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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Allerlei
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0085
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Allerlei.

Aas Leben.
Ein Sonettenkranz.

1.
Es lebt der Mensch! Mit ahnungsvollem Beben
Durchschauert mich dieß inhaltsschwere Wort;
Es reißt den Geist zu tiefer'm Denken fort,
Es hängt die Ewigkeit am irdischen Leben.
Wie schwer ist's, dieses Leben zu durchwandeln,
Ein harter Kampf ist unser Losungswort,
Das ferne Ziel — des Siegers Friedensort,
Der Pfad dahin — ein gutes, edles Handeln.
Wer auf sein Haupt die Siegerkrone setzen,
Wer den Triumph der Tugend feiern kann,
Der hat gelebt, den lacht ein Osten an.
Wer thöricht strebte nach der Erde Schätzen,
Den Kampf gescheut, nichts Edles hat vollbracht,
Nein, der hat nicht gelebt, den deckt die Nacht.

2.
Der Pfad des Lebens führt durch dunkle Gründe,
Gefahren hemmen rings des Wand'rers Gang;
Dock wohl dem Menschen, dem es früh gelang,
Zu Hellen seine tiefe Nacht der Sünde.
Die leuchtenden Gestirne, die ihn leiten,
Erschaff' er selbst in einer reinen Brust;
Er habe Muth, die Arbeit sei ihm Lust, —
Das schönste Wirken wird er sich bereiten.
Doch kein Gestirn darf vom Gewölbe schwinden,
Eh' nicht ein neues aus der Tiefe steigt
Und auch den rechten Weg zum Ziele zeigt.
Er muß die Kraft mit der Geduld verbinden,
Und lenkt ihn Hoffnung, heil'ges Gottvertrau'n,
Kann er beim steilsten Pfade auf sich bau'n.

3.
So wie die Glocke, die im kleinen Riffe
Geborsten, dumpf ertönt und klanglos schallt,
Bei großer, breiter Spalte alsobald
Harmonisch klingt ohn' alle Hindernisse,
So kann ein kleines Leiden uns vernichten,
Daß nur ein Mißton aus dem Innern tönt,
Kein Trost das Herz in seinem Gram versöhnt,
Und außer uns wir über'S Schicksal richten.
Ein großes Leiden scheucht den Geist zurück,
Jn's Jun're richtet sich der nasse Blick
Und hell und rein ertönt ein frommes Beten;
Wer dann den Himmel tragt in seiner Brust,
Wer seines cdeln Wirkens sich bewußt,
Getrost kann der aus seinem Innern treten.

4.
Wenn uns Natur erfreut, die wir studiren,
Wir ihre Hieroglyphenschrift enthüllt,
Ein heil'ges Streben uns're Brust erfüllt,
Geist und Gemüth uns durch die Schöpfung führen.
Wenn wir den Geist nicht von dem Stoffe trennen,
Begreifen, daß uns Eine Welt umschließt
Und Leben aus der Masse uns entsprießt,
Dann lernen wir des Weltgcist's Sprache kennen.
O! die ihr wähnt: im Stoffe sei kein Leben
Und Alles nur ein seelenloser Staub,
Des Todes und der Zeiten bald'ger Raub,
Belehrung kann euch jede Quelle geben:
Erblickt Euch selbst, —> der Spiegel trüget nicht,
Verhüllt beschämt das eigne Angesicht. —
 
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