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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 5 (September 1924)
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Kolb, Gustav: Kunstunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0128
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263

salls erkläri er aber auss Bestlnlmleste, das; das aües
mti Kiinsi selbst nicht das Gerlngsle zu kun habc. Denn,
,wenn wir unS einem großen Kunstwcrk hinacben,
verlieren wir unser sich, vergessen wir unS selber,
jede Ueberlegung, jede VcrstandestStigkeit schweigt,
Diese Hingebung an ein Kunstwerk ist schwer, selbst
von Hochstehenden nur für kurze Zeit erreichbar,
dcnn es ist nichts anderes, als das Ausschaltcn des
irdischen Lebens zugunsten des Göktlichcn, des Lebens
der Seele. Hier crscheint uns das Unnatürliche
durchaus glaubhaft, was mit unseren Ersahrungen
des Naturgeschehens gar nicht übereinstimmt, störk
uns nichk, die unabSnderlichen Gesetze der Wirklich-
keit wefchen anderen, höheren Gesetzen, und wo
die Nakur dennoch getreu wiedergegeben wird, ist
es nichk dieses, was zu uns spricht, sondern ein
anderes, das dadurch ausgedrückt wird. Sobald das
Vcrlangen nach Verständnis, nach Begreifen des
Kunstwerks, entsteht, nach Kritik, dann schweigk die
Kunst, die Seele zieht sich zurück. Denn diese Seelc
kennk keine Kritik, sie ist jenseits von Gut und Böse.
Daher die merkwürdige Erscheinung, dah wir über
das, was ein Kunskwerk ausmachk, krotz aller
Regeln usw. gSnzlich im Unklaren sind. Auch die
Künstler selber wissen darüber wenig Befriedigendes
ouszusagen. Wir wissen eben über alles Bcscheid,
nur über das Leben der Seele nicht. Die Eesehe,
die dort herrschen, sind uns unbekannt, noch niemand
hat in die geheimnisvollen Tiefen dork hineinge-
leuchtet. Daher auch die zweite bekannke Er-
scheinung, daß wahre Kunstwerte raum- und zeitlos
sind: denn die Seele ist ja auch immer dieselbe." Nach
dielem ist es klar, daß Bü6)er, Vorträge über Kunst,
Füyrungen in Museen, Ausstellungen nicht zur Kunst
führen. „Denn die Seele läßt sich eben nicht führen,
erklären, belehren." „Es walket sogar eine Feind-
schaft zwischen Seele und Verstand, sobald die
Seele eine Einwirkung von dieser Seike merkt,
schlieht sie sich ab. Und das isk richkig so, dcnn die
Seele ist das einzig Unfehlbare im Menschen, wenn
sie auch nur eln kleiner Funke neben einem welt-
umfastenden Verstande sein sollte." „Mie gelangk
man nun zu ihr hin? Das isk sehr einsach. Sie will
nichts haben als ein Feld der Bekäkigung, sie will
mik den Mitteln, die ihr auf dtesem Felde gegeben
sind, sehen hören, führcn. „Menn die armen Seel-
chen in Kinos rennen und Schundromane lesen, so
stehk dahinker auch nur die verworrene Sehnsuchk.
Es ist ihre Nahrung, die die Seele sucht. aber bei
dcr Kinokunst verkümmert und verhungerk sie ganz
und gar." „Als das einzige Miklel der Kunst-
erziehung — wenn wir diesen Ausdruck beibehalten

Amschau

^ Zu Seorg Kerschenfielners 70. Geburkstag. Am
29. stuli 1924 vollendete Prof. Dr. Georg Kerschen-
steiner das 70. Lebensjahr. Wir Zeichenlehrer wollen
nicht die letzken sein, die den großen, schöpferischen
Pädagogen der auch uns Anreger und Führer war,
bei dieser Gelegenheit ehren. Mas K. für die
Ausgestaltung des Arbeitsschulgedankens allgemein
getan hat, habcn wir Lankdar enkgegengenommen
und genutzt, die Miederentdeckung Ler Spontaneitäts-
idec gab unsercm Wirken starken Antrieb und

woilen ist: vicl. iccht viel gukc Bücher lesen, gute
Mustk hörcn, Bildcr, Bauwerke, Tänze usw. sehcn,
Wenn rnöglich jedcn Tag: dcnn die Seele brauchr
ebenso Nahrung wie dcr Körpcr." „Wenn ein
Mensch ein Kunstwcrk aus sich wirken läßt, so tritk
er mik eincm andern Mcnschcn, dem Künstlcr in
innige Verbindung. Daraus solgt, wenn man weiter
denkk, daß er dieselbcn Fähigkciken haben muß wie
der Künstler. Beidc habcn die Empfindung. Beide
haben sogar das Schöpfcrische gemeinsam, nur daß
der Künstler der Schöpser aus dem Nichks, unmittel-
bar und unbewußt ist, und der Kunstfreund milkelbar
und Nachschöpser ist. Man muh Künstler sein, um
ein Kunstwcrk zu verstehen. Zcder kann auch nur die
Kunstwerke voll und ganz in sich aufnehmen, deren
Künstler mit ihm elwas Derwandkss haben." Die
Schrist schließt mit cincm Bekenntnis an die neue
Kunst und das neuc Lcbcn. „Sie steht doch da als
ein ganz neues Wesen, sehr viele sind K, die sich
mit ihr ernskhafk und gründlich auseinandersehen,
mancher junge Mensch kämpft mit ihr in seinem eln-
nersten als Kllnstler einen schweren Kampf aus und
gehk heute noch mchr als sonst seinen Dornenweg."
„Wir aber können uns der Erkennknis freuen, daß
die Seele stärkcr als je an Werken ist, daß sie mit
neuem Muke sich aus dcm Makerialismus, der
Dingkultur ihren leuchkenden Weg bahnk, daß wir
nicht verloren gehen im Sumps und der Fäulnis ab-
sterbender Kuliuren, sondern verkrauend auf ihre
ewige Kraft einem leuchtcnden Menschheitsmorgen
enkgegengehn." 2ch glaube B. hak mit seinen Aus-
führungen den Nagel auf den Kopf gekroffen. Kunsk
ist wie Religion eine Angelegenheit der Seele. Ilnd
ebensowenig jemand einen andern Menschen zur Reli-
ion, zu einem innerllchcn Verhältnis zu Gott bringen
ann, ebensowenig zur Kunst. Auf beiden Gebieken
muß die Seele selbst das Letzke und Schwerste tun.
Aber hinleiten zu diesem Höchsken, Hindernisse weg-
räumen, Voraussetzungen schaffen, das kann man
auf beiden Gebieten sehr wohl, und da kann ein
Mensch für den anderen Manches tun. Das können
wir namenklich auch in der Schule. Es ist sehr wahr,
was B. sagk: die Seele will nichks haben
als ein Feld Ler Bekätigung, sie will mik
den Mikteln, die jhr auf dieser Erde gegeben sind,
sehen, hören, fühlen. Ilnd noch ekwas: schaffen
will die Seele, ihre schöpferischen Kräfke
selbstkäkig auswirken. Aus solchem Schaffen quellen
die stSrkskcn Kräfke der Kunsterziehung, das vergaß
Roberk Budzinski, dem wir für seine Schrifk herz-
lich danken, zu sagen. G. K.

Richkung; er war aber auch einer der größten För-
derer des Zweiges der Arbeitsschule, das wir
Zeichenunkerricht nennen. Sein großes, umfassendes
und ungemein gründliches Werk „D i e Entwicke-
lung der zeichnevrschen Begabung",
das 1905 erschien, bedeutete einen gewaltigen Fort-
schritt auf dem Gcbiek der praktischen Psychologie.
Es war grundlcgcnd für alle späteren psychologischen
Ilnkersuchungcn der Entwicklung der kindlichen Bild-
sprache und isi in dicscm Sinne heute noch nicht ver-
altek. Die Ergebnisse frcilich, die K. aus 'seinen
Untersuchungen für die schulmäßige Entwicklung der
 
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