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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Wöhrn, G.: Teresa
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0040
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Mutter zu nehmen. Vergeblich flössen Teresa's
Thränen, die händeringend stand, vergeblich tönte
das Flehen der greisen Mutter zu seinen Ohren, —
sein Entschluß stand sest, unwiderruflich) er ver-
ließ die Hütte, das Asyl stiller Häuslichkeit, und
ging, ausgerüstet mit Waffen und Munition, nach
Rom. —
Monate waren verflossen, die Zeit hatte mit
gewaltigem Flügclschlage menschliche Illusionen zer-
stört und äußerlich schien der Friede wieder eingczogeu
zu seiu in den Gefilden der Romagna; Guglielmo
aber war noch nicht znrückgekehrt in die Hütte, in
welcher während dieser Zeit so viele Thräncn ver-
gossen wurden. Hatte eine französische Kugel sei-
nem Leben ein Ende gemacht, oder schmachtete er
in irgend einem der Gefängnisse Roms, — Nie-
mand wußte das zu sagen.
Verwaist stand die Hütte und ihre Bewoh-
nerinnen, wenn auch nicht schutzlos, denn der
schmucke französische Sergeant-Major, der sich bei
den beiden Frauen cinguartirt hatte, indes; die
Mannschaft seiner Abtheilung in und um Albano
vcrtheilt lag, wäre wohl gerade in diesen Zeiten hin-
reichendem: Schutz zu bieten befähigt gewesen, als
Guglielmo selbst. Auch war dem galanten Fran-
zosen die Liebenswürdigkeit Teresa's nicht ent-
gangen, doch ehrte er ihren Schmerz um den ver-
lorenen Gatten und suchte seine angeborne Galanterie
so viel als möglich in Theilnahmc an der Armen
Schicksal zu wandeln.
Monsieur Longjean war Soldat mit Leib
und Seele, streng in seinem Dienste, propre vom
Scheitel bis zur Sohle, dabei aber die gntmüthigste
Haut von der Welt. Er radebrechte mit den Frauen
die Landessprache, so gut cs eben gehen mochte,
und wenn er mitunter die italienischen Wohllaute
so recht malträtirte, gelang cs ihm zu seiner größten
Freude Wohl, eiu sanftes Lächeln Tcrcsa's Lip-
pen umspielen zu sehen.
An dem Tage, von welchem der Anfang un-
serer Erzählung spricht, war der Sergeant-Major
in Dienstsachen nach Rom gegangen und die Frauen
allein zu Hause. Es wird unsere Leser wohl kaum
ermüden, wenn wir den schönen Tag benützen und
uns im Gedankenfluge auch nach Rom begeben,
ohne indessen gerade Monsieur Longjean zu
folgen, der seinen trockenen Dicnstgeschäften naeb-
zugehen hat.

In der verrufensten Straße Roms, in einem
Revier, wohin sich selbst beim Hellen Tage kein
ehrlicher Mensch zu gehen wagt, befand sich zu
jener Zeit — jetzt ist sie aufgehoben — eine Lokanda,
deren Besitzer Girolamo allgemein für den ge-
fährlichsten Banditen galt, ohne daß ihm je ein
Mensch auf den Sprung gekommen wäre. In diese
elende Herberge führen wir unsere Leser.
Um ein großes leeres Weinfaß, das die Stelle
des Tisches vertrat, saßen auf derben hölzernen
Stühlen vier zerlumpte, bewaffnete Männer, deren
erster Anblick selbst den Muthigsten etwas in Ver-
legenheit gebracht haben würde, so verthiert er-
schienen sie in ihren langen struppigen Bärten und
Haaren, die Wohl lange durch keinen Kamm
mehr gelaufen sein mochten. Die strohumflochtcne,
schmutzige Foglietta, gefüllt mit dem dunklen Reben-
blute, kreiste wacker bei den Vieren, indeß sic
während des Trinkens ein lebhaftes Gespräch führ-
ten. In einer Ecke des kellerartigen Gemaches, durch
desseu schmutzige kleine Fenster kaum der Strahl des
Tageslichtes drang, saß ein Fünfter in dumpfem
Brütcu in sich selbst versunken, ohne sich wie es
schien um die Auderu zu bekümmern.
,, Maladetto über die französischen Spür-
hunde!" brüllte mit heiserer Stimme jetzt der wil-
deste von den Vieren. „Wir dürfen die Nase nicht in
die freie Luft hinaus strecken, ohne von solch einem
Menschenjäger nusgeschnüffelt zu werden! Was
meinst Du, Bencvoluto, wcuu wir uns in die
Abruzzen zu flüchten versuchten, um uns dort mit
den Leuten des Potozzi zu vereinigen? Sicherer
sind wir jedenfalls als hier, wo selbst meine Lo-
kanda, die nie ein Polizeimann zu betreten wagte,
keinen Schutz mehr bietet!"
„Wohl gesprochen, Girolamo," erwiedcrte
der Gefragte, „aber wie wollen wir aus dem Bereiche
Roms hinauskommeu, das wie mit einer lebenden
Mauer vou dcu Franken so umgürtet ist, daß kaum
eine Maus retirircu köuute, wie viel weniger wir,
deren Signalement seit heute an allen Straßenecken
der Stadt figurirt? Was meinst Du, Pedrillo?"
Zudem er die mit ciuem tüchtigen Zuge ge-
leerte Foglietta aus den Tisch setzte und den wilden
Bart, der kaum den Mund erblicken ließ, mit den
dicken Fingern auseinander strich, fing der Dritte an:
„O, über uns Strohköpfe, daß wir, um die
sreiheitöbegeisterten Narren immer weiter und weiter
 
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