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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 4.1924

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Heft 3 (Mai 1924)
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Kolb, Gustav: Abbau und Pflichtstundenzahl der Zeichenlehrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.22225#0073

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20«

Forlschrillen dcS Zelchcn- und 5iu»stimlcrrichiS um
Iahrzehulc zurli6n Gcrvis;, vor !il) Icihren, als man
im «eicheiiunlerrichl noch vorwiegcnd ornamentale
Borlagcn kopierle war dieser Ilnterrichl ein in sci-
nen Zielen und AuSwlrkungcn cng bcgrcnzlcS Fach,
das in ersler Linic lechnische Fertigkcitcn vermitleln
wollte. Dah sich der heulige Zeichen- und Kunslunter-
richt nicht nur an „Auge und Hand", sondcrn an die
edclsten Gelstes- und Seelcnkräfle wendek und cine
wichlige Erzlchungs- und BildungSausgabe innerhalb
des allgemetncn Erzlehungsplanes zu ersüllen
hat, den keln andcres Fach lösen kann, das
feststcllen zu müssen, sollte heute nichk mehr nötig
sein. Ein Ilnkerricht, dcr das Ziel verfolgt, die Ge-
staltungskräfte deS jüngen Menschen, seine Anschau-
ungs- und Phantasiekrast, sein Formen- und Farben-
gedächtnis, seincn Sinn frir Äalur, Technlk und
Aunst zu wecken, kann doch nicht als ein mlnder-
wertigcr teäznischer Ilnterricht betrachtck werden, der
die Zeit und Kraft des Lehrers in geringerem Maße
in Anspruch nimmt. als ein andercr Ilnkerricht.

Die Anschauung dcs Reichsfinanzministcriums stehk
übrigens in schrosfem Gegensah zu der deS preuhi-
schen Ministcriums sür Wissenschafk, Kunsk und
Bolksbildung, wie sie in der Denkschrist „Die Neu-
ordnung des preußischen höheren Schulwesens" zum
Ausdruck kommt. Hier wird mit besonderem Nach-
druck erklärt, dah bei den Kunstsächern (Zeichnen
und Musik), die man ntcht mehr als „technische"
Fächer ansprechen sollte^ nicht das „Technische der
Ausbildung" zur Frage stehe, sondern das Kunst-
erzicherische, d!e Lberwindung der rein intellektuellen
Bildung durch die Einbeziehung der Kunst In die
humanc Pcrsönlichkeitsbildung".

Es geht nicht an, die Ilnkerrichtsarbeit, die heule
dem Zcichenlehrcr obliegk, mit dem Mahstab, der
vor 30 Iahren angebracht war, zu messen. Daß der
heutige Zeichen- und Kunskunterricht ein bcsonders
anstrengender Ilnterricht ist, wurde von andcren
Leyrern, d!e Gelegenheit haklen, auf diescm Gebiete
Erfahrungen zu sammeln, wicderholt in der Lehrer-
presse hervorgehoben. Dah allein schon — abgesehen
von anderen Gcsichkspunkten — die einseitige, lang-
andauernde und unausgesehte Anskrengung ein und
desselben Organes, nämlich des Auges, dersclben
Muskclgruppen, die Erregung derselben Empfin-
dungszentren eine gcrädezu aufreibende
Anstrengung darstellt, legke ein anerkannter
Augenarzt, der sich die Mühe nahm, die Anfordci un-
gen, die der Zeichenunterricht heule an den Lehrer
stellt, durch grüiidliches Sludiiim »enucn zn 1er en,
in einem eingehenden wissenschafklich begründelcn
Gutachten vor dem Krieg nieder (siehe „Kunst und
Iugend" 1S1P.

Wenn in dcm Crlaß deS Rcichsfinanzminislers bc-
hauptet wird, der Zeichenunlerrichi bcanspruche keine
umsangreichen Vorbereitungen seikens des
LehrerS, so traf das früher allcrdings zu in einer
Zeit, als in den bchördlichen vorgeschriebenon Bor-
lagenreihen der Aufbau des Ilnterrichks. der Stofs-
plan und der Skuscngang gcnau festgelegt waren.
Heute muß jedcr einzelne Zelchenlehrer seinen Un-
terricht nach dcn jeweiligen örtlichen, zeitlichen, per-
sönlichen und nach den besonderen Schulverhältnlsien
seibst gestaltcn. Der Zeichen- und Kunstunter-
richt kann also nicht wic manche anderen UnterrichtZ-

sächer nach cincm Leilfaden odcr cinem ins Einzeln
gehenden Skossplan erteilt wcrdcn. Wie könnle nun
aber ein Ilnlerricht, der aus dem Leben der Schüler
und dcr Schule herauswachscn muß, der g e w i s s e n-
hafien, täglichen Borbereitung ent-
behren?! Die Dorbereitungcn sind abcr um so
zeitraubender als sie nichk nur schriftlicher, sondern
meist auch noch zeichnerischer Darlcgungen bedürfen.

Neben dieser täglichen unmlttelbaren Borbereikung
des Zeichenlehrers auf die einzelnen Ilnterrlchtsstun-
den muß eine dauernde mikkelbare Borbcreikung ein-
hergehen. welche die gesamle berufliche Wirkungs-
zeii umfaßk. Der Zeichcnlehrcr hat sich nichk nur mit
den Gebieten der Kunstgeschichkc, der Aesthetik, der
Psychologie und Unterrichtslehre, sondern auch niik
den täglich wechselnden Erscheinungen auf den Ge-
bicten der Kunst und dcs Kunskgewerbes auf dem
Laufenden zu erhalten, zumal das ihm anverkrauke
AnlcrrichtSgebiet wie wenige andere Fächer der
Schule den Wandlungen des geistigen Gesamtbe-
wußtseins der Zeit unterworfcn u. deshalb seit stahr-
zehnten dauernd im Flus; isl. hinzulreten muß noch
die fortwährendc eigenc Bctäligung auf den vcrickie-
nen künsllerischen Gestaltungsgebieken, die sür jeden
Zeichenlehrer unerläßlich ist. Denn: wer die Ge-
staltungskräfte anderer entwickeln will, muh scine
eigenen Gestaltungskräfke dauernd üben. muß sich
mit den verschiedenen neu auftauchenden Eestal-
tungsproblemen durch eigene Arbeit auscinander-
sehen. Daß die Zeichenlchrer diesen Pflichten auch
taksächlich nachkommen, können sie jederzeit an dcr
Hand ihrer Arbeiten nachweisen.

Ferner, es ist auch nicht zutreffend, daß die Zei-
chenlchrer keine Zeit und Kraft für Korrektu-
ren außerhalb der Ilnterrichkszeit aufzuwenden ha-
ben. Zur Bcurkeilung des selbständigen Könnens
der Schüker sind, wie in andere» AnterrichtS-
fächeru von Zeik zu Zeit Klassenar-
beiten ohne jeden Einfluh des Lehrers in bestimmt
festgesehker Zeit anfertigen zu lassen. Diese sinü vom
Lehrer eingehend durchzusehen und auf Grund feiner
Aufzeichnungen und Korrekkurcn in der folgendcn
Skunde mik der Klasse zu besprechen. Bci den vielen
Klasfen, die dem Zeichenlehrer anvertrauk sind und
bei der zeitraubenden Art des Dergleichs der Schü-
lerarbeiten mit dem Modell und der unter Amskänden
notwcndigen Richtigstellung ist diese Korrektur außer-
halb des Ankerrichts eine beträchtliche. viel Zeit und
Kraft in Anspruch nehmende Arbeitf Bei Besich-
iigungen des Zeichenunkerrichts wird ja auch tatsäch-
lich nachgcprüsk, ob der einzelne Lehrer diese Kor-
rektur, ohne die eine richkige Förderung des Schülers
unmöglich ist, gewissenhaft und sachgemäß ausüdk.
Bei der Beurkcilung der Znanspruchnahme des Zci-
chcnlehrers sollte auch nicht übersehen werden seine
mannigsachen künstlerischen Arbeiten im Dienst dcr
Schule und der Oesfentlichkcit, die als Ehrenaufkräge
nic bezahlk wcrden.

Wir stellen unsere Arbcitslast nicht deshalb ins
Lichk, weil wir ein bequemes Leben führen wollen.
Im Gegenteil: wir sind uns unierer Pflickten wolK
bewußt und wollen alle unsere Kräfte in den Dienst
unseres armen Bolkes und unserer elugend stellen.
Durck eine ungerecktfertiatc quantitative Vetastung
die Lber unscre Kraft geht, wird uns aber elne zeit-
gemäße Weiterbildung und cine qualitakive Durch-
 
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