Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

DOI Heft:
Heft 6 (November 1924)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Der Unterricht in der Bildsprache, [3]
DOI Artikel:
Müller, F.: Heimaterziehung und Kunstunterricht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0152

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
287

NÄ^rgemäHer Führung Les Schülers im Prinzip zu
gunsten L>er erscheinun-gsgemLßen Darstellung c,b-
geschlossen. Die Weisheit Ler Natur beginnt nur
jn -anberer Richtuirg jm jungen Menschen zu wirken.
Sie will chn vorbereiten zum LebenSkampf nnd ihm
die Waffen dazu bieten. Ls entwickelt stch -in ihm so
rmch nnd nach die Fähigkeit zum eigentlichen begrisf-
lichen Denken, daL er draucht, um mit der Welt, die
ihn llmgibt, fertlg z» weudsn. Naturgemäß lst es bes-
halb, wenn Ler junge Mensch von jetzt ab geradezu
ben Dr-ang hat, auch lm Zeichnen ben Dingen der
Autzenwelt bis ln alle Elnzelherlen nachzugehen, sie
ln chrer Wesenheit und Gesetzmätzlgkeit zu begrei-
ten und barzustellen. Seine Ansprüche an Genauig-
neit der Darstellung stelgern sich. Er macht aber bie
Erfahrung, batz fein Gedächtnls nicht ausreicht, kom-
plizlerte Gegenstandsform-en zeichnerlsch zu bewälti-
gen. Vlelleicht lst auch fein vlsuelles Gedächtnis ge-
ringer geworden. Aeüenfalls will er nun den Gegen-
stand, während er dlldet, auch einmal vor Augen
haben. Somit lst der Anterricht auf gutem Wege,
wenn er oon jetzt ab das, was man „Abzeichnen"

heitzt, pflegt. Freilich muß dies in richtiger Meise,
nämlich vorskellungsmätzig geschehen: denn bas Ab-
zeichnen kann niemais Selbstzweck sondern nnr Mit-
tsl zur Dorstsllungsbildung ssin») Keinesfalls kann
aber das Abzsichnen genügen. Es mutz vielmehr ge-
dächtnismäßiges Darftellsn der fo crworbenen Por-
stsllungsn hinzutrelen; denn es gi8, trotz allem, „so-
lange mir einen Gegenstand noch nicht richtig aus-
wendig zsichnen könwen, solange kennen wlr ihn noch
nlcht" tHelm). Nur durch wisderholtes gsdächtnis-
mäßigss Darftellen kann Las Erworbene Vorstel-
lungsbesitz zu lnneren Dildern werdcn.

4. Wir rverden auch auf dleser Stufe das phanta-
siemäßige Gestalten nichk vernachlässtgen. Es stellk
sich nun bewuht tn den Dienst der Kunsterziehung.

5. Durch das phantasiemäßigs Gefialten und durch
das sachliche Darstellen der Wrrklichkeit, das aus Ler
Oderstzufe zum strengen firlMiven Darstellen gestej-
gert wlrd, fassen und bilden wir von unserer Selte
aus den ganzen Menschen, sein Gesühl sowohl
wie seinen Nerstand.

HeimaLerZiehung und KunstunterrichL

Don F. Müller, Kolderg.

Seit Pestalozzi und Ronsseau den Gedanken der
Erziehung des Kindes durch seine nächste Amgebnng
lo entschieben ausgesprochen haben, hat er in der pä-
dagogischen Welt immer mehr Boden gewonnen.
Man hat lmmer mehr eingeschen, datz schon von der
Kinderstube an die natürliche Ämwelt des Kiwdes aus
seine geistige Lnkwtcklung den allergrötzten Einslutz
ausübt, Laß das Wort -deS Amos Lomenius: „Nichts
ist in der Seele, was nicht vorher ln den Sinnen
gewesen lst" nur allzu wahr isk. Durch das Lor
der Smne mutz alles ln Lls Seele elngehen, was
sie beleben, nähren rmd enkwlckeln soll. And was
durch die Stnne eingcht, das ist in erster Linie Lie
nächste Amwelt, die Heimak. Die leicht empfangllche
jugendliche Seele nimmt schon vor dem Beginn des
Schulunrerrichts und in der ersten Schulzeit einz.
grotze Menge von Borstellungen -und Gemütswer-
ten m sich auf, die ln Berbindung mit den nakür-
lichen Anlagen den Grnndstock oder das Fundament
für alle späiere.geistige Entwrcklung dllden. Alles,
was später hinzukommt. mutz so Market seln vder so
gestalket werden, Latz es mlt dresen sundamenlalen
Werten verwachsen kann, wenn es überhaupt geifl-
ges Eigentum öes werdenden Menschen werden soll.
Die Apperzeption des Bildungsgukes ist nur mög-
lich, wenn eine gewisse Berwandtschast zwischrn dem
neu Aufzunehmenden und dem alten Seeleninhalte
vorhanden ist oder geschasfen wwd. Durch diese
psychologische Latsache gewinnk die Hcimat ftir dre
Erziehnng den allergrötzten Wert, und die neus
PädagogL trä-gt diefer Erkenntnis Ladurch Rechnung,
dah sie nicht mehr wie srüher von einer Heimak-
kunde als Fach unter Fächern spricht, sondern von
einer Heimaterziehung schlechtweg als Er-
ziehungsprinzip Lberhaupt.

Ais Beijpiel für diese Auffalsung mag ein Werk
angesehen werden, das unter vem Titel „Hand-
buchder Heimaterziehung", herausge-
gebeu vou Walker Schönlchen im Ber-
lage vvn Gebr. Bomtraeger-Derstn vor kurzem er-

schlenen isk. Ls bezeichnet sich sekbst als zweiier
Teil zu dem bekannten Äerk von H. Lonventz
,,Heima1kuilde vnL Helmatfchlltz in Ler
Schul e" und erscheint in 6 Heften, vondrnen uns
Zeichenlchrer bcsonders Hest !, das die philosophijch-
psychologischen Borftagen bespricht, und Hest 5, das
die „technischen Fächer" behandelk, besvnders an-
ziehen dürsten. 3n Liesem 5. Hefi, in welchem auch
über Werkunterricht, Nadelarbeit, Turnen, Ge-
sang und hallswirtschastlichen Unterricht gehandelt
wird, berührt unsern Anterricht am nächsten dre Ab-
handlung von B-ern hard Mütter-Elb e r-
seld Lber „Heimatkunde «nd Heimat-
schutz im Z ei ch e nu nterri cht". Wer die
Ausstellung der Schülerorbeiten öes Kollegen Bernh.
Müller im Zenlralinfltut für Erziehung und Unker-
richt in Berlin s. Zt. gesehen und serne Begleitschrist
zu dieser Ausstellung gelesen hat, der weitz, daß er
es hier mit einer wirklichen Äukontät auf Lem Ge-
biek der Heimaterzichuug, sowert fie unsern Kunst-
unterricht betrifst, zu tun hat und wird die Gelegen-
heit, sich an Ler Hand dieser feflelnd geschriebenen
und mit vielen Abbildungen ansgestatteten Abhanld-
-lung in die Eedanken Ler Heimaterziehung zu ver-
tiesen, nichk versäumen.

M-«r vergletche damit auch die AaSführmigen von Prof.
Dülberg, Kafsel in Hcft II, 18A von «K. u, I°. Er fagt: Denn es
kommt im schulmäßigen Zetchcnunterricht nicht darauf an, den
Schnlern das möglichst ,richtige" Abzeichnen ernes lebenden oder
toten Geaenstandcs beiznbrtngcn Solche Äbung, die nur von
kiinstlerilch Begabtcn ohneSchädigung dcr Aorstcllnngskraft als wc-
sentliche, dcr mujikallsch»tcchnischcn ^Fingerüdnng- gleichkommcn-
ve Bestandteil künstlerischcr AusbUdnng verlangt werden dürste,
ist im Zeichcnunterricht ntcht nur übersuissig, sondern auch schäd-
lich." Wic wcit im Unterricht der darzuftellcnde Scgensiand
sclbst als .Dorbild" heranzuziehen tst, muß der Ligenart des
Schülers, dem Maß seiner DorstellnngSkrast Lberlasten wcrden.
ALgemein gültige Regeln lassen fich hier nicht aufstellen; doch
ist es «in tranriges Zeichcn für die känstlcrtschen und pädago»
gischen Fähigkeiten ctnes Zeichenlehrers, wenn er seine Aufgabe
durch sklavisches Abzcichncnlaficn von «Natur» u. Kunstformen"
als gelöst ansiehi.
 
Annotationen