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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Ebe, Gustav: Licht und Farbe als Ausdruckssmittel der Achitektur neuer Richtung [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0049
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Nr. 5

Die A u n st - b) a l l e.

einen höchst lebensvollen Eindruck hervor. Es ist be-
sonders diese Art von polychromie, welche noch heute
in Norddeutschland als nationales Erbe gilt und des-
halb in der neueren Architektur eine Fortsetzung findet.
Aus den Reichthum des Orients an polychromer
Architektur ist nur nebenbei hinzuweisen. Die sarbige
Ausstattung erscheint hier meist inverbindung mit plastisch
ausgeführten Formen. Im Inneren der Räume herrschen
bemalte Stuckreliefs und Holzgebilde und mit Schmelz-
sarben über flachem Relief bedeckte Thonplatten, letztere
als Sockelbekleidungen vor, am Aeußern zeigt sich eine
reich mit farbigen Emaillen verzierte Ziegelarchitektur,
im Anschluß an altpersische Muster und Technik. Die
orientalische polychromie hat immerhin für die neuere
abendländische Kunst manche werthvolle Anregung ge-
geben.
Im weitesten Sinne vorbildlich haben bis in die
neueste Zeit die großartigen Monumentalmalereien der
Renaissance gewirkt, deren Dortrefflichkeit allgemein an-
erkannt ist. Auch haben moderne Meister, indem sie den
Wegen ihrer größeren Vorgänger folgten, oft Bedeuten-
des hervorgebracht. Indeß sind diese modernen Leistungen
doch nur Nachahmungen, und jede solche muß, indem
sie sich einem Vorbilde unterordnet, doch im Vergleich
mit diesem in die zweite Linie rücken, und die ihr ge-
zollte höchste Anerkennung wird nicht ohne Hinblick auf
die Vorzüge des Originals bleiben. In der besten Nach-
ahmung wird man immer nur die Bereicherung einer
bereits bekannten und geschätzten Gattung um ein weiteres
Stück erblicken wollen, das man aber auch ohne Be-
dauern vermissen würde. Es geht mit diesen Kunstwerken
wie mit Dichtungen, welche sich in dem Gleise bekannter
Autoren bewegen, sie vermehren das Inventar, sind
aber nicht im Stande, die Aufmerksamkeit zu fesseln.
Eine Monumentalmalerei, welche sich zu allgemeiner Be-
deutung aufschwingen will, muß neue Bahnen ein-
schlagen, neue Seiten des Empfindens berühren. Es
wird sich indeß weiterhin ergeben, daß die moderne
Malerei auf dem besten Wege ist, derartige Leistungen
hervorzubringen.
Die sonnige Heiterkeit der italienischen Renaissance
spiegelte sich besonders anmuthend in den Fassaden-
malereien der Paläste und wurde durch große Meister,
an der Spitze derselben Hans Holbein der Jüngere, in
neuer Auffassung nach Deutschland übertragen. Barock
und Rokoko trugen ihrerseits zur Vermehrung dieses
Schatzes bei, und namentlich brachte die letztere Stil-
periode in Augsburg einen ganz auf malerische Aus-
bildung berechneten Stil der Fassaden hervor. Die Neu-
klassik und ihre Nachfolge im Anfang des lI. Jahrhunderts
bot allerdings keine Gelegenheit für eine so lustige Ge-
staltung der Fassaden, nachdem jedoch die Deutsch-
renaissance in den siebziger Jahren wieder in Aufnahme
gekommen war, kam auch der Geschmack an Bemalungen
frisch zur Geltung. Was nun in dieser Art, namentlich
an eingebauten Stadthäusern, geleistet wurde, ist zwar
im ganzen erfreulich, darf aber doch nicht zu hoch ein-
geschätzt werden, denn selten nur erweckt das Dargc-
stellte, sobald es sich überhaupt um Figürliches handelt,
ein tiefergehendes Interesse, da meist der echt volks-
thümliche Zug, der Appell an Herz und Gemüth fehlt,
welcher die alten Malereien auszeichnete. Außerdem
verbleichen die neueren Gemälde in kurzer Zeit und
werden mißfarbig — mit Ausnahme der in Glasmosaik
ausgeführten — so daß man sich gleichgültig von den-
selben abwendet. Nach allem diesem möchte man sagen,
daß unter unserem Himmelsstriche die xlastischeGliederung
der Fassaden vor der malerischen den Vorzug verdient,
besonders dann, wenn die Ausführung derselben in

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echtem Material erfolgt ist, zu dessen Naturtone die
farbigen Zugaben schwer abzustimmen sind. — Eine
Abart der malerischen Fassadendekoration, das zur Zeit
der Renaissance besonders in Schlesien gepflegte Sgraffito,
hatte in den siebziger Jahren ebenfalls eine häufigere
Wiederaufnahme gefunden, ist aber bald wieder aus
dem neueren Bauprogramm verschwunden, da es, um
haltbar zu bleiben, nur eine sehr beschränkte Farbenskala,
eigentlich nur grau und schwarz auf weißem Grunde
oder in umgekehrter Folge, gestattet.
Die heute noch in ihrem Umfang und ihrer Ent-
wicklung so ziemlich unerforschte Barockmalerei, welche
in ihrer großartigen Darstellung perspektivischer Raum-
erweiterungen und kühner Verkürzungen in den Unten-
ansichten so wenig gewürdigt, namentlich aber wegen
der angeblichen Seelenlosigkeit ihrer Gestalten so vielfach
geschmäht wurde, hat endlich doch eine gerechtere
Schätzung gefunden und den ihr gebührenden Platz in
der Deckenmalerei wieder erobert. Man muß zugeben,
daß die Barockmalerei durch die virtuosenhaftigkeit
ihrer Leistungen und das Uebermaß des Gebotenen
das Interesse an der Einzelfigur abschwächt, aber
dennoch darf man die seelische Wirkung ihrer Gesammt-
kompositionen nicht zu gering einschätzen. Besonders
ist es unzulässig, wenn man die Barockmalerei in
Bausch und Bogen gegen die des Mittelalters und der
Renaissance zurückstellt; man vergißt dabei ganz, daß
unter den Schöpfungen der letztgenannten Perioden
genug handwerklich Unfertiges und Seelenloses mit-
unterläust, das nur durch ein hergebrachtes Vorurtheil
künstlerische Geltung behaupten kann. — Das von der
Barockmalerei Gesagte gilt auch von der des Rokoko,
die sich mindestens in den Deckenbildern stilistisch von
jener kaum unterscheidet. In der Gesammttönung der
Räume herrschen allerdings im Rokoko überzarte, blasse
Töne vor, die sich mit reichlichen Vergoldungen und
Versilberungen zu einem oft etwas süßlichen Ganzen
verschmelzen, jedoch behalten die Bilder der Sopraporten,
ebenso die häufig als Wandbekleidungen verwendeten
Gobelins die kräftigen Farben der Barockzeit. Marmor
und feinere Holzarten kommen gelegentlich als Wand-
täfelungen in der Naturfarbe zur Geltung.
Der Neuklassizismus beraubte sich in seinem aka-
demisch-trockenen Streben nach Einfachheit und seinem
blinden Haß gegen alles Barock- und Rokokowesen,
welches unter der Bezeichnung „Zopf" zusammengefaßl
wurde, jeder Mitwirkung der plastischen und malerischen
Kunstmittel; die Folge war eine Verödung der Architektur
und ein fast gänzliches Verschwinden der dekorativen
Innenausstattung. Für Deutschland wurden die Fesseln
dieser einseitigen Richtung einigermaßen durch die in
den dreißiger Jahren des lI- Jahrhunderts ersolgende
Begründung der Lornelius'schen Schule der Monumental-
malerei gebrochen, welcher es nicht an Gedankentiefe
und frischer Erfindungskraft fehlte, während das kolo-
ristische Element hinter dem zeichnerischen zurückblieb,
iliid der in dieser Hinsicht von den Belgiern ausgehende
Anstoß eigentlich nur der Tafelmalerei zu gute kam.
Wie doch allmälig in der dekorativen Malerei die aus
der neuklassischen Periode überkommene Herrschaft der
zaghaften Milchkaffeetönung überwunden wurde und
einer energischeren Farbengebung weichen mußte, können
wir hier füglich übergehen, da sich alle einschlägigen
Leistungen doch nur auf den ausgetretenen wegen der
Renaissance bewegten und mehr oder weniger glückliche
Reminiscenzen oder sogar Kopien des schon Vorhandenen
darstellten. (Schluß folgt.)
 
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