Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 9.1904

DOI Heft:
Nummer 20
DOI Artikel:
Wirth, Robert: Bilderkauf
DOI Artikel:
Brieger, Lothar: Zur Entwicklung der russischen Malerei im 19. Jahrhundert
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunst_halle1904/0357
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 20

Die Aun st-Halle.

307

oder wächst später über manche seiner früheren Er-
werbungen hinaus. Der Franzose Louis viardot giebt
deshalb in der äss Lsaux-^rts" vom Jahre
)875 u. a. den Nach: II ne taut pas äire au tadleau
(er meint das zum Ankauf einladende Bild): est-ee
quo je Saline — mais: 68t-vs qus js I'LinwrÄiZ tou-
sonrg? Ta (liMrenoe 68t LLpitals. Allzu bedenklich
darf man freilich auch nicht sein, denn oft gefällt einem
ein Werk mit der Zeit mehr noch, als bei der ersten
Bekanntschaft mit ihm, abgesehen davon, daß man ein
Bild auch mit seinen Fehlern lieben kann, wie man ein
Rind liebt, auch wenn es kein Engel ist. Selbst wenn
ein Werk nachträglich in der Beurtheilung seitens seines
Besitzers verlieren sollte, so verbleibt es immerhin ein
Spiegel und der Zeuge für das frühere Runstverständniß
des Besitzers, was für diesen gewiß nicht ohne
Mahnung, Wehmuth oder auch Warnung ist. Als
Regel für die praktische pflege des Runstsinns hat man
auch hingestellt, man solle wenigstens in jedem Jahre
ein Original für den liebsten Feiertag des Hauses
kaufen. Gewiß nicht übel. Fest steht sicherlich, daß in
einem stilvollen oder gar feierlichen Zimmer, welches
auch fremde Personen betreten, kein wertloses Bild
hängen darf. Photographien oder alte liebe, aber kunst-
lose Bilder darf man nur in persönliche Privatgemächer
hängen.
Ich möchte diese wenigen Bemerkungen aus dem
weitschichtigen Thema mit der, wie ich glaube, er-
wägenswerten Frage schließen: Für welche Ausgaben
müssen denn die Menschen im Leben Geld haben,
wofür müßten sie welches haben und wofür haben
sie in Wirklichkeit allzeit Geld?
W
üur Lntvicklung Ser rmrstcken Merei
im IS. Mrimnöert.
Von Lothar Brieger-Wasseroogel.
II. Das Profanbild.
(§"yp^or einigen Tagen hatte ich mit dem „russischen
Bode", mit Wolynski, ein sehr ernstes Gespräch
über die russische Runst. Dabei that der große
Schriftsteller folgende recht bedeutsame Aeußerung:
„Das Wort „Russische Malerei" ist immer nur oum
Zrano 8klli8 zu verstehen, wir haben keine boden-
ständige russische Malerei, wie wir etwa mit Gogol,
Dostojewski, Tolstoi eine wirklich russische Litteratur
haben. Unsere bildende Runst wurzelt nicht in der
Volksseele, sie ist nur ein aus der Fremde verpflanztes
Reis."
Zn Bestätigung dieses Satzes hatten wir bereits
im vorigen Abschnitte gesehen, daß der Reformator und
eigentliche Begründer der russischen Runst, Brjullow,
ein fast sklavischer Schüler der alten Italiener war.
Unter seinem Einflüsse steht dann die ganze weitere

Entwicklung, die wir kurzweg als italienische Schule
bezeichnen wollen. Eine Reaktion gegen diese in
trockenen Dogmatismus auslaufende Schule bildet dann
der Realismus eines Njexin, der sich in den Malern
der jüngsten Zeit mit westeuropäischer Neoromantik
verquickt. Ganz abseits steht das Rirchenbild, dem
zwei der fünf großen Maler Rußlands angehören.
Die italienische Schule.
Der bedeutendste Maler dieser Schule, p. A. Fe-
rotow, geboren (8)5 in Moskau als Sohn eines völlig
vermögenslosen Beamten, ist ein außerordentlich charakte-
ristisches Beispiel jener vielen russischen Rünstler, die
russisch denken und fühlen, ohne daß aber ihre Schöpfer-
kraft hinreicht, diesen nationalen Gefühlen auch eine
wirklich nationale Form zu finden. Der Widerstreit
zwischen Gedanke und Form, die ihm unmögliche Ver-
schmelzung beider, war dem sehr selbstkritischen Rünstler
ein tiefer Schmerz, der seine Runst durchaus unerfreu-
lich erscheinen läßt und ihn vor Allem in seinen Zeich-
nungen zu bitterster Satire, nicht immer gerechten Satire
gegen seine Zeitgenossen trieb, wozu denn auch die
herben Entbehrungen seines an Rümpfen reichen Lebens
das ihrige beigetragen haben. Seine Hauptwerke sind:
„Der Morgen des Beamten, der seinen ersten Orden
erhalten hat", „Die wählerische Braut", „Ländliches Be-
gräbniß". Ferotow war in Moskau geboren und die
Typen seiner sämmtlichen Bilder sind dieser seiner
Vaterstadt entnommen. Als Ideal mag es ihm vor-
gescbwebt haben, ein großer Sittenschilderer nach Art
des Gogol zu werden. Außer der mangelnden Rraft
dazu war es ihm vor allem hinderlich, daß er dem
Volke innerlich ganz fremd war. Er war ein scharfer
und feiner Ropf, der ein gutes Auge hatte für die
menschlichen Schwächen und künstlerischen Stärken seiner
Modelle. Da er aber andererseits seine Technik durch-
aus Brjullow und den Italienern verdankte, so mußte
er an der Unmöglichkeit scheitern, mittelst dieser Technik
russische Bürger, russische Bauern darzustellen. Er
liebte Hogarth nicht, vielleicht weil er sich dessen schlechten
Seiten zu verwandt fühlte, dessen Größe ihn aber er-
drückte. Denn auch Ferotow schuf eigentlich eine Runst
um der Runst willen, sie war ihm immer nur Mittel
nie Zweck. Da fehlt denn zwar das kindliche technische
Experimentiren Brjulows aber ebenso dessen naive und
innerliche Ueberzeugungskraft. Das rein Verstandes-
mäßige läßt kühl, technisch wie menschlich. Dazu kommt
ein krasser Mangel an Farbensinn, der in seinen
koloristischen Disharmonien Abstoßendes zu Tage schafft.
Sein Bestes sind seine Porträts.
A. A. Iwanow ()806—)858) hat den Rampf um
das Bodenständige, der uns immerhin einige Sympathien
für Ferotow erweckt, nie gekämpft. Gr ist ein recht
gedankenloser Nachahmer Brjullows, in dessen Italiener-
thum er seltsame und mißverstandene nazarenische
Elemente mischte, die er dem großen deutschen Tornelius
entlehnte. Er lebte in Nom, genoß den Umgang der
Nazarener sowie Thorwaldsens und hat dann deren
Einflüsse durchaus unselbstständig in seine Bilder aus-
genommen. Obgleich er nachweisbar überall Studien
nach der Natur gemacht hat, sind diese Studien doch
seltsamerweiser nie von ihm verwerthet worden. Wir
können heute trotz aller ihm von seinen Zeitgenossen,
ja sogar vom großen Tornelius gespendeten Bewunderung
in ihm nicht mehr erblicken als einen geschickten aber
seelenlosen malerischen Tompilator. Sein Bild „Thristus
erscheint der Maria Magdalena" ist dafür ein sehr
gutes Beispiel. Das Haupt des Thristus ist von Thor-
 
Annotationen