Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

DOI issue:
Heft 2 (März 1924)
DOI article:
Graf, Gottfried: Schwarz-Weiß im Holzschnitt
DOI article:
Graf, Gottfried: Betrachtung der Holzschnitte
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0039

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
174

sehc ich eS ols Anfgabe meiner Schule an, den Aus- persönllchc Gestaltuugsprinzip selbst, das, als ord'

drucksroillen in die Bahn dcr kiinsilcrischen Gcstal- neNde tzenrmung in den Ablaufprozeß des pcrsön-

tung zu lenken, dle Kontrapunklierung der Schwarz- lichcn AusdruckswillenS cinacschallet, diesen zur

weißformmittel zu lehren. Lehrbar isl nichi das sub- Höhe der künstlerlschen Geslaltung, zum Stile führl.

sektive Erlebnis. die persönliche Auffasfung und Aus- Gotlfrieb Graf

druckSweisc. Lehrbar jedoch ist das allgemeine, über-

BetrachLung der Holzschnitte

Von Gotifried Graf.

Das Kunfiwerk als Organismus hat Leib, Seele,
Geist. 2m Leib ist Seele und Geist eingebildet. 2n
ihm und durch ihn erkennen wir Seelisches, Gelstiges
in der Kunst. Das Skreben aller Kunst ist: dem Gcist
eincn Körper zu gebcn, damit er in ihm wohnen kann.
N verdum csro ksctum ext. Kein großes Verk,
das in seinem Organismus nicht auch sein GcistigcS
kündet. 2m Kunstleibe verwirklichen wir das Gei-
stige. Gclingt es uns nicht, so bleibt es ungeschchen
und der Lcib tst vergebens.

Das Was bedenke, mehr bedenke Wie." Das
W I e istdie Tat, der Leib, das Was der Erund
zur Tak.

Kunftbetrachtung fängl mit den Augen an und nichl
mit dem Denken. Wer nicht klar zu den Sinnen
spricht, redet auch nicht rein zum Gemüt. Kunsl-
betrachtung ist nicht das Ilebersehen des Kunstleibes,
um in dcn Gegenstand oder den Stoff hineinzusallen.
und das Wesentliche in diesem suchen zu wollen.
Kunstbetrachtung ist vielmehr Linfuhlung und Ver-
senkung in den Organismus -des Kunstleibes, in seinc
Gcstalt und in seinen Stil, den er vom Künstler emp-
fangen hat. Denn darin drückt sich zunächst auch die
Persönlichkeit seines Schöpfers aus. Aber die Be-
krachtung des Kunstleibes schließt uns auch seinen
inneren Sinn auf. Kunst ist Schöpfung. In Kristall,
in der einfachsten Dlume kündet sich der Geist ebenso
sehr wie im Anblick der Sphären und die Betrach-
tung über das geringste 2nsekt öffnet den Busen
der Vatur.

Grundsätzliches über Schwarz-Weiß-Gestaltung ist
bereits niedergelegk worden. Die Konkrapunktierung
von Schwarz-Weiß mögen die Beisptele veranschau-
lichen.

Sihender Akt.

Das Was: Einfache Natur einfach zu gestalten.

Das Wie: 2n knappster Linienführung reckk sich
der Körper als HaupttrSger der Weißform hinein in
die Schwarzform. Weiß sleigt geschlosien vom unteren
und rechken Bildrand erst in wagrechker Bewegung
auf, in die senkrcchke Bewegung des breiken Nük-
kens mik den aufgestemmten Schultern und tritt dork,
wo der Ausdruck liegen soll, unmittelbar in Eegen-
sah zum Schwarz. Echwarz fSllt in grotzer Breike von
oben hernieder und am linken Bildrand hinunker.
Kaum daß sich die beiden GegensShe durchdringen.
Nur wenig geschieht dies und zwar in den schwarzen
Linien des Eegenstandes im Weiß und in der linken
Hand, wo sich Weiß noch am Bildrand befestigk: ge-
rade genügend, um die Schwarz-Weiß-Majsen mik-
einander zu verbinden. Der Gegenstand selbst hak teil
an Weiß und Schwarz. Am Kopf geht er in Schwarz
Lber, an den Beinen in Wciß und bekommt somit
seinen Halk in den beiden GegensStzen. Diese sind in
großcn Masien einander gegcnübergestellt und haben

dcn gemeinsamen Schwerpunkt nahc der Bildmittc.
— Man versuche die Beine des Aktes mit Schwarz
zu umgeben. Der Gegenstand würde weiß auf
schwarzem Grunde liegen, er würde „heraussallen".
Die GegenstSndlichkeit wärc überbetonk und dcr
Schwarz-Weiß-Organismus zerstört.

Betrachtung. Menschcndasein hoch und gc-
ruhig in zwiefacher Welt. Lrkenntnislicht in Finster-
nis, hingenommen als Schicksal. Aktives gegen Pas-
stves. Beides im harmonischen Menschen verbunden
in gemeinsamem Schwerpunkt. Das ist seine Größc,
scin Aineinragen ins Göttliche.

Gcneral von Gerok.

Das W a s: Bedeukende Natur bedeukend zu ac-
ftalten.

Das W i e: Hervorhebung des Eesichtes. Kcinc Sil-
houettenwirkung, peripherisch, sondern Dramakisic-
, rung vermitkels Durchdringungen von Schwarz-Weitz,
an bildwichtiger Stelle, konzentrisch. Schrvarz füllt
die ganze FlSche. Weiß dringt von oben herab ins
Schwarz, KSmpft mit ihm, bis es ihm die Formung
des Gesichts erlaubt, breitet sich etwas nach rechts, zur
leisen Äetonung des Hinterkopfes und Ohres, senkt
sich weiker mit leichter Führung über die Nangabzei-
chen hinunker zum unkeren Bildrand, mit kleiner Be-
festigung rechts. Schwarz-Weiß haben sich verfangen
und in ihrer Durchdringung den Kopf geschaffen. Das
Bild ist die lebendige Auswirkung der beiden Segen-
satzkräfte selbst. 2hr gemeinsamer Schwerpunkk liegk
in der Bildmitte. Der Gegenstand hok keil an beiden
Gegensätzen und so geht er unmerklich in die Kunst
gestalk ein.

Betrachkung. Geworden, geformt vom kos-
mischen Willen aus Sternennebeln, kritt ins Licht der
Erscheinung der Mensch. Tierhast, wo der Geist nicht
in ihn eingeht, götklich hier, wo der Geist in ihm
eingebildel ist und zu uns spricht durch die psrsonL.
2upiker-Augen und Mars-Wille am Mund. Eröße in
Schönheik und Tragik des Lebens. Wer blickt in dies
Gestcht ohne Ehrfurchk vor der Würde des Menschen?

Der aufskeigende Tag.

Das Was: „Der jungtz Tag erhob sich mik Enk-
zücken" ... stnnere Vorstellung vom aufsteigenden
Tag" nach außen zu gestalten, ist die Aufgabe.

Das W i e: Dramatisierung des Kampfes von Lichk
mit FinsterniS, übersetzt in Schwarz-Weiß. Man
denke flch die BildflSche zunSchst ganz schwarz. Weiß
dringt vom unteren Bildrand her ins Schwarz, gleitet
an der schrägen Linie links herauf, sich am linken
Bildrand haltend unü reckt sich rechks senkrecht em-
por, das Schwarz, die Nacht, stufenwetse „abzubauen".
2n der Mittc bleiben Trümmer von Schwarz zurück,
Zeichen dcs Kampfes. Sieghast darin steht in strenger
 
Annotationen