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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 5 (September 1924)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Der Unterricht in der Bildsprache, [2]
DOI Artikel:
Grothmann, Heinrich: Richtlinien für einen Lehrplan des Zeichenunterrichts an den höheren Schulen für die männliche Jugend: Entwurf
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0117

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252

Natur als Slud-ienobjekt, gleichviel, ob er fchon
zeichnel, währcnd cr studicr!, oder crst nachhcr: Das
'Sludicnobjckt isk immcr Lrkenntnis der Form, nich!
aber e!n Abphotographiercn der Erschcinung, die
als solche m!t der Formerkenntnis gar nichts zu tun
hak, Erst dadurch, dah der Künstler die natürlichc
Lrscheinung durch dicjenigc erseht, bie in seiner Vor-
stellung das BÜL der erkannken Form ist — un>d die
von der nakürlichen tmmer und notwendig himmel-
weit verschieden ist — kommt das KunstwerK zu-
stande. Wer freilich nich! an sich selbst Licsen Bor-
gang erfahren hak, d. h. wer nicht Künstler ist (wie
leider die große Mehrheit der sog. Maler und Bild-
hauer heuke!) der wird das nichk verstehen. Das
deutlichste Zeichcn sür die Richtigkeil des Gesagken
ist dieses: man versuche, irgcnd eine der Skellungen,
d!e Miä)e!angelo oder auch Dürcr oder Lionardo
oder Grünewald gezeichnet haben. von einem Modell
nachmachen zu lasscn — es geht nichi! Weil eben
die Zeichnung nicht das Abbitd einer natllrlichen Er-
scheinung war."

Daraus geht hervor, dah E. -er Ansicht ist, baß
der wirkliche Künstler, auch wenn er schelnbar
nach ber Äakur darstellk, instinktiv vorstellungsmäßig
darskellt. sthm kann alfo das unmittelbare Nakur-
studium nicht schaden. L. unkerstreichk biese Anstcht
in einem 2ten Brief (25. Sepk. 21) inbem er aus-
führt: „Bei allem künstlerischen Arbeiten handelt
es sich um Wiedergabe der Borskellung. Wer vor-
siellungsmäßig siehk, kann rwhlg direkk nach der Na-
tur zeichuen: er wird Lurch die Erscheinung fich nicht
beirren lassen. Wer aber erst lernen soll,
vorstellungsmätzigzu sehen, darf nicht
nach der Natur abzeichnen, ivell er da-
durch nie das vorstellungsmätzige
Sehen lernt, sondern-davon direki ab-
gehalken roirld. 3n der Praxts wird es
jebenfalls das Nichttge setn, ganz vom
Zeichnen nach der Nakur abzusehen,
wenn man dieSchüller nichttn dle 3rre
leiken will. llm aber die Schüler richkig zu
leiten, müßken nakürlich die Lehrer selbst erst einmal
gelernt haben, auf was es cmkommk." „Das Wich-
t-igste rvore meiner Ansicht nach, ersk einmal einen

Erundsiock von Zeichcnlchrern zu bilden, die ver-
siehen, uni was es sich handcl!, — was nur dadurch
geschchen kann, datz sic sclbcr crst zum Borstellungs-
zeichncn erzogen werden."

Damit hai L. doch klar und unzweldeutig ausge-
sprochen, datz unsere Schüler auf dem Wege des
Abzelchnens nicht zum Bilden und Darstellen von
Borstellungen erzogen werden können.

Gehcn wir der Frage mik Bcziehung auf unseren
Schulzeichenunterricht nach, so mutz zunächst festge-
stellk wevden, dah man die Fähigkeit der intuiliven
Vorstellungsbildung durch das Abzeichnen von Natur-
gegenständen nicht wescnllich fördern kann. Die
Zeichenlehrer wlssen schon längst, daß das phantasie-
mäßige Gestalten und das bewußke erkenntnismüßige
Darstellen der Dinge dcr Autzenwelt !n gewissem
Sinne einander feindlich gegcnüberstehen. Grokh-
mann sagk ln der letzien Äüflage seines schon ge-
nannten Buches: „Es werden deinnach zwei Ziele,
die durchaus nicht beieinander liegen, auf verschie-
Lenen, nicht parallelen Wegcn zu erstreben sein, näm-
lich bewußles objektlves Sehen und die intuitive,
mehr subjekkive Dorstellung zum Zwecke des Aus-
drucks. Beide Ziele müssen nebeneinander und ge-
sondert versolgt wcrden, man denke nichk, daß letz-
teres schon ldurch fteißiges Gcgensiandszeichnen ge.
fördert werde; dieses lst sogar geeignet, vom stnwen-
digsehen abzulenken unü dadurch die Ausdrucksfähig-
keik zu schwächen, wenn diese nichk gleichzeitig, be-
sonders und für sich gcpflegt wivö." Ferner: „Die
ost bemerkke Unfähigkeit älterer Schüler im zeichneri-
schen Ausdruck troh bcsserer Naturkenntnis und
Fähigkeik im Zeichnen nach dem Gegenftand, läht
sich nicht dadurch allein erklärcn, daß die vorwiegend
logische Biidung Ue FLHigketk der bildmäßigen An-
schauung benachkeilige und die gere-istere Kritik die
Lust am reinen produkkiven Ausdruck mederhalte,
sondern vielmehr dädurch, daß diese Schüler jegliche
Uebung im zeichnerischen Ausdruck (d. h. im Dar- ^
stellen aus der reinen Borstellung) verloren haben,
wenn solche überhaupt schon vorhanden gewesen ist."

Wie verhlt es sich nun aber mik der Borstellungs-
bildung nach den Dingen der objeküven Außenwelk?

Schluß folgt.

RichLlinien für einen Lehrplan des ZeichenunterrichLs
an den höheren Schulen für die männliche Iugend

Entwurf von tzcinr. Grothman n, Berlin-Lichkerfelde.

Aufgabe des Zeichenunkerrlchks.

Der Zeichenunkervicht hak allgemein d!e Aufgabe,
an der Persönlichkeitsbildung der Schüler durch
Pflege der bild- und raumhaften Gestalkungskrafk als
eines dem Menschen eigenen und für seine Entwicke-
lung wesentlichen schöpferifchen Triebes mitzuwirken.

Die Uebungcn werdcn hauptfächlich aus das Zeichne» und
Malen beschränkt. Aber auch acleäentltche Uebungen tm
Forrncn, tn Schcren- und Ltnolschnut soivte tni Westaltsn
intt farbigein Papier dtencn deni Zivecke des Unterrichts.

Je nachdcm dte Ansgaben eine frete, pcrsönlichc Auf-
fafsung und Gcstaltung erfordcrn und cs zu tuu haben mtt
der Erschetnung dcr Dtnge oder dic Ausfassuug gcbundcn
ist, metl es sich um etne sachliche Darstcllung der wirkltchen
Form handelt, tst zmifchen frcicm (Frcihand-) Zctchnen und
gcbundcnem (Linear-) Zetchnen zu unterscheldcn. JeneS tst
der Art nach künstleiisch; dteseS kann es nnr durch die Er-

findung dek dargeftelltcn Gcgenstandes scin, wenn derselbc
als sotcher (z. B. Architeltur) der Kunfl angehört. Das frcie
Zsichnen vertritt tm Lehrplan die bildende Kunst : daS ge-
bundene Zeichnen dientvorwiegend der technischen und wtfsen-
schaftlichen Anschauung und Tarstellung.

Der Unterricht im praktischcn Linearzeichnen ist Anfgabc
des Zeichcnlchrers.

I. Das freic Zeichnen.

Aufgabe: Der Unierrichk im freien Zeichnen
soll die Schüler anleite», sowohl im Anschluß an dic
Natur, als auch mittels abstrakter Formen und Far-
ben im Sinne ber blldenden Kunst zu gestalten.

Methodische Richttinien.

1. Der Aeichenunterricht soll als ein Fach des
Könnens vor allem auf Lie Pslege der schöpferischen
 
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