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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 5 (September 1924)
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Hils, Karl: Das Zufällige und das Wesentliche
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Kolb, Gustav: Kunstunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0127

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262

Älnd überwlnden je schncllcr desto besser/' Ein>
tzerodesarbeii.

Also das Kind soll nichl zu sich selbst kommen, es
dars nichl blühen, es must gcwaltsam die Bliiie ous,
gebrochen wcrden, je bälder desio licber,

Nun, diesenigen, welche nichk iief ergrifsen sind
von dem „Kindsein", die werden eS auch nicht sasien.

Auch wir wollen das Kind ins Leben sühren, aber
organisch soll es hineinwachsen und nlcht ruckhast.

Wir wollen ihm alles Aüstzeug miigeben, welches
es im Kampf ums iägliche Brot brauchen wird, denn
sonst machen wir uns ebenlo schuldig, wie die i>ben-
genaNnien, Der Weg zur Erkenntnis, zum Erkennen

gehi über das Gcsialien, übcr das splclerische Ve-
sialie» zuersi. Der Mcg zum Erkennen gehi Lber
das Erleben und übcr das Erleidcn, über das Leiden.
So viele sintellckiuelle sind Wisiende ohne Erlebnis
und ohne Leiden, dcshalb sind sie so hart gegen das
Kind und so kalt. Deshalb ist Gefühlswert so schlechi
im Kurs. Die nüchtcrnc Feststellung allcr Erschei-
nung ist ihre Welt. Kani isi ihnen eine willkommene
Gelegenheit ihrcn schars geschlifsenen Iniellekt zu
üben und womöglich elne Doktorarbeit herauszu-
schinden. Das „Ding an sich" zu suchen, dem das
Kind nüher ist als sie, lst für s!e unwesentlich. Das
Wesentliche ist dann zufüllig und unwesentlich ge.
worden. Hils.

sehen, als Beispiel und Gegenbeispicl zugespiht.
B. weist sehr wohl, dah das lehtere auch noch nlcht
den vollkommencn Menschen darstellt. Er fleht in
ihm aber die Dorahnung einer ncuen Menschen-
form, an deren Enkwicklung die Kunst einen großen,
vielleicht den größten Ankell hat. Hier ist der An-
fang dessen, „was edle und einsichtige Menschen
(Avenarius) schon vor lanaen Iahren erstredt und
gefördert haben, eben die Erziehung zur Kunsit, die
Durchdringung von Kunst und Lebcn, der Anfang
einer wahrhaftigen Kulkur." „Ansere Zeiken flnd
die der Zerstörung und Melkenwende. Nichks hat
standgehaiien. Für sehr vlele ist die Kunst die letzte
Zuflucht schon jetzt geworden. Sie wird es noch mehr
werden, fle wird üie menschltche Gesellschast neu auf.
bauen, sie wird die bisherige äußere Entwicklung aus
das flnnere ablenken und ein Zeitalker der Seele
heraufführen." Er schaut im Geiste ein „goldenes
Zeitaiter" herannahen', in dem „Kunst, Religion
und Leben in eins verschmolzen, die Materie bestegt
oder auf das geringste Maß heruntergedrückt worden
ist." Wir wollen das nichk für Phantasie halten,
sondern uns mit ihm über seinen siarken Zukunfts-
glaubcn freuen. Nur der Glaube an das unzerstör-
bar Göttliche in uns, namentlich an dic schöpferischen
Kräste unserer stugend, kann uns vor dem trost-
losen Pessimismus „des Anterganges des Abend-
landes", der wie eine starre Lavaschicht flch über so
viele Herzen heute legt, bewahren oder uns wieder
befreien. B. weiß auch: wenn „viele Baumeister" am
Werk sind, DLmme aufzurichten zum Schuhe des
Wenigen an künstlerlscher Kultur was wir heute noch
haben, so gehören fle zur flugend. „Diese jugendlichen
haben die Stoßkraft der flugend und auch die Aben-
keuerlusk, die dazu gehörk und die helle Begeister-
ung". „Es ist eine Schöpferzeit, in der wir leben,
nichk eine Berfallszeik: denn wiedcr erschallt das
„Werde" am Anfang einer neuen Welt."

Die Erziehung in der Kunst muß cine Erziehung
zur künstlerischen Kulkur sein; alles, was fle for-
dert, kann man durchaus lernen und absehen, das
alles sind Sachen des Verstandes, der Aeberlegung,
des Nachdenkens, Gewöhnens (Beispiel und Gegen-
beispiel des „Kunstwark"). Es kommt aber nun
nicht klar zum AuSdruck, ob B. die Anbah-
nung einer sachlichen Wertung einzclner Kunst.
werke als Voraussetzung zu einem verliesten Kunst-
empfinden unter allen Amständen ablehnt. Zeden-

: KunstunterrichL^

Im Greisenverlag Harienskeln SA. erschien ein
kleines, aber inhaltsreiches Hest von Nobert Bod-
zinski, das dle Beachiung aller derer 'verd'ienlPdie
mikErnst nach neuen Wegen im Kunskunierricht
suchen. Der Künstler weist zunächsi darauf hin, daß
troh des Schlagwories: Erziehung zur Kunst unsern
höheren Schulen, wenn man sie als staakliche Ein.
richiungen betrachtet, noch ebenso kunstrein wie vor
dem Krieg seien. Zn der flugendbewegung hat aber
hier die llugend flch selbst geholfen. „Das Hinein-
leben in die Kunst ist das gemeinsame Merkmal aller
Zugendbünde, hier verstehen sich alle, die sonst so
feindlichen Brüder. Gemeinsam ist ihnen allen das
Hineinwachsen in sämiliche Künste, oder das Hin.
eindringen sämtlicher Künsie in ihr tägliches Leben,
so daß man schon von den Anfängen einer künst-
lerischen Kultur sprechen kann." Er schildert dann
in zwei „Bildnissen" die kulturelle Einstellung deS
Primaners von ISM und eines solchen von heute,
sofern cr „Wandervogel" ist. Aeber den ersteren
sagt er u. a.: Die Baukunst isti ihm ein Schullehr-
fach: dorische, jonische, korinthische Süulen, Archi-
trav, Kapitäl, Peristyl usw. Alte, schöne Häuser
der Volkskunst stchen zwar überall, werden aber
nicht gesehen. Er guckt die Bilder in der „Garien-
laube" und anderen „flllustrierken" nur auf dcn dar-
geskellten Inhalt an, weiß aber nichis von Holz-
chnitt und Radierung. Kasperlepuppen und Hans-
achsspiele sind für ihn flahrmarktsrummel. Seine
„Bude" ist von oben bis unken unzweifelhafi ge-
schmacklos, Bücher sind für ihn nur „Goldschnitt',

Bücher oder Schmöker aus der Leihbibliothek. Er
spricht fließend die Sprache Lakein-griechisch-fran-
zösisch-deuksä), laubsägt und brandmalt". Dcr Wan-
dervoaelprimaner von hcuke weiß, „was Holzschnitt
was Federzeichnung ist, spricht über Buch- und so-
gar Drucksachenausstaktung, hat ein Exlibris und
natürlich auch einc, wenn auch kleine Bücherei.

Hin und wieder wagk er sich aber auch auf den
Weg, an dessen Ende Beekhoven und Bach stehen.

Er kennt alte und neue Reigen und Volksiänzc
und spricht sachvcrständig über Kleidung, Hausbau
und flnnenarchitekkur. Er ist bestrebt, in seiner
Stube die Sünden der Bauweise (Ofen, TLren) zu
verdecken, hat womöglich schon einigcn ungedrech-
selten Hausrat, irgendwo etnen alten Biedermeier-
schrank aufgegabelt und jedenfalls viele Bilder an
den WSnden." Diese „Bildnisse" stnd, wie wir
 
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