Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

DOI Heft:
Wöhrn, G.: Teresa
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0039
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Teresa.
Erzählung von G. Wöhrn.

Heiter sendete die Sonne Italiens ihre be-
lebenden Strahlen auf die reizenden Thäler und
Landschaften der Romagna, gleichsam als wollte
sie Herzen und Gemüther der Menschen unter diesem
Himmelsstriche, welche während der Schrecken des
Bürgerkrieges sich mit Gleichgültigkeit den Reizen
der Natur ringsumher, verschlossen hatten, nun-
mehr aufwecken aus ihrer Apathie, erwärmend die
Schlösser und Bande sprengen, mit denen Krieg
und Aufregung sie umgürtet. —
Papst Pius !X. war wieder eingezogen in den
Vatikan zu Rom, Frankreichs Krieger durch-
streiften die Romagna, um die zusammengerotteten
Haufen des Pöbels, die Nachzügler jeden Krieges,
im Zaum zu halten. Die dumpfe Luft, fo über
den Gemüthern der friedlichen Bewohner beengend
gelegen war, hatte in den Gewittern des Krieges
sich gereinigt und ruhige Sicherheit unter den Aegi-
dicn des Gesetzes war zurückgekehrt in die Herzen
Aller, denen an der Ruhe und Sicherheit lag.
Keineswegs aber erfreuten sich dessen Straßen und
Wege schon allerorts, ja sogar Rom selbst barg in
seinen vielen riesigen Ruinen, welche den Blüthe-
zeiten der Weltstadt entstammen, noch so manche
Bande räuberischen Gesindels.
Um diese Zeit lebte in einer Hütte, drei Stun-
den von Rom entfernt, eine kleine Familie, welche
diese Vorgänge wenig berührt haben dürften, wäre
nicht das theuerste Glied derselben, Guglielmo,
hingerissen von nicht zu überwältigender Leiden-
schaft, in die politischen Verhältnisse seines Vater-
landes verwickelt worden.
Hart an einem sanften Hügelabhang, der als
letzter Ausläufer der Appenniuen zu betrachten ist
und in einem kleinen See seine natürliche Grenze
findet, zum Gebiete von Albano gehörend, liegt
die Hütte, einst der Wohnsitz des reinsten Glückes
und stiller Zufriedenheit, bewohnt von drei Men-
schen, welche in dem blühenden Garten der Natur,
der sie umgab, aus jeder Pflanze reine Wonne und

Gottvertranen sogen, bis im Geleite der Revolu-
tion auch sie ein finsteres Geschick erreichen sollte.
Guglielmo hatte vor kaum einem Jahre
seine Teresa heimgeführt in die stille Wohnung
des Friedens. Eine ganze Welt fand er in ihrer
und der Mutter Liebe, die ihm des Lebens Müh'
und Sorgen znm leichten Spielwerk machte.
Teresa war die prächtigste Blume im Garten
Italiens; reich ausgestattet mit Schätzen des Ge-
mütheö und der Seele, geschmückt mit allen kör-
perlichen Reizen, blühte sie und wuchs wie ein
wundersames erotisches Gewächs unter den Töchtern
Albano's empor. Nicht gering war die Anzahl der
Neider Guglielmo's, als er nun „die Wunder-
blume von Albano" — dieser Beiname war Teresa
zu Theil geworden — zum Altäre führte.
Er Pflegte seine Blume auch mit jener Auf-
merksamkeit, mit der nur Blumenfreunde, welche
ihre Lebcnsbestimmung darin finden, die selten- -
stcn Exemplare ihrer Pflanzenwelt behandeln. Im
rosigsten Lichte strahlte ihm das Gestirn der Liebe,
bis er eines Tages, — er hatte Oliven nach
Nom geliefert, — in seinem Acußeru gänzlich ver-
ändert von dort zurück kam. Eine wilde Gluth
durchströmte seine Adern und ließ die sonst ruhigen
Züge fast unkennbar werden; Leidenschaften, die er
bis jetzt nicht kannte, hatten sich der Seele des jun-
gen Mannes bemächtigt und wurden von der innern
Heftigkeit seiner südlichen Natur zu vollen Flammen
angefacht. — Rom war im Aufstande begriffen,
Guglielmo hatte die begeisterten Reden der
Leiter des Volkes gehört, — hingerissen von der
Macht der Beredsamkeit, war sein ganzes Seelen-
leben in eine andere Phase getreten, wurde eine
Saite in seinem Innern berührt, welche besser un-
angetastet geblieben wäre.
Italiener mit Leib und Seele, leidenschaftlich
und leicht hinzureiften wie alle seine Landsleute,
schwor Guglielmo zur Fahne der Revolution und
war nur zurückgekommen, Abschied von Weib und
 
Annotationen