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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Allerlei
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0043
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Allerlei

Das IXon plu8 ultra
oder
dcr Lirbt Macht und ihre Grenzen.
Humoristisches Gedicht von G. Wöhrn.

In dem Saal, in bunter Reihe,
Weilt der Damen reicher Kranz,
Höher färben sich die Wangen,
Schon beginnt auf's Neu' der Tanz.
Musternd mit der Goldlorgnette
Streift ein feurig junger Mann,
Ob Blondine, ob Brünette
Ihn zum Tanze locken kann.
Nein, nicht mustern will er; — suchend
Streift sein Auge — über's Glas:
„Jenes fremde Engelsköpfchen
„Mit dem Kleid von rother Gaze,
„Zweimal wie auf Engelsschwingen
„Schwebt' ich schon mit ihr dahin,
„Ach, ihr Herz mir zu erringen
„Wär' der Liebe Hochgewinn!"
Jetzt erblickt er sie. Mit Beben
Naht er ihr. Hoch klopft sein Herz.
Sehnsuchtsvolle Seufzer pumpt er
Aus der Brust voll Liebesschmerz.
Lange Zeit nach Worten schnappend,
Wie ein Fisch an freier Luft,
Sollt' es endlich ihm gelingen, —
Räuspert dreimal sich und ruft:
„Himmlisch Wesen, holde Göttin!
„Ach, in Lieb' bin ich entbrannt!
„Ohne Sie kann ich nicht leben,
„Hab' bis jetzt sie nie gekannt.
„Ihnen überall zu folgen, —
„Ueber Land und über Meer,
„Ja selbst durch die blauen Lüste, —
„Schwor mir's zu, Parole ä'üommue;"
„Bis Sie mir das Jawort geben,
„Bis Sie einst aus ewig — mein!"
Schüchtern sprach daraus die Dame:
„Sollt' es wirklich möglich sein?
„Alles wollten Sie verlassen?
„Ueberallhin folgen mir?" —
„Holde, ja, bei meinem schönen
„Backenbarte schwör' ich's Dir!"
So viel Liebe mußte siegen,
Leise lispelt sie ihm zu:
„Morgen Nachmittag im Prater
„Kommen Sie zum Rendezvous.
„Wenn Sie alsdann noch so denken,

„Will die Ihrige ich sein!"
„O ich komme!" ruft er feurig,
„Ewig mein nnd ewig Dein!"

Andern Tags ward die Toilette
In sechs Stunden kaum gewahrt;
Von Kosmetik und Pomade
Glänzten, — strahlten Haar und Bart.
Jetzt die eierdottergelben
Glacehandschuh' angcguält, —
Ohne diese zu erscheinen,
Ist verpönt in seiner Welt, —
Nnd nun stürmt er in den Prater
Durch die Menschenmenge hin;
Seine spitzen Ellenbogen
Schafften mächtig Platz für ihn.
Plötzlich steht er vor der Holden,
Und sie spricht, erröthend schier:
„Sind Sie wirklich noch gesonnen,
„Ueberall zu folgen mir?" —
„Ja, ich bin's, ich schwör's noch einmal,
„Ueberall, auf Schritt und Tritt!
„Ach, erhöre meine Liebe!
„Holdes Wesen, nimm mich mit!" —
„Nun, so bin ich denn die Ihre!" —
Sprach's und warf den Mantel ab:
Schön gestickte Künstlerklcider
Deckten ihren Körper knapp.
„Sehen Sie dort das gespannte^
„Straffe Seil hoch in der Luft?
„Dieses sogleich zu besteigen,
„Mein Geschäft ist's, das mich ruft.
„Tänzerin auf schwankem Seile
„Bin ich; folgen Sie jetzt nach!"
Fast erstarrt steht der Verliebte, -
Blickt auf's Seil, da wird ihm schwach;
Und so stund er eine Zeitlang,
Sprachlos wie ein steinern Bild,
Endlich sprach er schmerzerschüttert,
Wehmuthsvoll, doch saust und mild:
„Die Liebe kann viel!
„Die Liebe kann sehr viel!
„Aber — Setltanzen kann sie nicht!"
 
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