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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Pichler, Louise: Der Verlobungstag (Schluß)
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Wölbner, Carl: Die drei Erscheinungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0179
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129


Mochte nun Marie dieser Erklärung beipflichten
oder nicht; aufrichtig froh war sie über dieselbe und
trat mit leichtem Herzen in's Zimmer zurück. Die
mitleidige Verachtuug, womit die Verwandten ihr
Glück erblickten, erweckte in ihr nichts, als wieder
Mitleid mit denen, die wahres Glück so wenig neben
scheinbarem zu bcurtheilen vermochten. Ihr Ver-
lobter aber las solche Empfindung in ihren Zügen,
und dieselbe hob ihn vollkommen hinweg über die
Mißachtung der ganzen übrigen gebildetenGescllschaft.
Zur Erleichterung sammtlicher Gcscllfchaftsmit-
glieder wurde jezt zu Tisch gegangen.
Im Laufe des Abends äußerte uun die Ober-
amtmännin, sie hätte immer vorausgesehen, daß
Marie sich mehr für's Land, als für städtische Ver-
hältnisse eignen werde! — Auch der Finanzrath
wurde umgänglicher, da die warme Hühncrsuppe
seinen Rheumatismus aufgelöst hatte. Die Doctorin
ließ sich von Marie das Recept der Pastete geben,
und die Hofräthin hafte sich mit Herrn Maier in
ein Gespräch vertieft, in dessen Verlauf sie nicht
umhin konnte, von seinem gebildeten und weisen
Urtheil mehreremal überrascht und einigermaßen
verlegen zu werden. Zu guter Zeit, eben da sie in
Jrrgänge sich verloren fühlte, für die sie den leiten-
den Faden nicht in ihrer Hand wußte, unterbrach
die Ankunft des Punsches die Unterhaltung.

Die ganze Gesellschaft beobachtete ein feierliches
Schweigen im Vorgefühl eines zu erwartenden
Toastes.
Als aber nun der Oberamtmann die Hand seiner
Frau ergriff und mit Herzlichkeit sagte: „Die Kinder
verlassen uns; mögen sie glücklich werden! Wir
aber werden nun sehr einsam sein; wir müssen um
so fester au eiuauder halten!" da war eine allge-
meine Rührung erwacht; die Oberamtmännin ver-
gaß jede Unzufriedenheit; ja sie fühlte in diesem
Augenblick, daß sie, wenn sie's auch nicht schlimm
meinte, ihre Familie bisher doch nicht so glücklich
gemacht habe, als sic hätte thun sollen; Herr von
Auen und Zda aber, die mit einiger Reue und Be-
schämung das in seiner Genügsamkeit so glückliche
Paar betrachtet hatten, wechselten einen Blick und
versöhnten sich mit raschem, stummem Händedruck.
Die Damen hoben die Battisttüchcr zu den Augen
und der Finanzrath selbst fühlte sich so ungewöhn-
lich erregt, daß er vom bequemen Fauteuil sich er-
hob und das Glas zur Hand nahm, um den Toast
ans die Verlobten auszubringen; eine Anstrengung,
der er sich, wie all seine Bekannten versichern
konnten, seit Mcnschengedenken nicht unterzogen
hatte.
So endete der Verlobungstag.


Die drei Erscheinungen.
Aus Erlebnissen in Algier. Von A. v. Cloßmann (IW. Carl Wölbner).

Zm August zog eine Colonne, zusammen-
gesezt aus Llmsseurs ll'^tüigua, Spahis und etlichen
Linienbataillonen, das schöne Thal mit Orangen
und Aloen entlang, welches man vor Erreichung
von V.jebel-Kmmer durchgehen muß, einen der ersten
Kettenringe des Atlas.
Es war 9 Ahr des Abends, die Nacht begann
klar und ruhig. Die wenigen seinen Wolken hielten
den melancholischen Wiederschcin von den Strahlen
der untergehenden Sonne fest und lange kupfer-
farbige Streifen zogen längs dem Horizonte
dahin.
Man beeilte sich, da man die Colonne der Avant-
garde einholen sollte, welche den andern Morgen
ff---

eine Razzia auszuführen hatte, um eine widerspen-
stige Tribus zum Gehorsame zurückzufuhren.
Der Feldmarschall dieser kleinen Truppe war
mit einem Oberoffizicr halten geblieben, um sie
vorüberziehen zu lassen und dann seinen Platz bei
der Arrieregarde einzunchmen.
Die Temperatur war den ganzen Tag über warm,
ein lichtfarbener Qualm entstieg zeitweise der Erde
und glich weißen Erscheinungen in dem schon finster
gewordenen Raum.
— Sehen Sie doch, Corporal Gobin, sagte ein
Soldat, sehen Sie doch dahinab; ich habe so etwas
wie einen weißen Lappen gesehen. Sollte das nicht
ein Beduine sein, mit Respekt zu melden?
 
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