größern Dauerhaftigkeit der
plaſtiſchen Arbeiten nicht reden.

wir müſſen geſtehen, fügt Dr. Wolff hinzu, daß
die Gründe, mit denen Lionardo hier den Primat
der Malerei vor der Plaſtik vertheidigt, nicht
immer ſtichhaltig ſind, mindeſtens aber unvollſtändig
das Für und Wider abwägen und eine einſeitige
Partheinahme für ſeine Lieblingskunſt zeigen.

S
Die bildende Runſt in Finland.

von Dr. Heinrich Pudor.

(1. Fortſetzung.)

0 darf den Anfang eines künſtleriſchen

Lebens in Sinland von 1846 ab datiren, in
welchem Jahre der Kunſtverein in Helſingfors
gegründet wurde. Zwei Jahre ſpäter wurde eine
Zeichenſchule in Helſingsfors eingerichtet und 1849
der erſte Grund zu einer Uunſtſammlung gelegt. In
der Folgezeit wurden jährliche Ausſtellungen ver-
anſtaltet, ſeit 1865 Reiſeſtipendien vergeben, ſowie
Penſionen an verdiente Künſtler, von 18753 ab auch
jährliche Preisausſchreibungen veranſtaltet, 1876 und
1885 fanden größere Ausſtellungen ſtatt, und 1885
bis 1887 endlich wurde das „Atenium“ genannte
künſtlerhaus aufgeführt. Ein künſtlerverein war
ſchon 1864 ins Leben getreten.

Die baukünſtleriſche Entwicklung von
Helſingfors wurde in ihrer erſten Phaſe durch den
 
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