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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 1 (Januar 1924)
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Gutman, Emil: Die Harmonie der Formen, [2]: eine Buchbesprechung
DOI Artikel:
Thiele, Wilhelm: Was ist Kunstgewerbe?
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0016

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131

uiilerricbls wcinci cirinrn. Nichis isl wcbl vcrkehricr,
als t>ir wisicnsckcisllichc Vchcmdlunstswciso, d, h. dic
cibslrniil-inclhodischc und snslcmnlischc auc!> iin Aunsl-
unlcrrichl zu vcrlangcn, dcr - wic O sl wnld Scile
1K sag! — „nacl> dcrarlisicr fführung rusl, jo schreit".
Daß dics dcr Vcrsasscr, vielleichi unbcwußl, sclbst
fühlt, könnle aus seincn weiteren Wortcn an diescr
Slclle hcrvorgehen. Ganz unvermittell sü>rcib! er dort
rnitlen in dcn Ausführungen über die Gcschli6)kcilen
dcr Linicni „Auch jctzl, wo in dem vorlicgendcn Werk
dic Bahn dozu gcbrochen ist, wcrden noch viclc Iahre
vcrgehcn, bcvor dic Vcrtrcler dieses Gebiels sder
Liunslwisscnschast) sich auf den neuen Wcg wagen
wcrden. Fehlcn doch den melsien nicht nur die Kennt-
nisse dcr Mathelik und der Geometrie, wclchc die
Boraussctzung zur Pslegc der Formharmonik bildcn,
sondern es fehll ihnen vor allem jeiies wissenschafl-
liche Dcnkcn, wclck>es zum Bersländnis der hier vor-
licgcndcn Ausgabcn unbcdingl ersorderlich ist. ES ist
dahcr crklärlich, daß sie sich jedcm Vorslojz in solcher
Richlung, die von dem ihrcrseiks gcpfleglcn unsruchl-
barcn HislorismuS weik abführt und cinc slrcnge ge-
danklichc Arbeit verlangt, mit besinnungsloser Leiden-
schafl widersctzen, wenn das zunächsl gehandhabte
Tolschwcigcn nicht mehr ausrelchen will."

Dicscr reichlich tempcramcnlvollc Angrlss ous olle
künsligen Gegner nimml nalürlich dcn gcmachlcn Cin-
wcndungcn, dic sich gcrade g e g c n die „wissenschasl-
liche" Bchandlung und gegen die „gedankliche
Arbcil" bci Kunst und künsllcrischen Formsragen
wendel, nichl ihrc Berechligung. Eine Organisierung
der Formen vom Standpunkl eines formaliskischen
Materialismus oder malcrialistischen Formalismus,
der das Kleid zur Hauplsache machl, das Wesen aber
unberührl lätzl, mag vielleicht wissenschafllich hohe
Anerkennung verdienenz kunslunterrichllich im Sinne
eincr Fördcrung dcr kllnstlerischen und kunstschöpfe-
rischen Gcslalkungskräfte wird sic trohdcm abzulehnen
scin.

Aach dein Wcnigen, was wir hicr anführen konn-
lcn, wird eine Formuntcrweisung, die auf den
geistig-seclischen, den idealen Wesens-
gehalt der Form keine oder zu wcnig Rücksicht
nimml, die die Forin nur als matericlle Realität be-
krachlet und sie nicht als Hülle, wclchc das Gcistlge
zum Bild scincr selbsl geslallel, ausfaszk, wohl kaum
auf dem rlchtigen Weg seiir können.

Freiburg i. Br. Dr. E. Gutman.

Was ift Kunstgewerbe?

Von Profcssor M i
Direktor der Kunslgewcrbc- un?'

Es gibt Berufe, deren soziale Struktur sich seit
Iahrhundcrlen nichl geändert hat; jcdcrmann weijz,
wclches dcr Weg ist, wie man Gärtncr, Tischlcr,
Bäcker, Arzk, Lehrer und Geistlicher wird, wie sich
diese Bcrufe im Wirlschafksleben betäligen, und wie
man darin sein Brot verdienen kann. Andere Be-
rufe, wie die des Agenten, Ingenieurs, ferner die
künsllcrischcn und literarischen Berufe sind weniger
scharf umrissen: nur ein kleiner Kreis diesen Berufen
näher Slehcnder hat e!n klares Bild von deren
Werdcgang, Arbeitsweise und von ihren Ent-
lohnungsverhältnissen.

Einc sast allgemeine Ilnkenntnis abcr bestehk über
den Beruf dcs „Kunstgewerblers" und der „Kunst-
gcwcrblerin". Und doch ist ein starkcr Zudrang zu
diesem Beruf vorhanden, das Wort Kunslgewerbe
schcink eine ähnliche suggestive Anziehungskrast aus-
zuüben, wie das Wort Fremdenlegion, >n die immer
wieder junge Leute eintreten, ohne auch nur die ge-
ringste Vorslellung davon zu haben, wie nach ihrem
Dienslantritk in die Legion das Tagewerk der nun
kommenden Tage und Iahre ablaufen wird. Ähnlich
wic das Wort Fremdenlegion vor dem geistigcn Auge
romantische Bilder aus 1001 Nacht, die Vorahnung
von Hcldentaten und Abenkeucrn hervorzaubert, so
scheint das Work Kunstgewerbe die Hofsnung auszu-
lösen, aus ein Leben in künstlerischer Freiheit, auf eine
Art geistigcr Führung des Handwerks zur Schönheit
und „Oualitätsarbeik".

Es !sl interessant, zu beobachten, wic vicle jungc
Leuke sich zum Bcsuch dcr Kunstgcwcrbcschule anmel-
den, um das Kunstgewcrbe als Lebensdcruf zu er-
greifen, ohnc auch nur die geringste Voislellung davon

lhcl m Thiele,

^äirdwerkerschule Lharlotlenburg.

zu haben, wie sie dabei ihr Brol verdicnen können.
Bei den Aufnahmebesprechungen pflege ich folgende
Fragcn zu slellen, die fast regelmäßig ziemlich gleich-
artig beantworket werden: Erslens: „Wollen Sie das
Kunskgewerbe als Lebensberuf bekreiben, oder wollen
Sie es zur Dervollkommnung ihrer allgemeinen Aus-
bildung pslegen, ähnlich wie ein junges Mädchen, das
Klavicrspielen lernt?" Damit scheidet bereits eine
große Zahl aus. Denn für die letzkeren können die
aus staaklichen oder städkischen Mitteln unkerhalkenen
Kunstgewcrbeschulen nlcht sorgen. Das ist Sache pri-
vaken Unterrichtes. Zweitens: „Weshalb wollen Sie
Kunstgewerbler werden?" Die Ankwork lauket mehr
oder weniger verschämt stets: „Weil ich glaube, dazu
besonders begabt zu sein; denn ich zeichne gern und,
wie ich glaube, gut." Dritkens: „Was wissen Sie vom
Kunstgewerbe? Was i s t Kunstgewerbler?" Die Folge
dieser noch naheliegenden Frage ist regclmäßig zuerst
ein ctwas erschrockenes Schweigen; dann kommt
zögernd die Antwork: „Nun, ich machc dann Enkwürfe
für 2nnendekorakion, Buchschmuck, Stoffe, Tapeten,
Plakate, Stickercien, Wandmalereicn, Schmuck und
— neuerdings besonders beliebt — Modezeichnungen
und Kostümenkwürfe." Vierkens: „Angenommen, Sie
haben nun alles das erlernt, was Sie da aufzählen,
wie denken Sie sich denn den geschäfklichen Teil Ihrer
späteren Tätigkcit, den Verkehr zwischen Ihnen und
den Firmen, die all diese schönen Dinge ausführen
sollen, und vor allem d!c Art Zhrer Entlohnung
dafür?" Darauf laukct slcts die Antwort: „Das weiß
ich nichk."

Nun sind es nicht die Durchschnitksmenschen, fon-
'dern die vom Schicksal mik besonderem Streben, ofk
 
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