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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 20
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306 Die Aunst-H alle. Nr. 20

künstlerischer Arbeit. Der Schluß ist unumstößlich:
Wo man keine Runst kauft, wo man selbst bei
großen Mitteln doch diesen Mitteln nicht angemessen
Runst kauft, da kann auch keine Runstbildüng da sein,
keine Runstliebe, kein Runstverständniß. Man sagt, die
Runst sei vorzugsweise ein Sporn, ein Gegengewicht
gegen die tausend Quengeleien des heutigen Lebens,
sieht man aber keine tatsächlichen Beispiele, daß die
Runst als probates Gegenmittel gegen die verstimmende
Tagesarbeit benutzt wird, so bleibt das Wort eine
leere Phrase. Der Erwerb von Runstwerken zwingt
ihren Liebhaber und Raufer, sich zum verständniß
wahrer Runst hindurchzuarbeiten, wer nur dann kauft,
wenn es die leeren wände seines neuen Hauses Zu er-
heischen scheinen, wird ausgelacht, denn er kauft um
des eitlen Zweckes willen sicherlich werthlose Sachen.
Ts geht ja freilich im Grunde Niemand etwas an,
was Jemand kauft, da Jedermann für sein eigenes
Geld kauft und auch der Bilderkauf ist, abgesehen vom
Erwerbe für öffentliche Sammlungen, lediglich eine
Privatangelegenheit, aber Jedweder muß nicht blos
für seine schlechten weine, sondern auch für seine schlechten
Bilder hinter seinem Rücken durch heimliche Verspottung
büßen. Die besten Bilder werden allerdings, sagt man,
nicht verkauft, wie die besten Mädchen nicht geheirathet
werden, doch waltet hier ein wesentlicher Unterschied
ob: auch die besten Mädchen werden alt, die besten
Bilder aber werden immeH jünger'und erlangen, wenn
auch spät, sicher einen Bewerber. Der Geschmack ist
freilich nie dauernd, der menschliche Geist kann kon-
stante Eindrücke nicht ertragen und so wechselt auch
die Bewertung und die Gesuchtheit der Runstwerke,
nur sehr wenige in der großen Schatzkammer der Runst
bewahren ihre ästhetische Dauer im wechsel.
wo kauft man im Verhältniß zur Einwohnerzahl
die meisten Bilder, wo kauft man die meisten Originale?
wenn nur diese Fragen nicht so schwierig und um-
ständlich zu beantworten wären — die Ergebnisse
würden jedenfalls interessiren. Der wohlhabende
Bürgerstand der Provinz läßt sich bei einem gelegent-
lichen Bilderkaufe noch immer durch das „Gold" des
Prunkrahmens imponiren — soll es doch sogar Leute
geben, welche das Bild als Zugabe zum Rahmen
kaufen, weil der Rahmen das Zimmer wirklich
schmücke, wie weit sind doch diese Leute vom Runst-
verständniß, wie weit gar von der Rahmenkunde ent-
fernt! Umherziehende Bilderhändler, ironisch auch
Runsthändler genannt, die nicht selten ihre „Runstwerke"
gleich aus der Rahmenfabrik als höhere Massenartikel
beziehen, rechnen auf solchen Unverstand, welche
Bilder werden am meisten gekauft? Stehen Alpen-
bilder, Liebesszenen, weibliche Schönköxfe, Bildnisse
von Landesfürsten immer noch an der Spitze? Nicht
ungern kauft man auch ein Still-Leben, da hier die
höchste naturalistische Ausführung im Rleinen besonders
gefällt, das Fliegenbeinchen und der Wassertropfen.
Selbst spätere Runstkenner haben nicht selten ihr Runst-

studium mit der Erwerbung solcher Abmalereien be-
gonnen. Studien, Skizzen, Bildnisse ihnen unbekannter
Personen kaufen nur Renner, während der Laie, wenn
ihm das Porträt einer ihm nicht bekannten Person an-
geboten wird, immer wissen will, wen es darstellt:
Studien aber lehnt er in der Regel mit der kritischen Note
„geschmiert" ab. Nur ein Beispiel dafür, welche Neben-
gedanken einem zu einem Raufe Lust verspürenden
Beschauer ein Bild einzuflößen vermag — die Rünstler
selbst haben davon kaum eine Ahnung. Einem Ritter-
gutsbesitzer, der selbst eine stattliche Viehherde besitzt,
gefällt eine Darstellung weidender Rinder. Aber, wo
soll man das Bild hinhängen? fragt er schließlich.
Er war offenbar der Ansicht, ein noch so kostbares
Original dieses Inhalts könne man doch nicht in die
„gute Stube" hängen!
Manche Leute gehen auf „Gelegenheitskäufe" aus,
sie suchen den Rünstlern dann, wenn sich diese in momen-
taner Verlegenheit befinden, Runstwerke abzudrücken und
rühmen sich wohl gar ihrer Findigkeit — ein trauriges
Rapitel, das in die privatesten Lebensumstände hinein-
führt und das „Gespenst im Hause" sichtbar werden
läßt, die Noth! Manche kaufen Originale, wenn sie
solche gelegentlich „billig" haben können, auch dann, wenn
das Objekt als solches nicht bis zum Ankauf überzeugt.
Sie bedenken nicht, daß eine gute Reproduktion immer
noch besser ist als ein mäßiges Original. Line andere
lächerliche Rurzsichtigkeit liegt darin, daß manche Per-
sonen ihre Bilder gern als „Erwerbungen" von ihren
Reisen aus der Ferne mitzubringen belieben, womöglich
aus Paris oder Rom, als ob sie in der Fremde besser
sähen und ihr Runstverständniß mit dem Milieu, in
welchem sie sich befinden, gewachsen wäre. welch'
unglaublicher Schwindel namentlich mit Altbildern
gerade an solch' berühmten Runststätten getrieben wird,
will ich hier nicht wiederholen. Genährt wird der
Schwindel durch die bekannte Ueberschätzung von Alt-
sachen, die ein großes Rapitel menschlicher Narrheit
bildet, was vergangen ist, was aus alten Zeiten
spricht, wird interessant, ehrwürdig, mystisch, aus seiner
Anschauung wird Neugier, die Erwägung über die
Altsachen wird von leisen Gbertönen gefühlvoller Teil-
nahme begleitet. Eine berechtigte Variante zu dem be-
kannten Sprichwort: der Prophet gilt nichts in seinem
Vaterlande lautet: Der Prophet gilt nichts zu seiner Zeit.
Noch erwähne ich die bekannte Mahnung, daß
man von einem Rünstler, dessen Werke einen sym-
pathisch berühren, nicht zu früh, noch zu spät kaufen
solle. Ls wäre dies freilich nur bei einer Auswahl
aus seinen Gesamtwerken möglich. Immerhin ist es
besser, zu früh, denn zu spät von ihm gekauft zu haben.
Werke, die den werdenden Rünstler andeuten, sind wert-
voller als Werke, die den sinkenden wenn auch noch so
leise verraten; die noch nicht ganz erschlossene Blume
ist schöner als die offene, die zu welken beginnt.
Auch der vorsichtigste und gerade der eifrige Runst-
liebhaber glaubt hinterher sich einmal verkauft zu haben
 
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