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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 8
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstbericht
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R., M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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(20

Die A u n st - H a l l e.

Nr. 8

ein galvanoplastisches Verfahren festgehalten und da-
durch mehrere Abdrücke ermöglicht. Der warme, weiche
Ton, der durch dieses Verfahren gewonnen wird,
kommt namentlich in den schönen, stimmungsvollen
Landschaften Herkomer's gut zur Geltung, aber auch
einzelne der zahlreichen Porträts sind gut heraus-
gekommen. — Besonderen Neiz haben auch die Ra-
dierungen, namentlich jene, die uns Herkomer selber
bald als Fischer (mit der Stadt Landsberg am Lech
als Hintergrund), bald an der Handpresse, bald
über die Rupferplatte gebeugt, oder den Künstler im
Kreis seiner Familie zeigen. Auch etliche Seidendrucke,
die ähnlich wirken wie feine englische Schabkunstblätter
des (8. Jahrhunderts, will ich nicht unerwähnt lassen.
Weniger bedeutend als die graphischen Arbeiten sind
die Gemälde. Namentlich die Porträts lassen schmerzlich
erkennen, daß das nicht mehr der brillante Könner ist,
der einst die „Dame in Weiß" und die „Dame in
Schwarz" geschaffen hat. In den Details zeigt er ja
nach wie vor jene Virtuosität, die die Farbe nach Be-
lieben zu meistern versteht, aber sowohl an Gesammt-
wirkung wie an psychologischer Vertiefung haben diese
Porträts verloren. Die Aquarelle dagegen sind brave
und tüchtige, wenn auch keineswegs aufregende und
hervorragende Arbeiten. Immerhin haben wir es
freudig begrüßt, nach einer längeren s)ause wieder
einmal etwas von unserem bayerischen Landsmann, dem
man in London so hohe Ehren erweist, bei uns sehen
zu können.
Auch Adolf Hildebrand, trägt einen Namen,
der weit über München hinaus einen guten Klang hat.
wer sich die Mühe machte, in sein Studio nach Bogen-
hausen hinaus zu pilgern, der wurde reich belohnt, denn
er konnte da ein Grabrelief sehen von einer tief-
ergreifenden Wirkung. Line Grablegung Thristi stellt
die Tafel dar, die für das Mausoleum der Kaiserin
Friedrich bestimmt ist. Der eigentlich schon recht abge-
brauchte Vorwurf ist unter Hildebrand's Händen zu
einein eigenartig-stimmungsvollen Werk geworden, vor
dem auch eine sonst gern sarkastische Kritik gerührt
schweigen muß. was ich an dem ganz bildartig
wirkenden Relief besonders bewundere, das ist die
Gefühlsinnigkeit, mit der der Künstler zu Werke ge-
gangen ist, inan merkt, daß er die feierlich-ernsten Ge-
fühle der Männer, den Schmerz und die mütterliche
Liebe der Maria, die zuckenden, schluchzenden Em-
psindungen der Maria Magdalena theilte, daß diese Grab-
legung ihm selber zum innerlichen Erlebniß wurde. So
ist es denn weniger die vollendete Technik als vielmehr
der seelische Gehalt, der den besonderen Werth dieser
bedeutsamen Schöpfung ausmacht. — was es sonst
noch in München zu sehen gab, muß an Bedeutung
hinter dein, was ich erwähnte, zurückstehen. Zwar
war der Kunstverein jede Woche gut beschickt, aber
ich sah wenig, was über den Durchschnitt und die
betriebsame Mittelmäßigkeit hinausragte. Auch zwei
Schulausstellungen wären wohl ganz spurlos vorüber-
gegangen, wenn nicht die Namen ihrer Leiter Lothar
vonKunowski und Hermann Gbrist, die beide nach
„neuen Möglichkeiten in den bildenden Künsten" suchen,
bei uns einigen Klang hätten. Die Schülerarbeiten
selber waren eben — Schülerarbeiten. Auch zwei junge
Landschafter, Moritz Bauernfeind, ein Enkel Schwind's,
und Ernst Dargen haben uns in Kollektivausstellungen
ihre Arbeiten vorgeführt: Dargen zeigt sich in seinen
Aquarellbildern, die ihre Motive mit Vorliebe aus alten
bayerischen, schwäbischen und fränkischen Städten holen,
als ein auch technisch reifer, feinfühliger Künstler,
Bauernfeind, der neben seine sonnigen tiroler Land-

schaften auch eine Reihe Karikaturen für den „Scherer",
das satirische tiroler Witzblatt, und einige Genrestücke
gehängt hat, hat noch nicht die Reife Dargen's, aber
ich sehe gleichwohl in ihm ein vielversprechendes Talent.
Georg Jacob Wolf.

M Sen Miner Xuiukrlonr.
ustav Schönleber, das Oberhaupt der Karls-
ruher Landschafterschule, steht seit einem vollen
Menschenalter in der vordersten Reihe unter den
führenden deutschen Meistern. Seine erste Medaille
datirt von der wiener Ausstellung (873, der Künstler
zählte damals nicht mehr als 2( Jahre. Sein aller-
erster Erfolg aber war jenes (872 gemalte venezianische
Bild, das in die Hamburger Kunsthalle gelangt ist.
In Schönleber's Werk spiegeln sich seit dreißig Jahren
alle Nüancen und Etappen der reich entwickelten deut-
schen Landschaftsmalers, jedes Jahr zeigte seine Kunst
eine neue und interessante Note und an dieser sensitiven
Regsamkeit ist noch längst kein Ende abzusehen. Gegen-
wärtig sind im Salon Schulte (5 neue Werke des
Meisters zur Ausstellung gelangt. Sie gliedern sich in
zwei Gruppen, in Nordseebilder und in Schwarzwald-
landschaften, und die eine Gruppe hebt sich so scharf
von der anderen ab, weist eine so grundverschiedene
Handschrift auf, als ob da zwei Maler am Werk ge-
wesen wären. An einem Marinebilde vergegenständ-
lichen sich begreiflicher weise große Töne und Stim-
mungen, das uferlose Weltmeer verbittet sich entschieden
irgend welche Kleinmalerei oder Künstelei und so geht
hier Schönleber auf eine rauhe und strenge Größe aus,
ohne doch dabei seinen empfindsamen Kolorismus ganz
bei Seite zu stellen, wo es nur irgend möglich, streut
er ein paar Hände voll warmen Abendschimmer in die
Sturmwolken, über den hohen Seegang und in die
graubraune Brandung, und darin spricht sich die eigenste
Empfindung des süddeutschen Naturells aus. Schön-
leber's Binnenlandschaften dagegen protestiren sehr
deutlich gegen die immer mehr einreißende dekorative
Schablone. Er tüncht die Lokaltöne nicht, er malt und
detaillirt sie. Nach und nach hat er sich die eminente
Fähigkeit angeeignet, das Terrain auf den Landschaften
mit einer Schärfe und handgreiflichen Deutlichkeit zu
zeichnen, daß man danach ohne weiteres eine General-
stabskarte anfertigen könnte. And so liebevoll er bis
ins Einzelne geht und am Kleinen und Kleinsten haftet,
so wenig verliert er sich dabei ins Kleinliche. Schönleber
vereinigt in seiner Kunst die Errungenschaften zweier
Zeitalter, die thörichterwcise einander feindlich entgegen
wirken. Er ist moderner Stimmungsmaler und Im-
pressionist und zugleich kultivirt er neuerdings die
zeichnerische Kleinarbeit der alten Schule. Das ist das
Ergebniß einer langen Entwicklungsrcihe. wie Schön-
leber aber die beiden widerstrebenden Richtungen in
Eins verwebt und aus dem Einen wie dem Andern
eine Landschaft höherer Ordnung hervorgehen läßt,
das ist unnachahmlich, das ist das Geheimniß seines
großen und gereiften Könnens.
Dem bedeutenden deutschen Kleister steht eine
Gruppe französischer Maler im Salon schulte gegen-
über. Ein Neuling für Berlin ist der stBrlrälmaler
 
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