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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 1 (Januar 1924)
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Schlofz, Ludwig: Wille und künstlerische Begabung
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Groth, H.: Vom kunstgeschichtlichen Unterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0019

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D>c Pslcgc dci 5lunsl isl cilsv nic!)! nui cinc Aus-
gcibe dcr Äünsllcr, sondcru sic mus; ouü) cinc solchc
der Lalcn scln, cbcn in dcr jchigcn inaleiialislischen
Zcil, die in ollcm und jcdcm, was sic hcrvorbringl,
dcn Slempcl dcr Araschinc träül, Da dcr
Endzwcck der Kunst Schönhei! ' und innerc
Erhcbung isl, so kämpfl man, indem man dic Kunst
pflegk, g'cgcn allcs Hässtichc und Niedrigc, und licßc
man diesen Kainps schon in der Soiule beginnen, so
würde der Sinn und daS Versländnis schon in dcn
Herzcn dcr stugend Wurzel fasscn könncn für die
Schönheil, und die gulen Folgcn für dic ekhischc
Höhe cincS VolkeS könnken nichl ouSblciben,

Wenn in dcr Eescllschafk von irgcnd einein No-
mane, Theakerslück oder Gcdichk dic Rcde isl, finden
sich stcks cinige Damcn und Herren, dic es nichk zu
geslehen wagcn, daß sie diesc Kleinigkeik nichk gc-
lescn haben, und slammeln mik cincni verlegencn
Lächeln: „Ich glaubc es schon längsk gelesen zu ha-
ben, kann mich abcr nichk genau erinnern." Die
Furcht vor dcm Vorwurfe dcs Ungcbildekseins gibk
ihnen eine Lüge in den Mund. Wcnn ober "dic
Äede auf ein Kunskwerk kommk, äutzern sich die
mcisten ganz ungenierk, sogar mit cincm gewissen
Skolz: „Ach, ich bin ein Kunst-Analphabek!"
Da man aligemein glaubk, daß dieser „Kunst-
analphabctismus" unheilbar sei, kann er also kein
BildungSmangel sein, und es ist darum auch nichk
nokwcndig, ihn mit einer Noklügc zu bemänteln.
Leidcr ist im Bolk noch immer die Ansicht verkreken,
daß man zum Zcichnen eine bcsondcrc Begabung.
haben müsse. And doch isk die Liebc zur Kunsk und
der Trieb zum Geskalien dem Menscbcn angeborcn,
wie wir schön an der sogenannten Kindcrkunst sehen.

Bevor das Kind Lesen und Schreibcn lcrnk, zeich-
net !eS schon. Sein Zeichnen und Formen ist für
uns Erwachsene oft unverskändlich, aber für das
Kind hak es einen durch nichts zu ersetzcnden Wert;
es weijz damik wundervolle Dinge zu erzählen. Bald
kneket es aus Brot verschiedene Gestalkcn; bauk aus
Sand Häuser und Feskungen und schncidck aus Pa-
picr Tiere, Blumen und Soldaken. Und welche
Frcude, wenn das Kind Farbciskifte bekommk und
seine Zeichnungen auSmalen kann!

Dic Selbstbeläkigung des Kindes brauchk vorläufig
keinen Führer) es wäre sogar hinderlich, denn durch

Krilik odcr gar Geiingschützung der kindlichcn Ar-
beil KLnnlc das Kind sür iinmcr die Lust und Frcude
am Eeslallcn vcrlicucn.

ssn diescr Bciäligung dcS kZindes licgcn dic crsten
Kcimc seincr spälcrcn künstlcrischen Leistungcn, die
jich in ihrcr Eigenartigkeit osl schon im Knaben-
und Mädchcnaller im Zcichncn, oder in den Hand-
arbcilen crkenncn lasscn. sDer junge Canova bildeke,
als cr noch Küchcnjunge war, in der Speisekammcr,
in die ihn sein zürnender Mcister eingcsperrk hatte,
zur Ankcrhaltung eine Löwcngcslalt auS Bukker, nicht
ahncnd, dast dicscs Spicl sein Talenk ossenbaren und
ihni die Bahn zu scinem Berufe eröfsnen soüte.)

Auch späler, wenn schon der planmäjzige Zeichen-
unlerrichi bcgonnen hak, dars nian eS nie vergesscn,
doß das bitdhastc Gestalkcn immer die Entwicklung
des srcudcspcndcndcn 3nslinkteS im Kinde bcförderc,
und so a!s pädagogisches Miktcl wirke. Dcnn es isk
woh! eine Schulc des Zwanges zur Beoba6)lung
und VorskcüungSbildung. Weil es aber cinem an-
gcboienen Nalurkricb dcs Menschen cnkgegenkomml,
ist es, richkig gepflegi, glcichzcikig von der freudigen
Befriedigung dcs ünskinkkcS beglciket.

Gewiß: Kunst ist lim schassenden oder nachschaf-
fenden Sinne) etwas allgemein Menschliches. Sie
beruht auf Znkuikion der Mcnschcnseelc und kann
durch „harmonischc Mcnschenbildung" als Kultur-
blüke crzielt werden. veder Schüler kann die Sprache
der Kunst bis zu cinem gewissen Grade beherrschen
und jedenfolls vcrstehen lernen, sosern wir ihn dcn
richkigen Weg führen.

3n dem Werke: „Die Schule des Lerncns," gibt
der ungarische Kunstpädagoge: Karl Lyka, auf die
Frage: „was können wir vom Zeichnen als pädago-
glsches Miltcl erwarken?" solgende Ankwork: „For-
mulieren wir keine Theorien, sondern ünserer Me-
khode gekrcu, beobachken wir den Zeichncr selbst."
Pcskalozzi sagt in seinem Erziehungsbuche: „Wie
Gertrud ihre Kinder lehrt." „Aller Unterrichk des
Menschcn ist nichks anderes als d!e Kunsk, dcm Ha-
schcn der Nakur nach ihrer eigenen Enkwicklung
Handbickung zu lcisten,"' und „das Ziel allen Anker-
richks ist ewig nichks anderes und kann nichts an-
deres scin, als die durch die harmonische AuSbildung
der Kräfke und Anlagen des Menschen nakurcnk-
wickelke und ins Leben geforderke Menschlichkeik
sclbsi."

Vom kunstgeschichtlichen Anterricht

In den Nichtlinien für die Amgestalkung der Ly-
zecn und Oberlyzeen in Preuhcn isk die bishcrige
Kunstgeschichksskunde in der ersten Klasse gestrichcn
worden. Der kleine Borteil, der den Niädchen in
kunsterzieherischcr tzinsicht den Knaben gegenüber
zuteil wurde, ist ihnen damit wicder genommen. Mik
Berwunderung wurde allerseiks von dieser Maß-
nahme Kenntnis genommen, und wcil für die Strei-
chung dcs kunskgeschichklichen Unterrichks kein ersichk-
licher Grund angegeben wordcn war, so war nicbks
nakürlicher, als daß danach geforschk wurde. Dic
Nachfrage ergab, daß die Erfolge dieses AnkerriöitS
nicht den Erwarkungcn cnlspraäzen, die an die
Kuirskgeschichksstundc gcknüpft wordcn waren, und
daß kiebcr diesc Sknndc sortfallen sollkc, als daß

Wertloses vermiktelt würde. Dieses Arteil mag
dort zu Rccht beskehcn, wo der Kunstunkerrichk in
seinsr Bedeutung für die Iugend nichk erfaßt worden
ist, aber es stehen sich hier auch zwei Ansichten gc-
genüber, kunstwisjenschaftliche Genauigkeit auf der
einen Seite, praktische kunstpädagogische Erfahrung
auf der anderen Seike, d!e wegen ihrer verschie-
dcnen Fordcrungen gceignek sind, dem Problem der
Kunsterzichungssrage wciteren Skoff zur Klärung
zu gcben.

Es handelk sich hicrbci um eine Frage von kul-
turcller Bedeutung, bei der zu eiikscheiden ist, ob
das Wissen von Kunstdingcn bci der Erzichung eine
so ncbcnsächlichc Bcdcutung hat, daß dic gclegent-
liche Bermitklung kunskgeschichtlicher Kcnntnisse in
 
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