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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 2 (März 1924)
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Kolb, Gustav: Gedanken zum "Abbau"
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0028

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Deutsche Blätter für Zeichen-Kunst-- und Werkunterricht

Zeltschrkft des Reichsverbandes akademlscher Zeichenlehrek
des Nekchsverbandes akademischer Zekchenlehrerknnen

VecantworUich für die Schriftieitung: Profeffor Gustav Kolb, Göpptngen
Druck und Verlag: Eugen Hardt G. m b. H. Stuttgart, Langestraße 18

4. Iahrgang März 1924 HefL 2

Eedanken zum Abbau — Neber die Form der alten Hausmarken. F. Müller, Kolberg — Der Holzschnitt
und seine Pflege im Kunstunterricht — Schwarz-Weiß im Holzschnitt. Gottfried Draf — Betrachtung der
Holzschnitte. Gottfried Draf Anwendung und Auswirkung des Werkunterrichts. Karl Hils — Die Kunst
der Primitiven. Dr. Herbert Kuhn — Abbau von Schule und Kunst — Nochmals Formgehalt und Ge-
schichte unserer Rechnungszeichen. Dr. E. Gutman — Das verteidigte Prüfungsamt — Pmschau —
__Besprechungen

Gedanken zum „Abbau"

„Nichts ist unserem Volk geblieben als seine kör-
perlichen und geistigen Kraste. Das ist heuke unser
einziger Reichtum." Diese Worte wurden uns nach
dem Krieg in den Wahlreden der verschiedensten
Parleien immer wiedcr zugerufem lind es sind
wahre Morte gewesen. Sie sind heuke wahrer denn
damals. Hak man aber jemals daran gedachl, dte
Folgerungen daraus zu ziehen? Denkt man bei dem
gegenwürtigen „Abbauch der auch die Schule ge-
fährdet, daran?

Daß der „Abbau" berechkigk, )a nokwendig ist, die-
ser Erkenntnis wird sich kein nachdenkender Mensch
verschließen. Es wirki segensreich und gesundend,
wcnn er mik scharfem Messer alle die Geschwülsien
und Krebsgeschwüre, die sich an unserem Staats-
körper allma'hlich gebildet haben, wegschneidet. Aber
wir melnen, er müßte dort Halk machen, wo dte
Ouellen fließen, aus denen wir die Krasi und die
Mitlel zu unserem Wiederaufbau schöpfcn können.

Ein Volk in solcher Not, in der wir uns heute be-
flnden, muß grohe sitiliche Ideen haben, an Lie es
mik ganzem Herzen glauben kann, denen es sich mik
allen Kräften hingeben kann, und zu denen es in sei-
nen schweren Stunden aufschauen kann, wie zu den
ewigen Sternen. Welche Idee hätte aber eine so ge-
meinschaftsbildende Krast, in der wir Deutsche uns
heute alle ohne Ansehen der Welkanschauung, des po-
litischcn u. religiösen Glaubensbekennlnisses und der
Siammeszugehörigkeit zusammenflnden könnten, als
die, die in den Worten beschlossen ist: Alles für
unsere Jugend! Ilnsere Kinder sind uns allen
gleich teucr, sie sind das Teuerste, was wir haben.
Auf ihren, jeht noch so schwachen Schultern ruhk un-
sere Zukunst. Daraus erhellt dle ungehcure Bedeu-
tung aller Erziehungs- und Bildungsfragen. Diese
Fragen mühken als die wichtigsten Lebensfragen uns
alle bewegen, wenn anders unser armes. niedergebro-
chenes Volk die Hoffnung auf eine bessere Zukunft

nicht aufgeben willl. Unsere Brüder im Kriege
trugen diese Zdee im Herzen und gaben ihr
Leben dasür. Wie osi hörte man aus lhrem
Munde das Gelöbnis: „Wir wollen alles tragen, da-
mit unsere Kindcr es besier haben." Die Besterr
unier ihnen dachken aber gewiß nichk daran, unseren
Kindern ein Lppigeres Leben im matcriellen Sinne
zu erkämpfen — wer stündlrch dem Tode ins An-
gesicht steht, erkennt die Nichkigkeik solcher irdrschen
Dinge — sondern fle wollten ihnen die Mögtrchkeit
schaffen, alle ihre Anlagen und Kräste vollkommen
zu entwickeln damit sie ihr Leben in einem höheren
und tieferen Sinne leben könnten. Warum haben
gerade sie die Fragen der Erziehungs- und Bildungs-
reform so leidenschaftlich erörkert?! Wahrlich, die
sidee: Alles für dirsiugend! trägt ein so siar-
kes Ethos in sich, daß unser Bolk in ihrem Diensie
eine sitkliche und geistige Wiedergeburt e-rleben
würde. Aoer dcr Wille, ste zu verwirklichen, müßke
uns alle mik elner religiösen Htngabe erstillen. Das
würde freilich für uns Erwachsene ohne Ankerschied
bedeuten: Opfer bringen, arbeiken, entsagen. Wir
würden dadurch aber nichks verlieren. Anser Leben
würde ein reineres und glücklicheres werden, es
würde erst recht werkvoll werden. Fichte, der Leh-
rer und Erwecker des deukschen Bolkes nach unserem
Niederbruch im vorigen siahrhundcrk wußte und ver-
kündete es mik Engelszungen: Nur die srkklichen
sideale vermögen ein Bolk in Not zu erziehen, wieder
aufzurichten. Breike Schichten des französischen Boi-
kes wiegen sich in dem Traume, mit den aus Deutsch-
land fließenden Goldströmen ein satles Rentner-
dascin zu genießen. Ein Dolk mit solcher Gesinnung
muß verkommen. Das dcutsche Bolk aber würde
durch Arbeii und Entsagung im Dienste der auf-
gezeigtcn sidee aus der Grabesnacht seiner heukigen
Not yerrlicher denn je auferstehen. Wer häste dann
am Ende den Krieg gcwvnnen? G. K.
 
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