Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

DOI issue:
Heft 1 (Januar 1924)
DOI article:
Müller, Alexander: Bildender Kunstunterricht
DOI article:
Löffler, Eugen: Zur Geschichte unserer Rechnungszeichen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0007

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1^2

ies Formcii- odcr ^iaumgcsühl späkcrer Iahre wllrde
sich im Bildslächcnsinne durchaus mi! dem Bellriss
der Flächcngliederung deckcin Bcskimmend
sür dic Reise einer Arbcil kann nur
die Lirask der Empsindung sein, die aus
Ihr sprichl, nichl eine Suszcre Geschicklichkeil,
vielmehr kann eine Arbcik von inncrer Krafi nie
äußerlich ungeschickl wirken, dagegen verräl sich eine
rein äußerliche Gcschicklichkeii dem gebildeten Ge-
sühl sosorl durch daS Fehlen deS innercn Zusammen-
hangcs mil dcm Ganzen. Die Auswah! des zu gc-
staltenden EcgenstandeS hak für die Reifc einer Ar-
bei! nicht dic geringste Bedeutung, dn die Werke der
bildendcn Kunst nur von ihren eigencn, hicr gcnann-
len Gesehcn, abhängig sind. Dcr Inhalt cines Wer-
kes bildender Kunst kann daher nur in ihren eigenen
Elementen zu suchen sein und nich! darin, dajz eine
andere Kunsl damik idcnkifizierk wird, z. B. die Er-
zählungskunsl odcr dic Gcschichtc. üst die Lösung dcs

InhalkS mi! bildncrischen Mitteln g»l, d. h. drückk
die Farbe und Ahnthmik dcr Linicn und Flächezi
eincs Genre- oder Historienbildes auch a l l c i n die
bcabsichtigien Empsindungcn aus, so vcrmag die Bc-
leiligung'der lilerarischcn Elemenle nichls zu schaden,
wie dics bei dcn olten Meislern dcr Fall ist. Die
vielen Enkgleisungen und Bcrzcrrungcn bildnerischer
Kunsb späkercr Zeik, wo schließlich nur noch die
litcrarischen Prinzipicn maßgebend sind, bcweisen je-
doch, wie gefährlich diese Berquickung ist. Eine Ver-
schmelzung zweier Künske kann vielleichl bei ver-
wandter Wirkung bcider, wie Musik und Poesie,
Malerei und Plastik oder Malerei und Architckkur
möglich sein, abcr nichk bei Künsken, die in ihrcn Wir-
kungen so verschiedcn sind, daß sie von einander ab-
lenken oder sich gegcnseitig gänzlich aufhcben. Der
geschichtlich erzählende Inhalk eines Bildcs ziehl die
Aufmerksamkeit dermaßen aus sich dnß dic Wirkung
der darstellcrischcn Mittel darübcr vcrgcssen wird.

Zur Geschichte unserer Rechnungszeichen

Bon vr. E. Löffler.

3m scchsten Heft dieser Zeitschrist (S. 116) behan-
delt^vr. E. Gutmanstden KLnstlerischen 3deenge-
halt unserer gebräuchlichsten Rechnungszeichen. Aus
seinen Darlegungen könnke man leicht den Schluß
ziehen, dah unsere Rechnungszeichen auch ge-
s ch i ch t l i ch auf Grund der voni Vcrsasser vorge-
kragenen Lbcrlegungen entstanden seien. Dem ist
aber nicht so. Zwar sollen die gcschichtlichen Belch-
rungen, die der Aufsah Lber das Zeichen des Kreuzes
gibk, nichk angefochten werden; aber die bisherigen
Forschungen auf dem Gebiek der Geschichte der
Makhemakik geben keinen Anlaß zu der Bermutung,
dah das Pluszeichen irgendwie innerlich mit dem
von Herrn Gutman behandelten Kreuzeszetchen zu-
sammenhängk. Die makhemaiischen Symbole sind,
abgesehen von den Zahlzeichen * **, bei weitem nicht so
alt, als man vielleicht vermuket. 3n dcn Slkesten
Zeiien wurden die Rechenopcrakioncn ohne Bc-
nuhung von Zeichen einfach in Worten beschrieben.
So machken es die Griechen, die Araber, die mittel-
alterlichen Malhemakiker bis ins 15.3ahrhundert.
Daneben entwickelken sich allmählich Abkürzungen
für iiänfig gcbrauchie Ausdrücke wie z. B " und m
für plus und minus. Aber erst vom Cnde des
15.3ahrhunderts ab treten die symbolischen Zeichen
auf, die wir heute noch vcrwenden So finden
sich die Zeichen -j- und — in Handschristen, die aus
der Zeik um 1480 stammen, und im Druck zum
erstenmal in einem Rechenbuch aus dem 3ahre 1489.
Über ihre Lnkstehung kann man allerdings nur Ber-
mutungen hcgcn: aber es ist ziemlich wahrscheinlich,
daß das Zcichen -h aus einer Ligatur für das latei-
nische Wori et entstanden ist, und dah das Zeichen —

* Pgi. nreine beiden Bändchcn über Ziffern und Ziffernsyste»
mc in der niathcmatisch-physjkaiischcn Bibliothek, L. Aufl., Tcub-
ner 1918 u»d 19!9. Für das Folgcnde vgl. »uch Ioh. Tropfke,
Geschicbte der Slcmcntarmathematik, L. Aufl. II. Bd. S. 12 ff.
<BerIin u. Leipzig 1921).

** Es soll »icht vcrschwicgen wcrden, daß sich fchon bei dcn
Agyptern, Indcrn »nd den spatercn ^iraber» symbolische Rech-
nungszeichcn finde»; flc stehcn abcr nicht in cntwicklungsgcschicht-
lichem Znsammcnhang mit den hcutc gcdräuchlichen.

sich ails dem vorhin erwähnten m gcbildet hat. Das
liegende Kreuz als Multiplikationszeichcn wurde von
einem englischen Mathematiker in einem 1631 er-
schienenen Wcrk eingeführk und ist ofscnbar eine
willkürliche, in Anlehnung an das Pluszeichen er-
sonnene Erfindung; der Multiplikationspunkk, dcr
vereinzelt im 15. Iahrhundert auftritt, wurdc von
Leibniz im Zahre 1693 eingeführt und verdrängte das
liegende Kreuz olimählich völlig. Der Bruchstrich ist
das älleste der heuke noch gebräuchlichen Rechnungs-
zeichen; er findet sich schon in einein berllhmten Werk
vom 3ahre 1228 und geht vielleicht auf arabischen
Gebrauch zurück. Die Araber (und Znder) hatten
einsach Zähler und Nenner übereinandcr geschrie-
ben: der wagrechte Strich dienke, wie Herr Gutman
richtig bemerkt, lediglich der Trennung. Der Divi-
sionsdoppelpunkt tritt im 17. Zahrhundert aus,
scheint infolge eines Druckversehens seine heutige
Bedeutung erhalten zu haben und crlangte durch
Leibniz Bürgerrecht in der Makhemakik. 3m Falle
des Gleichheitszeichens kommk der von Herrn Gut-
man aus dein Formgehalt erschlossenen Bedeutung
in der Tat historische Richtigkeit zu. Es wurde im
3ahre 1557 in einem englischen Lehrbuch eingeführk
mik der Begründung, dah keine zwei Dinge einen
höheren Grad von Gleichheit aufweisen können als
ein Paar paralleler Strichelchen von glcicher Länge.

Es ist gewiß reizvoll, wenn man versucht, durch
eine Art Einfühlung einen Zusammenhang zwischen
der Form der unscheinbaren Rcchnungszeichen und
ihrer Bedeukung hcrzustellen. Aber es muh dabei
betont werden, dah der heukige Stand der exakten
geschichklichen Forschung es nichk gestattet, in solchen
Unkersuchungen mehr als eine geistreiche Konstruktion
zu erblicken, daß vielmehr die meisten Rechnungs-
symbole ein Ergebnis roillkiirlicher oder zufälliger
Erfindung sind, und vermöge ihrer prakkischcn Be-
währung im Wettstreit mit anderen, weniger ge-
eigneten Bczcichnungen den Sicg davongetragen
habcn.
 
Annotationen