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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Meyer-Schöneberg, H.: Das Jubiläum der "Fliegenden Blätter"
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0192
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Die Run st-Halle.

Nr. U


sandten — ein Ereigniß, das nicht blos für die Leser
jenes Blattes von Bedeutung, sondern auch in Kunst-
kreisen vollste Beachtung verdient.
Ls giebt wohl kaum ein Unternehmen in der
deutschen Verlagsthätigkeit, das so innig verwachsen ist
mit der Run st seit seinem Bestehen, wie die
„Fliegenden Blätter". Ihr Erfolg sowohl als auch die
Konkurrenz haben seit ihrem Bestehen zahllose ähnliche
Unternehmen im In- und Auslande auf der Bildfläche
erscheinen lassen — das hat die „Fliegenden" nicht zu
erschüttern gewußt, in Ruhe gingen sie ihren weg
weiter, zäh an ihrem Programm festhaltend. Stets
blieben sie ein treuer Spiegel unserer Zeit, deren Licht-
und Schattenseiten mit Humor und Spott schildernd
und stets der Wahrheit dienend. In den 3000 Nummern
spiegelt sich so nicht blos ein lebendiges Stück deutscher
Kulturgeschichte, sondern auch eiu Stück der deutschen
Kunst. Die Stabilität der „Fliegenden Blätter" hat
diese auch in künstlerischer Hinsicht vor den Stürmen
bewahrt, die durch die Kunst gingen, und alle so-
genannten Moden und Richtungen fanden hier keine
Stätte. Die deutsche Illustration mit ihren Vorzügen
und Nachtheilen ist in den „Fliegenden" ruhig ihren
Weg weitergegangen; sie ist dabei nicht stehen geblieben,
die Zeitströmungen haben auch hier ihren Einfluß
geltend gemacht, aber mehr auf das Aeußere — das
Innere, der Kern, der Charakter ist sich gleich ge-
blieben. Deutsches Wesen, deutsches Gemüth und
deutscher Humor spricht noch gerade so warm und
innig aus den Zeichnungen der 3000 sten Nummer, wie
aus der ersten.
Wenn wir den Entwicklungsgang der Illustration
in Deutschland beurtheilen wollen, so bilden die „Flieg.
Blätter" dazu das beste Nachschlagebuch. Ist doch
eine Zahl von klangvollen Namen in der deutschen
Kuust eng verknüpft mit der Geschichte dieser Zeitschrift.
Als im Oktober s8^ die erste Nummer erschien,
waren die Herausgeber und Verleger Kaspar Braun
und Friedr. Schneider in erster Linie auf ihre eigene
Arbeitskraft angewiesen, die sie auch bis zu ihrem Tode
dem Unternehmen stets zur Verfügung gestellt haben.
Gerade dieses thätige, rege Eingreifen von zwei ziel-
bewußten, begabten Männern legte den soliden Grund
zu dem Bau, der heute noch so fest und stattlich da-
steht. Braun war die künstlerische Seele des Unter-
nehmens und Schneider gab den literarischen Ton an.
Beide waren eins ganze Reihe von Jahren ihre besten
Mitarbeiter selbst. Die Karikaturen von Kaspar Braun
üben heute noch ihre Wirkung auf uns aus; der von
ihm gezeichnete Titelkopf ziert heute noch die Nummern
der Zeitschrift und am Iahresschluß ladet immer noch
sein die Filzkappe in der Hand haltender Schelm
zum neuen Abonnement ein.
Kaspar Braun, geboren am j3. August l.807
zu Aschaffenburg, besuchte von l.828 an die Münchener
Akademie, wo er Schüler von Cornelius ward. Be-
sondere Anziehungskraft übten die in der Pinakothek

befindlichen alten Meister Salvator Rosa und Caravaggio
auf ihn aus, die er eifrig kopirte. f836 ging er auf
Reisen nach Ungarn und Norddeutschland. Sein erstes
größeres Bild „Gefecht bei Alling" stellte er s837 aus,
welches offenbar das Studium von Salv. Rosa ver-
rieth. Nebenbei zeichnete Braun viel und beschäftigte
sich auch mit dem Holzschnitt, dessen Technik er aus sich
heraus zu erlernen suchte.
von entscheidendem Einfluß wurde auf die Zu-
kunft Braun's sein Aufenthalt in Paris I838), wo er
Grandville kennen und schätzen lernte und dessen
illustrative Thätigkeit ihm zum Vorbild wurde, indem
er anfing, für den damals als einziges Vervielfältigungs-
verfahren in Betracht kommenden Holzschnitt zu zeichnen
und die Zeichnung selbst in Holz zu schneiden, l.839 nach
Deutschland zurückgekehrt, beiheiligte er sich an der
Illustrirung der Cotta'schen „Schillerausgabe", dem
„Nibelungenlied" u. s. w. Zu eigener verlagsthätig-
keit verband Braun sich s8stO mit dem Hofrath von
Dessauer, einem alten Gönner von ihm, und s8^s3
associirte er sich denn mit Friedrich Schneider
JO. Oktober s805 in Leipzig geboren), einem tüchtigen,
feingebildeten Buchhändler, der auch literarisch schon
hervorgetreten war. Neben dem Verlage illustrirter
Iugendschriften, der heute noch von Braun u. Schneider
gepflegt wird, entstanden nun die „Flieg. Blätter" und
die weltbekannt gewordenen „Münchener Bilderbogen".
Brauns besondere Begabung für die Karikatur, sein
gesunder Humor und die guten Verbindungen mit den
Künstlern Münchens kamen dem neuen Witzblatte zu
statten — ebenso wie Schneider's poetische Begabung
und sein Ansehen in Literaturkreisen dem Blatte von
dieser Seite tüchtige Mitarbeiter zuführte.
Zuerst war es Moritz von Schwind, der seine
Kraft zurverfügung stellte und jahrelang die „Fliegenden"
und die „Bilderbogen" mit seinen künstlerischen Bei-
trägen aus dem Reiche der Romantik und der Satyre
unterstützte, wer kennt nicht die schönen Schöpfungen
von ihm: „Aschenbrödel" — „Der gestiefelte Kater" —
„Die schöne Melusine" u. s. w. die hier in den stOer und
50er Jahren in Holzschnitten zum ersten Mal rexroduzirt
wurden und heute noch nicht vergessen sind. .Dann kam
Carl Sxitzweg mit seinen köstlichen Karikaturen auf
das deutsche Kleinstädter- und Beamtenthum und Ls.
Ille mit seinen humoristischen Bildern aus der Bieder-
maierzeit, zu denen er selbst die Texte schrieb. A.
Muttenthaler, mit Braun persönlich befreundet,
wirkte ebenfalls fleißig mit. Das philisterthum un-
barmherzig geißelnd, wurde Carl Stäuber ein ständiger
Mitarbeiter, der heute noch seinen Zeichenstift für das
Blatt führt.
Soweit in den ersten Jahren politische Anklänge
sich in den „Flieg. Blättern" finden, hatte sie H. Dyk
mit seinen scharfen Satyren illustrirt, die sogar zu
wiederholten Malen in den fünfziger Jahren zu Kon-
fiskationen führten. Eine Zeit lang hatte auch Wilh.
Diez eine fruchtbare Thätigkeit für die „Fliegenden"
 
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