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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 5 (September 1924)
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Heydebrand, Ernst: Einige Gedanken aus Malunterricht an der freien Waldorfschule: Auszug aus einem Aufsatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0125

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Einige Gedanken aus dem Malunterricht
an der freien Waldorfschule

Auszug uus einem Aufscih von L. v o n H e y d e b r a n d.

Ls erregt Schmerz, wenn man wahrnehmen muß,
w!e wenig im allgemeinen bei den Kindern die Liebc
zur Farbe an sich gepklegt wird. Der gräßere Teil
der Bilder aus der Scyulzeit der Kinder zeigle näm-
lich, dah man die Kinde dazu hingeleitel halle, die
Farben hauplsächlich alS Ausdrucksmittel, als Milkel
zum Zwecke der Darslellung eines Gegenständlichen
oder auch eines ZuslSndlichen zu benuhen Durch den
Schmerz wurde einem blar, daß neue Wcge gesucht
und beschrillen werden müssen, um das Kind an das
Farbenerlcben selbst heranzubringen. Solche Ber-
suche zu neuen Megen waren in der Ausslellung
selbstversländlich auch vorhanden, und sie waren zum
Teil sehr inkercssanl. —

An dcr Waldorfschule besleht das Bestreben, im
Kinde zunächsl die reine Freude an der Farbc und
den S-inn für ihren Eigenwert zu wecken. So wie
das Ohr des Kindes im Musikunkerricht gebildcl
wird, damil es sich lm Bewußksein hebl und empfin.
den lernk, wie manche Töne, mit- oder nacheinander
angeschlagen, schön und lieblich klingen, andere un-
angenehme und peinliche Gefühle hervorrufen, so
kann das Auge des Kindes so enlwickell werden, daß
d!e kindliche Seele Farbenharmonien und Farben-
dissonanzen empfinden lernk. Nakürlich nicht durch
theorelische Auseinandersehungen des Lehrers, son-
dern elnfach dadurch, daß man d!e Kinder frei mil
den Farben umgehen läßl. sDie Kinder dcr Waldorf-
schule malen dabei „aus dem Bollen" heraus, indem
lie nichk mühsam von Paleilen und kleinen Farb-
anöpfchen die Farbe herunierreiben, sondern ihre
insel in die aufgelöste, slüssige Farbe tauchen.
enn es ist wichkig für die Kinder, die Farbe so im
flüssigen Elemente lebend zu empfinden.) Me Kin-
der haben ja von selbsl soviel Phankasie und nalür-
lich-künsllerischen Sinn — wenn sie nichl mißleitet
sind —, daß zum Beispiel ein blauer Farbfleck neben
einem gelben ihnen wohlgefälliger ist als ein gelder
neben einem grünen. Rot und Grün zusammen wird
fle fo lustig stimmen wie eine grüne Miese voll roter
Sommerblumen, Blau und Gelb wird sie dagegen
fromm und feierlich stimmen können, wie wenn sie
unker dem dunkelblauen Nachkhimmel und seinen
lichken Sternen ständen. —

Für den Pädagogen selbsl und für Lie Aufgaben,
die er den Kindern beim Malen elwa stellcn könnte,
bieken sich vielfältige Anrcgungcn dar in dem Teil
der Soetheschen Farbenlehre, der die sinnlich-sittliche
Wirkung der Farben behandelt. Denn Goethe be-
tonl ja nicht nur das, was das Auge sieht, wenn es
zum Beispiel die blaue oder rote Farbe wahrnimmt,
sondern auch was die Seele bei dem Blaucn oder
Nolen empfindek! Ein lebendiges, innerliches Far-
benempfinden kann er dem Erzieher und durch dicsen
den Kindern vermikkeln. Das kleinere Kind erlebt
ja noch seine ganze Umwelk phantasievoll-moralisch,
es bringt der „sinnlich-flttlichen Wirkung" der Far-
ben sein natürliches Bersiändnis enkgegen. Grün
neben Gelb nennt Goethe „Narrenfarben", von
Grün neben Rok aber sagt er in so schöner Weise:
„fle begcgnen und ergänzen sich zu einem beruhigten

Ganzen"; Gelb nebcn Blau gewähr! nach ihm „eine
einfache Befriedigung". Solche Andeulungen, aus
der Phankasie und dem Farbenempfinden des Lehren-
dcn ergänzt und ausgestaltet, in einer Sprache ge-
sprochcn, die dcm kindlichen Seelenleben verständlich
ist, skellen dem Kinde eine reiche FLlle der verschie-
denartigsten Aufgaben aus dem reinen Mesen der
Farben heraus. Solche Aufgaben nehmen den gan-
zen kleinen Mcnschcn in Anspruch, entwickeln seinen
Farbensinn, regen seiNe Phankasie an und sprechen zu
Gemüt und Willen.

Die Kinder kommen rasch von der philiskrösen Ge-
wohnheit ab, die Farben nur zum Austuschen vorher
hingezeichneter Gegenstände zu benuhen. Auf thren
Bildern sprechen die Farben dann selbst mikeinander,
es kann für die Kinder unker den verschiedenen
Farbcn sehr viel vvrgehen! Es isk spannend, zu be-
obachten, wie sie da ekwa das Blau w!e einen zarken
Schleier über ein Not legen können und wie daraus
ein frommes Lila sich gestalten kann oder wie Gelb
und Blau ineinanderfließen und etwas ganz Neues,
ein die Seele befriedigendes Grün, entsteht. Dann
nimml das Malen ebenso alle Herzensteilnahme in
Anspruch wie das schönste MSrchen.

Solche Empfindungen werden aber den Kindern
durch den lebendigen Verkehr mit den Farben zu
einem selbstverständlichen Besitz ihrer Seele. Ie weni-
ger der Lehrer durch Reden oder Erklären Lazutut,
um so besser wird es sein. Ein liebevoller kurzer
Hinweis aus dem eigenen, ernsthaft gepslegken Farb-
gefühl heraus genügk meistens, um dem Kinde das
ins Bewußtsein und in die malcnde Hand zu bringen,
was ohnehin in seinem Herzen, noch nicht voll be-
wußt, lebt. Oft wcrden die Kinder den Erwachsenen
bald an lebhastem, unmikkelbarem Farbenempstnden,
an Freude und fühlendem Berständnis für Lichtes
und Schattiges in ihren malerischen Bersuchen über-
treffen.

Zu KLnstlern werden ja immer nur die Kinder
werden, die ihr Senius dazu bestimmt, erziehen
kann man sie nicht dazu! Aber ein künstlerisches,
die Seele ungeheuer bereicherndes Wahrnehmen der
unzähligen, wunderbaren Empfindungsnuancen inner-
halb der Farbenwelt, die uns umgibt, kann der Er-
zieher als dauernden Gewinn den Zögllngen ins
Leben mitgeben. Zhr Seelenleben wird dadurch nicht
nur reicher, sondern auch wahrhastiger und gesünder
werden.

Die älleren Schüler der Waldorfschule kommen
dann dazu, die Farben auch zu mehr reallstisch-
naturalistischen Bersuchen zu verwenden, zum Bei-
spiel vom Farberleben ausgehend Landschasten und
landschaftliche Stimmungsbilder zu gestalten. Sie
werden angeleiket, Technisch-Aandwerkliches nicht
nur zweckenksprechend, sondern auch den Schönheiks-
sinn befriedigend auszuführen. Sie kommen zur Ber-
ferkigung kunstgewerblicher Eegenstände.

Aus der Anthroposophischen Mochenschrisi
für freies Geistesleben,
 
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