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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 3 (Mai 1924)
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Müller, F.: Lehrplanforgen
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Reinke, Oskar: Wege zur Entwickelung der Gestaltungskraft
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0066

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lcr". Ma» brauchc nur dcn „Siundcn- und Ar-
bciisplan cincr un'crcr höhcrcn Schulcn krikisch
durchzumuslcrn, um zu dcr Linsichl zu kommcn, daß
dcm sugcndli^zcn Gcis! hicr Unmöstlichcs zugcmutet
wird". Llus S. W wird gcsaZt, „dab werluolle Schti-
lcrarbcit uur aus bcruhiglcr Secle, aus Muße und
Freiheit erblühcn" könne. — Menn wir noch hinzu-
fllgen, daß aus S. 4S, wo oom Rcalgymnasium die
Nede isl, schr dringcnd vor dem „DilettantiSmus" gc-
warnt wird, dcr iich bei dcr Bcrkürzung dcr Stun-
dcnzahl ohne gleichzcitige Aenderung dieser Schul-
form ergeben würdc, so glauben wir, den Gelst der
neucn Reform, dic jede lleberlastung der Schüler,

jede Ucbcrjüllung dcr Lehrpensa ausschlicßc und da-
sllr in die Ticfc gchendc crzichcrischc Ärbcit lcistcn
will, genügcnd gekennzcichnck zu haben.

Lin Lchrplan, der dem Geisk der Resorm nicht cnt-
spricht, muh von diescr abgelehnt werdcn: es isk im
Grunde müszig, über ihu vicl Worte zu machen. Da
aber die Erfahrung lehrt, daß auch UnbrauchbarcS
schon recht oft Wirklichkelt geworden ist, soll man
die Vorsiä)t jcdenfalls nicht vcrgessen. Schließlich
mag jeder die Rute verdicncn, die er sich sclbst bindct,
doch wird nicht er allein damit gestraft, sondcrn auch
die andcrn, die bei der Hcrstellung zugesehcn yaben.

Wege zur EnLwickeLung der Gestaltungskraft

Oskar R ein k e, Iscrtohu sWestf.).

Dic Forderung, daß sich die schöpferlsche Kraft des
Schülers sclbständig cntwickeln soll, hak schon viel
Berwirrung bci jungen und älteren Zeichenlehrern
hcrvorgcrufen, sodaß sich viele Lehrer zum Teil die
Fuhrcrrolle haben entreißen lassen und zum Teil Lber
die Köpse der Schüler hinweg unterrichken. Für den
Zeickenlehrer mutz jtlarheik darüber herrschen, ob im
Zeichenunierricht nur bcsondcrs Begabte oder ob die
Gesamlhcii der Schüler zu kraflvoll schöpferischen
Persönlichkeiken erzogen werden soll. Welche Anter-
richtsmethode sührt sichcrer zum Ziel, elne leicht in
Tändclei ausarkendc Einzelleitung oder cin zielbe-
wuhter auf pädagogischer Grundlage aufgebauter
Klasscnunierricht mik wcitgchendsk^r Berücksichligung
der Einzelveranlagung? Für den Erfolg des Klasscn-
untcrrichis sind sorgfältig ausgewählke und uach
kunstpädagogischeu Gruudsähen und Erfahrungen ge-
ordnete Lntwicklungsoufgaben, die eineskeils jedem
Talente, jcder vererbten Berufsanlage und jeder
späkaren Berufswah! gerecht werden, anderseils
darauf Bedacht nehmen, die im Anterbewußtsein des
Schülcrs schlummernden Kräfie schrittweise zu wek-
ken, maßgcbcnd. Diesclben sind in dem Skreben nach
solgenden Zielen enthalten: 1. Ausbildung im be-
wußkcn Sehen, 2. Ausbiidung in der klaren Wieder-
gabe dcs Gcsehenen und Empfundencn, 3. Ausbildung
der Empflndungskrast für das Bersiändnis der Seele
des Kunstwerkes, 4. Ausbildung dcr selbständigen
schöpferlschen Kraft. stm Gegcnsatz zur früheren na-
kuralistischen Ausdruckskunst steht der Expressionis-
mus. Die durch ihn hcrvorgerufcne Berschiebung vom
gegebenen Eind.ruck zum gebcnden Ausdruck ist ein
Problem, das der Zeichcnlehrer nur nach reiflicher
Aeberlegung lösen kann.

3st das Aufsuchen und Erkennen charakleristischer
Merkmale von Dingcn der Auhcnwelt der Entwrck-
fiung einer schöpferischen Kraft dienlich? Eine zielbe-
wutzte Ausbildung unserer Sinne ist besonders auf
der Unkerstufe anzuskrebcn; aber all zu viele Gedächk-
nisaufgaben und Darskellungen vicler Modelle ver-
leiten die llugcnd, nur nach charakkeristischen Merk-
malen zu suchcn. Dabei verliert sre die Gabe, die
Welt nach ihrer Erschelnung einfach und in ihrcr
Wcchselwirkung auf die Secle aufzunehmen. Wenigc
klare und ziclbewußte Klasienaufgaben zwlngen
den Echülcr zur scharfen Beobachtung, nlcht die Ein-
zelverbesierung des Lehrers, dic durch Sclbsterkennl-
nis crsetzk wcrdcn muß. Dcr Bcrglelch dcr eigenen

Arbeit dcs Schülers mit bcsseren Schülerarbeiten,
wenn bei solchcn eine persönliche Lelstung ofsenkun-
dig heroorkritt, weckt verborgene Kräfie. Der Bor-
wurs einer Schemaiisierung des Unterrichts wird da-
durch widerlegt, daß die gemeinschaftlichen Beobach-
tungen und Vesprechungen wohl das Ziel der Auf-
gabe erkeunen lasscn; aber jeder Elgenart der Schü-
ler Gelegenheii gibt, auf eigrnem Wege die Lösung
zu suchen. Der Zroang, vom Einsachen zum Zusam-
mengesetzken und vom Leichten zum Echweren zu
schrelten, enkwickelt schriktweise die schöpferischc
Krafi deS Schülers zur freien Lntfaltung. Sleichzei-
tig erkennt der Schüler, datz einfache Aufgaben stär-
kere künstlerische Bekätigung verlangen als zusam-
mengesehke. Die Darstellung der Einzelteile eines
sarbigen Glanztopfes mii Zielangabe zwingk zur stär-
keren Entfaltung der schöpferischen Kraft ols eine
bildmähiae Wiedergabe des ganzen Topfes. Die
mcisten Künstler behaupten: „Die Kunst täßt sich nicht
lehren". Als gangbarer Weg zur Kunst ist aber die
Technik unentbchrlich, unü die Technik läßt stch
lehren. Beherrscht üer Schüler die Technik, dann
können sich auch die schlummerndeu Kräfte langsam
und sicher entsalten. Klarheit und Einfachheik smü
in der Ausbildung die Grundpfeiler der zeichnevischen
Darstellung. Wenn edles Makerial und Einfachheik
im Stoff für unser Bolk als Richtschnur für Lebens-
bedürfnisse dienen soll; dann muß auch der Zeichen-
unterricht sich diese Fvrderung zu nuhe machen. Wie
ost ist geforderk worden, mit den Schülern draußen ln
die Natur zu wandern, zu schauen und zu zeichnen;
der scharf beobachkende Lehrer erkennk bald ein zv
Dielcrlei, das den Schülern als Augenspeise vorgesetzk
wird. Nur ein geborenes Talent fühlt mit, wenn es
die Natur abzcichnet; aber der Durchschnittsschüler
geht leer aus. Ich erinnere dabei an den Ausspruch
pon Schwind: „Wenn einer an einem schönen Bäu-
merl so recht sein Lieb und Freud hat, so zeichnet er
all scin Lleb und Freud mitz und's Bäumerl schaut
nachhcr ganz anders aus, als wenn-s ein Esel schön
abschmiert." Eine Wechselwirkung tritt schon eher ein
be! dcr Aufgabe: Der Heimakort im Schaktenriß. Mie
erleichkern wir nun den Durchschnittsschülern die
Ausbildung? Könncn nicht scharf umgrenzke Auf-
gabcn auf den Schüler so einwirkcn, daß Zweck und
Ziel klar erkannt und für jeden erreichbar werden,
daß Fortschritte und Erfolge in der gefühlsmäßigen
Aufsasiung und Darstellung deuilich erkenubar und
 
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