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Die Kunst-Halle — 7.1901/​1902

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Nr. 2
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Pudor, Heinrich: Die bildende Kunst in Finland, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62513#0030

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Deutſchen Karl Ludwig Engel (geb. in Berlin 1C78)
beſtimmt. Von ihm rühren die Gebäude des Senats-
platzes: die Nikolaikirche, die Univerſität und das Senats-
haus, ſowie die Univerfitätsbibliothek her —
Bauten, die in einem würdevollen, klaſſiziſtiſchen Stil
gehalten ſind, ohne jedoch perſönliche und nationale
Griginalität zu zeigen. Bei den Gebäuden des
Senatsplatzes verdient die geſchickte, einheitliche
KHompoſition des Ganzen hervorgehoben zu werden.
An der Vordſeite des ziemlich großen Platzes ſteigt
in imponirender Breite eine granitene Freitreppe an,
auf deren Höhe die Nikolaikirche (1852 vollendet) ſich
erhebt. Bechts und links liegen am Platz das Senats-
haus und die Univerſität, in der Mitte erhebt ſich
das Nationaldenkmal Finlands, Bunebergs Denkmal
Kaifer Alexanders II. (ſiehe weiter unten). Dieſer
„Senatsorget“ genannte Platz iſt der hiſtoriſche
Mittelpunkt Finlands. Von hier ſteigen die Gebete
dieſes im Freiheitdurſt ſich verzehrenden, jungen,
leidenſchaftlichen Kulturvolkes — von Außland nunmehr
mit Füßen getreten — auf. Engel ſtarb in Helſingfors
im Jahre 1840. Eine Schule hinterließ er nicht; der
einzige ſeiner Schüler, der ſich einigermaßen hervor-
that, war A. F. Gravſtedt.

Was in den folgenden Jahrzehnten in Sinland
gebaut wurde, entbehrt des originalen Werthes
ebenſo, als dies von den Engelſchen Bauten galt
(vergl. 3. B. das Studentenhaus in Helſingfors, er-
baut von A. H. Dalſtröm, 1829 - 1882) oder die
Sparbank in Obo von Freiherrn von Gripenberg.
Hervorgehoben zu werden verdient das einfach vor-
nehme Gebäude Finlands Bank und das ſehr friſch
wirkende Ständehaus der Bitter; letzteres rührt von
dem Schweden G. T. Chiewitz (geſt. 1862 in Obo)
her. Im Jahre 1873 wurde an der polrtechniſchen
Hochſchule in Helſingfors für Baukunſt F. A. Sjöſtröm
(1840—1885) angeſtellt, der einen günſtigen Einfluß


archives und des Ständehauſes her. Aber auch er
war noch Klaſſiziſt. Mehr original und weniger
konventionell iſt dagegen Th. Höijer (geb. 1845),
welcher die Volksbibliothek und das Feuerwehrhaus
in Helſingfors gebaut hat.

Wir haben uns der Gegenwart genähert. Das
im ABohbau ziemlich vollendete finiſche Vational-
theater in Helſingfors wird, ſoweit man bis jetzt
urtheilen kann, kosmopolitiſchen Charakter tragen.
Eher darf ſchon das vor zwei Jahren vollendete
Monumentalgebäude der Waſa-Aktienbank in Hel-


werden; übrigens trägt es den Charakter der jung-
ſchwediſchen, modernen Architektur.

Aber es giebt in Helſingfors auch ſchon ein
Werk, das einen ſehr bemerkenswerthen Anfang einer
jungfiniſchen Benaiſſance der Architektur bedeutet.
Es handelt ſich um das nach den Plänen von
Geſellius, Lindgren und Saarinen 1907 vollendete

große Gebäude der Feuerverſicherungsgeſellſchaft
Pohjola an der Ecke der Alexander- und Michaels-
ſtraße. Hier haben wir endlich auch in der
Architektur Anfänge eines neuen Stiles, Griginalität
und Vationalität, dabei ein feines architektoniſches
Empfinden, Sinn für Baum, Flächen und Linien und
vor allem für das Plaſtiſche der Architektur, und
Sinn für die Verhältniſſe. Wenn man in Finland
dem Gebäude zum Vorwurf gemacht hat, daß das
Erdgeſchoß zu wenig als Baſis und Stützpunkt des
Ganzen behandelt iſt und daß die Formen nicht
kräftig genug ſeien, ſo hat man wohl nicht an die
Engräumigkeit der Straße gedacht.

Wie in der ebenfalls für enge Straßen be-
rechneten Profanarchitektur der deutſchen Benaiſſance,
haben auch hier die finiſchen Architekten die Faſſaden
einſpringend, nicht aber zurückſpringend gebaut.
Dieſe Tendenz zeigt ſchon das kräftige, ſtark aus-
ladende Gurtgeſims, welches über dem Erdgeſchoß
um das ganze Gebäude herumläuft. Aus demjelben .
Grunde haben ferner die Architekten die Ruſtika bis
zum oberſten Geſchoß fortlaufen laſſen. Demſelben
Sweck dienen ferner die zahlreichen Erker (beſonders
gelungen der dreieckige Erker mit der einzelnen Säule
an der Seite der Michaelsſtraße). Vor allem aber
dient dem gleichen Zweck die ſtarke Vorladung des
nach Art einer Burgwehr mit Pilaſtern und Halb-
ſäulen ausgebauten oberſten Stockwerkes. Und trotz
allem wirkt das Erdgeſchoß als Baſis nicht
ſchwächlich, einerſeits weil die Auſtika hier beſonders
kräftig geſtaltet iſt und andererſeits, weil die Thüren
und Portale nicht ſonderlich groß ſind, und endlich,
weil die Fenſter hier im Gegenſatz zu den oberen
Geſchoſſen, bei denen ſie gradlinig abſchließen, rund-
bogig ſind und die verbleibenden Mauerſtümpfe
(der Granit iſt hier geſchliffen) ebenfalls rund ge-
arbeitet ſind und wie kräftige, das Ganze ſtützende
Säulen wirken. Damit iſt zugleich geſagt, daß auch
die Verhältniſſe der einzelnen Stockwerke wohl ab-
gewogen ſind. Das Erdgeſchoß des Gebäudes iſt
für Läden, das J. Stockwerk für Bureaux und die
folgenden oberen Stockwerke ſind für Wohnungen
beſtimmt. Da man mithin im erſten Stockwerk
größere Fenſter anbringen mußte und man dieſe
hier gradlinig abſchließen ließ, wirkt dieſes Geſchoß
ebenſo als Baſis der oberen Stockwerke, wie es als
Gbergeſchoß des unterſten Stockwerkes wirkt, welches
letztere als eine Art erhöhten Uellergeſchoſſes anzu-
ſehen iſt. Im 2. Stockwerk ſind die Fenſter rund-
bogig, im dritten zeigen ſie einen Abſchluß in der
Art von Spiegelbogen, die in der Mitte nicht ge-
ſchloſſen ſind, im 4. Stockwerk ſind ſie wieder rund-
bogenartig. Den oberſten Abſchluß bilden kleine
Fenſterblenden mit kleeblattartigem Abſchluß.
Charakteriſtiſch iſt, wie geſagt, daß dies oberſte
Geſchoß wie eine Art Burgwehr gedacht und be-
handelt iſt. Auch das Prinzip des Gleichgewichts des
 
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