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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dworaczek, Wilhelm: Die Entwicklung des Impressionismus [2] (Schluss)
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Dresdner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0210
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s80

Die Kunst-Halle.

Nr. f2

realistischen Auffassung in unserm Sinne sich dennoch
mit soviel ungezwungener Freiheit und natürlicher
Anmuth ausspricht. Ich möchte gerade an dieser Stelle
gleich der sehr dankenswerthen und prächtigen Aus-
stellung eine ganze Reihe von Radirungen des großen
Goya erwähnen, die das K. k. Archiv zur Verfügung
gestellt hatte und die fast überzeugender und gewiß noch
unbestrittener als seine Gemälde die fast gigantische
Persönlichkeit des großen Spaniers erweisen. Darin
liegt eine Wucht des Gedankens, ein Reichthum der
Erfindung, eine fast unheimliche und geniale Fülle von
zeichnerischer Originalität, eine Phantastik von er-
schütternder Tiefe, der man etwa nur den großen
Felioien Rops vergleichen könnte. Aber Goya will dem
mehr geistvollen Franzosen gegenüber als der dämoni-
schere erscheinen!
Sehr interessant ist die Plastik vertreten, die
gleichfalls den Nachweis von der Entwicklung des Im-
pressionismus erbringen soll. Das ist freilich bedeutend
schwerer, weit eher ließe sich der allmähliche Uebergang
von stilisirten Formen, die einen Ausdruck der starren
Ruhe, etwa eines Modells, zu jenem lebendigen un-
mittelbaren Erfassen des Augenblicklichen, das nicht
nur die Form, sondern auch die Bewegung oder doch
das Bewegliche — etwa wie im Spiel der Mienen
und Muskeln festzuhalten versucht. Es ist wohl schwer
diese Uebergänge mit einer gewissen Ueberzeugung
verfolgen zu können. Aber das thut nichts. Gerade
die hier ausgestellten Werke sind zum großen Theil so
interessant und bedeutsam, daß sie immerhin für die
Entwicklung der modernen Plastik — auch ohne Im-
pressionismus — sehr werthvolle Beispiele liefern. Da
sind aus dem f8. Jahrhundert I. I. Taffieri und
H oud on. Tarpcaux, aus einer der folgenden Epochen,
ist in seinen Büsten weit unmittelbarer und eindringlich
lebendiger, als in der großen Figur des „Genius des
Tanzes", der noch viel Dekoratives anhaftet. Ganz
auf dem Boden des modernsten plastischen Empfindens
steht dann Rodin, von dem nur „die Hand Gottes"
eine aus dem Rohblock hervorragende Riesenhand, die
ein Menschenpaar umkrallt, und die Büste des Bild-
hauers Falguiere vorhanden sind. Es ist wohl kaum
mehr nöthig, auf die genugsam bekannte Eigenart der
großen Kunst Nodin's einzugehen. Dasselbe gilt wohl
auch von T. Meunier und A. Tharpentier. Die
großen Meister sind vielleicht zu volle Individualitäten,
als daß es sehr glücklich wäre, an ihnen die Entwick-
lung eines bestimmten Stils nachzuweisen. Bei derlei
ästhetischen Nachweisen geht es nie ohne kleine Gewalt-
thätigkeiten ab. F. R. Tarabin's lebendige Form
weist ihn in die Nähe des Genres selbst bei den im
Format über dasselbe weithinausgreifenden Holzfiguren
„Die Ueppigkeit" und „Das Leiden". Rosso, Lefevre,
Masse au und Gaston Toussaint sind mit mehr oder
minder charakteristischen Schöpfungen vertreten, während
Gustav Digel and (Thristiania) mit drei Gruppen —
schon wieder auf dem Wege zum Stil — den Schluß
macht. —
So sehr diese Ausstellung reich an Anregungen
zweifellos ist, so lebhaft und reich das moderne Em-
pfinden daraus anspricht — in ihrer Gesammtheit giebt
sie weit eher das Bild einer gährenden Kunstbewegung,
die an mancherlei Experimente, Verstiegenheiten und
Irrthümer eine Fülle von Kraft und Genialität ver-
schwendet, und nur in ihrer Totalität einen Fortschritt
bedeutet, während sie in den Einzelheiten das Be-
deutendste neben dem Unbedeutendsten, etwa wie eine
aufschäumende Welle, wahllos an den Strand wirft.
Und das möge hier nur gleich betont sein: Der Im-

pressionismus als solcher ist nur eine Kunstbewegung,
ein Anbahnen neuer Formen, ein Suchen nach neuem
Ausdruck, also eine Kunst form, bedeutet aber in sich
noch nicht eine Entwicklung der Malerei. Niemand
wird glauben, daß die Sixtinische Madonna nach den
Prinzipien des Impressionismus gemalt, ein besseres
oder auch nur ein schöneres Bild wäre. Nichtsdesto-
weniger hat die neue Schule ein gutes Recht, ihre An-
schauungen durch künstlerische Thaten zu erweisen; aber
Thaten müssen es sein, nicht gemalte plaidoyers für
ein Kunstprinzip, dessen Befolgung allein schon als
Fortschritt der künstlerischen Bedeutung genommen
werden soll. Es giebt auch unter den Impressionisten
Epigonen der modernen Malweise, denen das Em-
pfinden, aus welchem heraus diese Technik geschaffen
wurde, völlig abgeht, wie es anderseits, und diese
Ausstellung sollte ja das erweisen, unter den alten
Meistern schon Künstler gab, die in dem Rahmen der
ihrer Zeit eigenen Technik das zu erreichen und aus-
zudrücken versuchten, was später den modernen Im-
pressionismus in's Leben rief. Also die Form macht
die Bedeutung noch nicht aus, sondern einzig und allein
was mit dieser Form künstlerisch erzielt wird. Damit
sei dem naheliegenden und vom Publikum gewiß häufig
begangenen Irrthum entgegengetreten, daß es genüge,
in pointillistischen Fleckchen, oder mit impressionistischer
Skizzenhaftigkeit zu malen, um ein moderner und des-
halb auch schon ein bedeutender Künstler zu sein. —
Durchaus nicht! Und auch dafür liefert diese Aus-
stellung — vielleicht etwas unbeabsichtigt — eine Reihe
lehrreicher Beispiele.


ZreMer Rundbrief.

ach den zahlreichen Sonderausstellungen, die das
Schaffen einer künstlerischen Individualität in
abgerundetem Rahmen vorführen und somit zu-
meist das Lntwicklungsproblem in der Einzelerscheinung
beleuchten, muß es, schon aus Gründen der reinen
Reaktion, als ein klug ersonnenes Unternehmen gelten,
wenn Arn old's Kunstsalon einmal die allerver-
schiedensten Kräfte unserer Gegenwart unter einen:
gegenständlichen Generalnenner zusammenfaßt. Das
geschah in der „Ausstellung von Damenbildnissen", und
manche Empfindungen, die der schöne Bildnissaal
unserer Internationalen von geweckt hatte, klangen
nun, wenn auch sehr von soräino, wieder herauf. Denn
die engere Beschränkung des Kreises hatte uns dies-
mal dem Meisterhaften um Nichts näher gebracht.
Zwar an tönenden Namen fehlte es nicht, aber die
Werke selbst ließen die innere Reife nur allzu oft ver-
missen. Man schmeckte etwas unbehaglich die eilige
Wanderung des Kunsthändlers hindurch, der hier etwas
noch Unfertiges, dort etwas fast schon, auch im Inhalt
Verstaubtes aufgelesen hat, und sich der Enge seines
Schauraumes und der dadurch bedingten Gruppirungs-
schwierigkeiten nicht immer ganz bewußt geblieben ist.
An Interessantem und Neuem fehlte es darum doch
nicht. Slevogt's Brünette ist ein temperamentvolles
Stück flüssiger, stellenweise indeß mehr flüchtiger Malerei,
während Torinth, in Arrangement und Wahl der
Dimensionen recht wenig glücklich, in Einzelheiten sein
 
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