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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 3 (Mai 1924)
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Reinke, Oskar: Wege zur Entwickelung der Gestaltungskraft
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Stiehler, Georg: Unsere Arbeit im Zeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0068

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203

Ei»nc als Cxprcssionismus bczcichnc» iwnnen, sich
von dcr Äatur loslösen? Die .tzunst bcr priinitivcn
und der Naturvölker spicgclt sich auch in den be-
nutzten noluralistischen Niolivcn. Warum wollcn
wir dic slugend, dic so cng mit den Natureindrllckcn
verbundcn ist und in der intellektuellen Bildung in
die Natur eindringt, gewaltsam lostreihen?

Verschiedene Mittel sind gceignet, die Schüler in
eine anregende Skimmung zu vcrsctzen, die der
gleichzeitigen Aufgabe enispricht:

1. Gute Arbciten der Mitschülcr besonders mit
guten Farbstimmungen,

2. Gute Kllnstlerarbeiten,

3. Acutzerste Ruhe, Schlietzen der Augcn und
gleichzeitiges Anhöreck gulcr Musik,

4. Borlescn einer packendcn Schilderung, aus
Kunst und Lber Kunstwcrke, die zur Aufgabe in
Bcziehung stchen,

5. Lesen gutcr und leicht versländliä)er Bücher über
Kunst in dcr Zwischenzcit. (Schülcrbiblioihek),

6. Lichtbildvorträgc,

7. Berwendung der Ausgabe für prakkische Edel-
arbeit.

Aus ciner gründlichen Technik sind grotze und klar
crkannte Gesichkspunkke die Leitgedanken ftir die
Ausbildung ciner kraftvoll schöpferischen Persönlich-
kcit. Ein zielbewuhtes Schasfen entwickelt sich erst
nach einer Reihe von Aufgabcn bei den kalenkierten
Schülern, die unbcirrk einen richtig und klar erkann-
ten Weg unter späkerer Duldsamkeik des Lehrers
wcikerschreiten. Bei diesen muß stch dann die Ueber-
zcugung Bahn brechen: Ich habe hierfür Talent, so-
dah bci jcder neuen Ausgabe ein Ahnen geweckk wird,
das sich mit der Zeit in e!n Streben umwandelt. Ich
erinncre dabei an Menzels Worke: „Genie ist Fleiß".
Nichk zweckdienlich ist es, dcn ganzen Zeichenunker-
richt nur auf die Ausbildung von Künstlern und

Kunstrilkern zuzuspitzcn. Dadurch, daß Ausgaben,
welche klarc Wicdcrgabe und Darstellung ver-
langen, mi! anderen, dic den Inbegriss des
Säzönen umfassen, wechseln, tritt der Ge-
danke hervor, daß cine innige Wechselbe-
ziehung zwischcn dcm Handwerklichen und dem rein
künstlcrischcn Schafsen hcrrsä-en rnuß. D!e Spezial-
berufe (löngcnieure, Maschinenbauer, Geometer,
Landwirtc, Offizierc, Clekkrotechniker usw.) die die
Schüler späker ergreifcn, wollen ebensalls berllcksich-
kigt wcrdcn. Dieser Äücksichknahme wurde bisher in-
folge stärksker Kunstausbildung wenig Raum gewährt.
Eine auscrwählte Schülerzahl kann ein kunstbegei-
skertcr Lehrer in inniger Verbindung mik eigenen Ar-
beiten wohl kurze Zeik mikreißen; aber 380 Schüler
L4 Skunden in der Woche individuell zu leiten, daß
jeder Schülcr von Arbeitsdrang ergrlffen wird, ist
eine unmögliche Leistung. Das neue ergreift die 3u-
gend mik Begcistcrung; aber wehe, wenn das Neuc
alt wird! Ebenso darf die Schuldienstdisziplin nicht
vcrnachlässigt wcrden. Eine vom Schüler als richtig
crkannte Bcurkeilung im Zeichenunterricht für das
Zeugnis darf auch nicht ganz außer Acht gelasten
werden. Iede Klassenaufgabe zwingt zunächstzu einer
stcheren Erkenntnis von Fleiß u. Anfleiß. Eine Beur-
teilung mit den Schülern durch Vergleichen und Be-
sprechen am Schluß jeder abgelchlossenen Aufgabe
wirkk erzieherisch, aneifernd und ulärend, wie die Be-
sprechung eines Aussatzes zur Verbesscrung. Zum
Schluh hat der Zeichcnunterricht noch einen weiteren
Erzielzungsaustrag, nämlich diejenigen jugendlichen
Elemente zu zügeln, dle infolge teilweiser und ver-
kannter Erfolge unbändig und unbekümmert in kras-
sem Egoismus ein Stück Kunst vom Himmcl der Fan-
tasie reißcn wollen. Dieses Zicl gilt oft als wert-
voller, als jugendliche Himmclsstürmcr noch anzu-
spornen.

Ansere ArbeiL im Zeichnen

Vorschlag zu Ausschnitten aus dcr Schularbeit zur Vcröffentlichung in Kunst und stugend,
zusammengestellt von G. Stichler.

Zcichncn ist Ausdrucksgestaltung der Person;
cs stcht im Dicnst des gesamten Nnterrichts
und des Schullebens.

I. Enkfaltung persönlicher Eestalkungskraft.

a) Der scharf beobachkende, klar und
z w e ckenlsprecheNd darstell en'de
Mcnsch. Das Ecgenskändliche in Form —
Farbc, Bau; nach Lupen- und Mikroskopdar-
stellung.

b) Der vorstellende Mensch Merkform —
Merkfarbe — Merkstruktur; Reihenblldung:
u -s-b: Formreihe, Wachstumsreihe, Bewegungs-
reihe, Darstcllung von Lage, — Größe, — Pro-
portionsverändcrung.

c) Der urteilende — wählende Mensch.
Die Suche nach dcm Wesenklichen — d!e Ganz-
form. Anlageform — Grundform — Sachschema

— Typus; Skcigerung bis zur malhematisch-geo-
mctrisäzcn Form. (Merkmallehre — Grundform

— Erkcnnungs- — Ergänzungssorm.) Das fest-

stellcnde, mcssende Zeichnen. Hand-, Arm-,
Beinmaß: Lineal, Transporkeur, Lehre, Taster:
Kontrollmitkel. Schätzen, Disieren, Gegenflands-
meffen,qeometris6)-matbcmatisches Meffen. Beson-
dere Mekhoden: Quadrat — Fenstermekhode,
Pankograph. Darstellen in nakürlicher, verjüngker
Größe: Vergrößern. Neben Zeichnung die Pause,
das Ritzbild, das Lichtbild.

ä)Der denkende Mensch Das Gcgenständ-
liche bcgrifflich umgewertet: Statistik, Tabelle,
Kurve, Proftl, Schnitt, Diagramm, Formel und
Zeichnung, Echemata, Normen. Missenschafklicher
Text — Veranschaulichung, kritische Einstellung
zur Textillustration in Lehrbüchern: auf Richtig-
keik, Klarheit, graphische Deuklichkeik und Oeko-
nomie unkersuchen.

e)Der motorische Mensch, der rhyth-
mische Mensch. Dic Etakik der Form in Na-
tur und Kultur mokorisch nachschaffen; eigene
Körpcrbcwegung, Takk- und Enkspannungsformen
als Grundlage mokorischer Uebungcn. Enkspan-
nung sccliscyer Kräftc im Rhytbmus, die Neihe.
Skrahlung, Achsenanordnung, Füllung, Propor-
 
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