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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 4 (Juli 1924)
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Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0101

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230 ^

Buchbesprechrm gen.

Nr. ITdLS „Pclikan" bringi einige werlvolle Aus-
scihe, diesichinist°°^em bildhaslen Ausdruck bcS
Kindes beschäfiigen und die slir uns von besondcrer
Bedeuiung sind. L b r i st o v h N a i i e r. Iena, spricht
über: Kindli ch eK u n sk" ck u nffPe'r i scherAus-
d r u ck, K u n st w e r k. Cr weist zunächst aus die innere
Derwandlschaft zwischcn primiiiver, infankiler Kunst u.
den Kindermalereien hin. Ein unbezwinglicheS Ber-
langen nach einem Schaffen aus eigener Krast ruht
! ties im Menschen. Wo diese Krafi sich ungchindert
' Lußern kann, gräbt sie sich gleichsam ein in das
Nichts, wird Form, die bis zum Inneren Bersten
angefüllk ist mii Lebensgcwalt. Diese Lebensgewalk,
daS innere quellende Leben, dcrNhythmus. ist die
> formende Krast in uns. Sie ist da, wenn der Mensch
innerlich bewcgk, ergrisfen, begeiskert, ja besesscn ist.
Dieser Rhyihmus ist sowohl der Lebensquell der
primikiven wie der infantilen und der Kinderkunst.
j Der Aufsatz schlicjzt: „Zu künsilerischem Ausdruck
/ jst jeder Mensch mehr oder weniger besähigk, so-
fern er sich noch den sicheren Insiinkt des Gefühls
/ bewahrt hak und den ruhigen Ablauf des Lebens-
! stromes, dem seelschen Rhythmus, nachgeben kann.

! Erst durch die Berdrängung dieser Kraft entsieht in
/ uns das der naiürlichen, ewig gesetzmäßigen Be-
wegung übel Widersirebende. Das Kind fühlt sich da-
von frei, und darum liegk in seinen Aeutzerungen
so viel undewuhte Schönheik, so viel Anmut. Unter
einsichtsvoller Beachlung und Pflege kann sich die
ursprüngliche Begabung, die sich in der kindlichen
Kunstschöpfung ungehindert okfcnbark, entwickeln.
Nur dars man sich nicht verleiten lassen, daraus
bindende Schlüsse für sein späteres künstlerisches
Schafsen zu ziehen. Künstlerische Erziehung kann
wohl Menschen mit warmem Herzen und offenen
Augen für alles Natürliche und Schöne bilden, fle
kann aber kein Künsllertum ins Leben rufen."

Uebers „das Zeichnen als Weg zur
geistigen Entfaltung deS Kindes"
äußert sich Heinrtch Sachs, Odenwaldschule,
Oberhambach. Nur einige Punkke will ich aus
Liesem warmherzig, mit feinstem Verständnis
für die Kinderseele geschriebenen Aufsatz, um
feinen Geist zu zeigen, wiedergeben. Die Mög-
lichkeit der Bielhcik des Inhalkes aus der Seele des
Kindes zu verwirklichen, ihn zu wecken und zu ge-
stalken, liegk nichk in irgend einer Methode, sondern
in der Persönlichkeik des Lehrers. Der Lehrer mutz
eine Persönlichkeit sein, die, selbst innerlich frei,
alle Eigcnark bestehen lSßt, oann kann er aus
Leidenschask: Freude schafsen und alle KrLfte im
Kinde produkkiv gestalken. Durch die äußere
Sinnenempfänglichkeit entfaltek und vertiefk stch der
innere Sinn. Mit dem Bewußlsein des Körpers
entwickelt flch das Bewuhksein des Geistes. Die
Technik ergibt flch nebenbei als geläufige Ausdrucks-
geste. Zeichnen will Ausdruck sein einer Erfahrung,
eines Erlebnistes, Gegenstandes usw. Zeichnen ist Aus-
druck so wie Sprechcn, Singen und die Handbe-
wegung. Das Ziel des Ilnkerrichts kann also zunächst
nur darln liegen, das Kind des Ausdrucks sähig zu
machen — nicht der Technik, nicht der Kunst. Der
Begriff Kunst — oder die künstlerische Bewertung

der Schlllerarbeiten vcrsälschcn den Sinn dcs Zeichen-
unkerrlchis. OualiiSi der Leisiung isi ein rclaiivcr
Begrifs. Gclangt dcr Schüler bis zu den Grenzen
seincr Fähigkeiien, erfüllt er alsv in allen Dingen
seine Aufgabe und tui sein Besics, dann is! seine
Oualität erreicht. Es ist unpädagogisch, diese Oualilät
zu verwerken oder sie auszuspielen gegen die
Qualikät eines andern; dies würde nur die Freude
und den Muk lähmen. Der Derfaster kritt mit Nach-
druck für den „freien Unlerricht" ein. „in der Frei-
heik zeigt das Kind sein garizcs Wesen mit allen
Krästen und Schwächen.". Er lst woh! in einem
Landerziehungsheim käkig und kann freier schalten
und walten als wir in den öfscnklichen staailichen
Schulen mii den übergroßen Klasscn, die man unter
dem Zeichen des „Abbaues" durch Zusammenlegen
mehrerer Klassen manchmal noch mehr übersüllte, als
das früher schon der Fall war. Der Verfasser
schließt seinen Aufsatz mit den Worken: „stch be-
dauere, daß man immer noch nicht die pädagogischen
Möglichkeiten des Zeichenunterrichtes enkdcckk hat.
Die Kenntnis solcher Möglichkeiken müßke die
Schulmänner veranlassen, diescm Untcrricht mehr
Stunden zukommen zu lasten, um so dem Zeichnen
die gebührende Rolle zuzuerteilen in der Entfaltung
des ganzen Menschen, in der Entwicklung und Ber-
tiefung seiner körperlichen und geistigen Sinne."
Der 3. Aufsatz -A-wI^.r w e i s u n ^bW,Z^PLLL-N-"
von Dr. G. F. H a r t l a u b, Mannheim, den wir gerne
an dieservtell^ehcnT^st ein Abdruck des lehken
Kapitels seines Buches: „Der Genius im Kinde".
Wir können hier auf die Wiedergabe des außer-
ordentiich wertvollen Inhaltes verzichten, da wlr
nach Erscheinen des Buches ausführlich darüber be-
richtet haben. Der letzte Aufsatz: „D i e Kinder -
zeichnung" v. Dr. Hans Cürlis, Berlin, ist wenig
aufschlußreich. Zwei Kinderzeichnungen stnd ihm ange-
fügt mit einer Beschreibunz des Lehrers des betref-
fenden Kindes, die Dr. Cürlis eine „dankenswert
gute" nennk. Wir setzen die Beschreibung hierher,
weil fle zeigk, wie wenig ein Teil unserer Lehrer-
schaft heuke noch in das Verständnis der kindlichen
Bildsprache eingedrungen ist. Sie lautet: „Eines
Tages Lberraschke mich ein noch nichk siebenjähriger
Knabe durch die Darstellung der hiesigen Wallfahrks-
kirche auf der Rechenseike seiner Schiefertatel. Er
behaupkeke, dies ohne Borlage und ohne Hilfe Er-
wachsener gezeichnek zu haben, was ich nichk glauben
wollte. Ich löschte die Zeichnung aus, gab ihm ein
Skück Papier und forderte ihn auf, das Bild noch
einmal zu zeichnen. Er kak es. Auf meinen Wunsch,
mir am nächsten Tage etwas auf Papier Gemalteä
mikzubringen, Lbergab er mir eine Shnliche Zeich-
nung der Wallfahrkskirche. Der Knabe geht das
erste Aahr zur Schule, ist aber im Rechnen und
Lesen einer der SchwLchsten. Da er mir sagke, daß
er zu Hause kein Papier habe, schenkke ich ihm einen
Zeichenblock. Er lieferke aber wieder nur die Wall-
fahrtskirche ab, obwohl Ich ihm gesagt hatte, daß er
doch einmal ekwas anderes zeichnen möchke. Seit-
dem habe ich mir weikere Zeichnungrn nichk bringen
lasten. Bemerken möchte ich noch, daß die Zeich-
nungen nur nach dem Gedächtnis angefertigk waren.*
Hinzugefügk soll noch werden, daß namenklich die
zweike Zeichnung eine prachkvolle Ktnderleistung ist,
bei der das rhythmische Gefühl und Schmuckbedürf-
 
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