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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 3 (Mai 1924)
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Grothmann, Heinrich: Ein Markstein in der Geschichte des Zeichenunterrichts
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Kolb, Gustav: Abbau und Pflichtstundenzahl der Zeichenlehrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0072

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207

Arn crsreulichsicn empfindcu wir das iicse Ber-
siändiS sür den inneren Weii dcr Liunsisächer sllr die
(Lrziehunu dcs Einzelnen wie siir dcn lruliurellcn Wic-
deraufbau dcr Nalion. Endlich, nach cinem aussichts-
und hoffnungslos crscheincnden Kampse, in dem man-
chcr trcuc Arbciter seine beste Kraft verzehrk hak, er-
leben wir es, dasz amtlich ausgesprochen wird: dcr
Zcichenunterricht sollte niä)t mehr als „technischeS"
Fach angesprochen werden. Das tst ein Markstein
und Wcndcpunkk in seiner geschichklichcn Entwick-
lung. Die Anführungsstriche wersen schon darauf hin,
daß jenes Wort nur in der Schule seinen bcsonderen,
nämlich cincn recht geringschähigcn Sinn hak: die
„technischen" Fächer standen unter dem Strich, sie
sristeten in eincr verachlcten „Winkelstcllung" küm-
merlich cin geduldetcs Dasein. So beschämend goring
war daS Verständnis für die erziehliche Bedeutung
derselben, über die die Ocffentlichkeit andcrs und
richtigcr urkeilt, weil sie die Dingc ohne Borcinge-
nommcnheit siehk. E in technisches Fach sreilich
stand auch bci Oberlehrern in Ansehen, nämlich bei
denjenigen, die die billig und in wenigen Monaten
zu erlangende Turnfakulias erworbcn hakten und
Turnuntcrricht erkeilken. Oberlehrer mik Befähigung
für Zeichnen gibk es aber in Preußen nicht, weil diese
Befahigung ein ernstes Fachstudium erfordert. Dieser
Umskand hat es wesentlich mit verschuldet, daß das
Zeichnen bis heute isoliert dasteht. Ilnd den Zeichen-
lehrern erging es nicht besser. Sie mußken beiseite
stehen und durfkcn gcsellschaftlich nichk aussteigen, um
nichk den Verkretern der Wissenschaft zu nahe zu
kommcn. Daher hat man es im Mimsterium seit 14
ölahren nicht für angebrachk gehalken, auch nur einem
einzigen Zeichenlehrcr den Profcssortitel zu verleihen,
selbst dann nichk, wenn dies von seinem Provinzial-
Schulkollegium beantragt worden war. Ilnd nachdem
1917 dic Mchrheit der preußischen Oberlehrcr sich für

den Studicnratsiitcl anstellc dcs chrwürdigcn Proscs-
sorstilcl entsäzicden und der Hcrr Minister biescm
Verlangcn nachgegeben hatte, da glaubke man, den
von jcnen abgclcgicn Rock nicht wicder hcrvorholen
zu dürscn. ES hätte dies ja wiedcr Anstosz erregen
könncn. Wcnn cs auch Widersinn gewesen wäre!
Doch wir wollcn nicht ungerecht gcgen die früheren
Oberlehrer scin. Ihr Stand hat lange und schwcr ge-
nug um seine Rechtc zu kämpfen gchabk. Das machk
nervös. Wir verstehen es von uns aus jetzk, wo sich
so mancher untcr uns mit Bitterkeit sagen muß, daß
er die Zeichenlchrcrprllfung umsonst gemacht hat.

Ilnd nun wird dcr Zeichenunterricht in dle Nähe
der wichtigstcn Ilntcrrichksfächer gcrückt. Dahin hätke
er längst gehört. Dennoch bleibt es ein Verdienst, das
Selbstverständliche evident gemachk zu haben. Eine
Folgcrung frcilich, die sich aus der neuen Lage not-
wendig häkte ergeben müssen, vermissen wir noch: im
Lehrpian hätte Zeichncn nicht mchr an lehter Stelle
stehen dürscn, mik diescr Tradition hätte gebrochen
werden müssen. Dahin gehört ein Fach nicht, von
dem amtiich gcsagk wird, daß es der „humancn Per-
sönlichkeilsbildung" diencn und von desscn schöpferi-
schen Krästcn „doch die stärksten Impulse für den
geistigen Ausbau wcsentlich mik ausgehen werden".
Dem Zcichen- und Kunstunterricht ist eine Aufgabe
von hoher Würde anvertraut und eine schwere Ver-
pslichtung auserlegt worden. Es ist eine Ehre gewor-
den, in solchcm ilnterrichk der Iugend, der Nation
diencn zu dürfen.

Schließlich möchte ich nicht unterlassen, darauf hin-
zuweisen, daß einige Worte der eingangs mltgekeilten
Sähe der Dcnkschrifi den Keim in sich bergen zu
Mißverständnissen, die für den Zeichen- und Kunst-
unterricht zu einer ernsten Gefahr werden könnten,
wenn ihnerr nichk sogleich enkgegcngetreten wird. Ilnd
somit ist für ncue Arbeit gesorgt. Grothmann.

Abbau und Pflichtstundenzahl der Zeichenlehrer

Einenr Erlaß bes Reichssinanzministers, Lber
Schulabbau und Pslichtsiundenzahl entnehmen 'wsr
sölgendes:

. Es wird sich empfehlen, bei der Fest-
sehung der Skundenzahl einen Ilnkerschied zu
machen zwischen denjenigen Lehrern, die um-
fangreiche Korrekkurcn zu erledigen haben odcr
sich in besonderer Weise auf dcn llnterricht vor-
bereiken muffen, und zwischen den Lehrcrn, die
mik dieser Mchrarbeik nichi belastek sind. Berciis
bci Rcgelung der Pslichtstundenzahl der Zeichcn-
lchrer und -lchrerinncn ist der Skandpunkk ver-
lrctcn rvordcn, daß die Fefisehung von 22 Stun-
den für die Zeichcnlehrer und -lehrerinnen eine
zu gcrlnge Arbeikslcistung gegenüber den wiffen-
schaftlichcn Lehrpersonen bedeukck, zumal wenn
man in Berücksichkigung zichk, daß diesen um-
fangrciche Korrekkuren und mchr odcr minder
umfangreiche Vorbereitungen für den Ankerrichl
oblicgen, währcnd es sich bcim Zeichenunlerricht
um cincn kechnischen Ilnkerrichk handclk, der be-
sondercr Vorbcrcikung wvhl niäzk in demsclbcn
Ilmfangc wie dcr wiffenschafllichc Ilnkcrrichk be-

dars. Ebenso licgen die VerhMnisse ber den
Turnlchrern und -lehrerinnen, den Gesang-
lchrcrn und -lehrerinncn und ähnlich zum Teil
auch bei den Fach- und Ecwerbelehrern und
-lehrcrinnen ..." ,

Dazu müffen wir bcmerken:

Wir Zeichcnlehrer wissen wohl, wie die wiffen-
schaftlichen Lchrer an den höheren Schulen durch
Dorbereitungen und Korrekkuren belastet sind und
wollcn das an dieser Skelle ausdrücklich anerkennen.
Wir wollen uns jedes Vergleichcs enkhalten, dürfen
aber auch erwarten, datz unsere Arbeitsleistung ge-
werket wird.

Die vorliegende Aeußerung des Reichsfinanz-
ministcriums beruht auf ungenügendem Einblick in
das Wesen und in die Aufgaben des heutigen Zei-
chen- und Kunstunterrichts und in die Pflichken, die
den Lehrern dieses Fachgebietes innerhalb der höhe-
ren Schule heute oblicgen. Wir meinen aber, unsere
Reichsbehörden. auch diejenigen, die dem Schulwesen
fern« stehen, hä'tten die Pflicht, sich über die tatsäch-
lichcn Verhältnisse der Lehrer und ihrer Aufgaben zu
unkerrichtcn, wenn sie Mahnahmcn in die Mege
leiten, welche dle Arbeit und d!e Dienstrechkc dieser
Lehrcr hart bekrcffen. Der Erlaß blcibt hintcr den
 
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