Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

DOI Heft:
Heft 5 (September 1924)
DOI Artikel:
Schwarz, Gebald: Das Zeichnen in der Reifeprüfung
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Der Unterricht in der Bildsprache, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0114

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^249

And die Prüfungskommissinn? Sic war -durchaus
von dem Ergebnis besriedigl; nich! eine Slimme,
die die Gleichwcrtigkeii mil dcn andern schrifllichen
Arbeilen bezweiselt hälle. Bom Prllsungskommissar
ist in diesem Fall nichts bcsonde'res zu erwähnen, da
der Direktor dieses Iahr dcssen Stelle zu vertreten

halke. AuS beiden Funktionen herauS mvchle ich
zum Schluh nur dcn Wunsch auSsprechen, dasz eS ge-
lingt ähnlichc Mvglichkciten auch anderswo durchzu-
sühren. Einc ncucre prcuhische Bcstimmung über
Musik in dcr Reiscprüfung gibt Anlah zu hoffen,
dah eS geschieht.

Der Anterricht in der Bildsprache (Fortsetzung)

von G.

ES trägt zur Klarhei't bei, wenn wir im Kunstunker-
richt das Phantasiezeichnen und daS Gedächtniszeich-
nen streng auSeinander halten. Der Begriff Gedächt-
niSzeichnen wird im Nachfolgenden nicht im Zusam-
menhang mit dem phantasiemühigen Gcsialken innerer
Dorstellungen, sondern nur in Berbindung mit Dar-
stellen nach unmlttelbarer Anschauung angewendet.

Nach dem Dargeleglen ist vhne Wciteres klar:

GcdSchknismähige Darstellung selbskerarbeiteter
Borskellungen muh eines dcr Hauptzielc des Unter-
rlchtS !n der Bilüsprache scin. ES fällt mit der srund-
tegenderr Aufgabe der Borstellu-ngSbildung na3) der
unmiitetbaren Anschä-uung zusammen. Bon diesem
Borftellrrngszeichnen gilt das bekannte Wort, daß es
der Eckstein sei, an dem die Reform des Zeichen-
unterrichts scheitern oder sich vollendcn muß.

Michtig ist, zu erkennen, daß nur die Dorstellungen
sruchtbar flir die Bildsprache sein 'köunen, die Be-
standteile der Gesamtvorstcllung geworden sind. Rur
dann vermag man mit ihnen frei zu schalten, nur
dann werden ste dem bewuhten rmd mrbcwußten bkld-
sprachlichsn Schöpfungsprozeß dienslbar.

Die hier äufgestellten Forüerungen sind nicht neu,
sondern wurden seit der ResormbeMcgung immer
wieder erhoben. Schon Georg Hirth sagt in seiner
genialen, von einer wahrhafl seherhasten Intuition
beseetten Reformschrifk: „Ideen über den Zeichen-
unterricht und künstlerische BerufsbAdung", mit der
die Resorm vor 37 2ahre» eingeleitet wurde: „Meiner
Ansicht mrch hat der elementare Anterricht die Auf-
gade, nomentlich zur Ilebung des Formgedächtnisses
anzwleiten." Seikdem haben alle Reformer ohne
Ausnahme diese Fordcru-n-g mit Nachdruck erhoben.
Konrad Lange stellt in seincr Schrift: „Das Wesen
der künstlcrischen Erziehung n'ach dem Kunster-
ziehungStag in Dresden fest: „Mag die Lntscheidung
(über die Gestälkung des Zeichenunkerrichts) tm Ein-
zetnen aussaÜen, wie sie wvlle, in einem Punkte wer-
den ohne Zweisel alle Teilnehmer an einer solchen
Konserenz einig sein, in Bczug auf das Gedächtnis-
zeichnsn." Urid der Geologe Heüin formulierk in
„Sehen und Erkennen": „Zeichncn aus der Eriune-
vung ist Sekbstprüsung unscrer Beobachtung." „So
iange wir einen Gcgenskand uoch nicht richtig aus-
wendig zeichnen können, solange kennen wir ihn noch
nicht". Mik Heim haben vor dem Krieg Hochschäl-
lehrer der verschieldenstcn FakuMten auf die große
Bedeutung des Gedächtniszeichnens für ihre Fstch-
gebiete hingewiesen. Allerdings wurde der Werk
des vorstellungsbildenden Gedächkniszeichneus, wie
mir scheinen will, bis heute in der Praxis nicht über-
all voll erkarmt. Elhner schrieb schon 1997^):
„Unser Zeichenunterricht läufi allzusehr auf ein blohes
Abbilden der sinnsälligen Erscheinung hinaus; er

*> Autgabcn für Zeichnen und Werktätigkeit von Prof. Karl
Slßner, II. Teil. IM7. (Perlag Iul. Klinkhardl, Leipzig).

Kolb.

zwingt die Schüler nicht zu einer innerlichen Ber-
arbeitung, zur Borstcllungsbüdung." -

„Man pflcgt jene zektraubende Kunsh die auszuü'ben
wir im iäglichcn Lcben keine Zert haben, die wir den
Diletlaukcn höhcrcr und niedereir Art Lberlassen
Mllssen, die aus EitMert oder Langerweile sich die
Zeit mit Bildchenmalen vertreibcn, — die Kunst, die
sich in ihren Ansängen zum Entzücken des urteilslosen
Publikums in dcn Schulausstellungen breitmacht und
den Lehrcr init ihren g.leihenden Crfolgen äbzieht
von dcr höchsten und wichtigsten Aufgabe des Zeichen-
unkerrichts, von der Borstellungsbilidung — die Kunst
der schönen Linie, des sauberen, tadellosen Strichs,
d!e dem Zeichcnuntcrrichl seit einem Menschenalter
seine unpädagogische und unpsychologische Marsch-
route vorgeschrieben hat un'd unsere Kinder nicht be-
fähigen konnte, sich des Zeichuens im täglichen Le-
ben zu bedienen, weK sie nicht gelernt haben, Dinge,
die nicht gegenwärtig sinid, aus Lem Gedächtnis dar-
zustellen. Und üoch besteht gerade 'darin der größke
Nuhen des Zeichnens für das tägliche Leben."

Kerschensteiner stellte fest, daß beim Kinde eme
Freude am Zeichnen und eine oft frühzeikige hochent-
wtckelte Begabun-g für graphischen Ausdruck vor-
handen ist, wie wir sie bei der sprachLichen Ausdrucks-
fähigkeit des Kinücs nicht entfernt finden und wirft
die Frage auf: „Wie war es möglich, 'dah em 2ahr-
hunderi der Entwickelung unseres öffentlichen Schul-
wesens an dieser Entscheimmg achtlos vorübergehen
konnte?" Er finöet äls Ankwort: Manhatdas
Zeichneu eben nur als eine Fertigkeit
iu die Lehrpläne e in g e st e lit und nicht
als eine Schule der Borsiellungsbil,
dung un'd verlangt, dah Zeichnen aus dem Gedächt-
nis oder vielmehr aus der Borstellung an die Spihe
aller zeichnerischen Aebungen gestellt werden müsse.
Er führt dazu aus: „Betrachtet man >den heukigen
Zeichenunterri'cht, so sehen wir sast ausschließlich ge-
rade den -entgegengesetzten Weg einschlageu: man
überläßk den Schüler der verwrrrenden Mannig-
fäliigkeit aller Einzclheiken einer Erscheinung, man
lchrk ihn ni'cht von vornherem absehen von dem Zu-
fälligen in Form und Farbe, man gibt ihm keinen Ein-
blick in den Bau des Objekts, in die Art der Her-
skellung in d'ie Eigenschaften des Materials und ver-
säumk damit ihn aäzuleitcn, nur das Lharakteriskiische
der Erschemung zu erfassen un'd mit den geringsten
Mitteln wiederzugeben. Der Erfolg ist ein krostloser
Diletlantismus."") >

Seit Aufftellung der Kerschenstei'ner'schen Forde-
rung siud 19 Iahre v-erflossen und immer noch sind
wir weik entfornt von ihrer Berwirklichung.

Nicht als ob ihre Berechtigung neuerdmgs ein-
geschränkt oder aufgehoben worden wäre. 3m Ge-

Leorg Kerkchensieiiier, Die SntwiSelung der zeichnertschen
Begabung (K. Gerber, München).
 
Annotationen