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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Kölle, Fr. L.: Die Armenspende
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0049
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27

Vie Ärmcnspende.
Novelle.

(Diese artige Skizze wurde von uns um so lieber ausgenommen, als der Herr Verfasser das dafür zugewiefene Honorar als Beitrag an einen
Armenunterstützungsvercin abgeben zu wollen sich erklärte. Die Redaktion.)

Ein Haus — eine Welt! —
Diesem Worte liegt eine tiefere Wahrheit zu
Grunde, als wohl Mancher auf den ersten Anblick
zu glauben geneigt fein sollte. —
Wenn cs dem lieben Leser angenehm wäre, so
wollte ich ihn auf dem nächsten Wege in die X-Straße
dahier führen; da steht ein sehr stattliches Gebäude
mit der Nummer 12. Der bei weitem größere
Theil rechter Hand des Grundstockes dient einer
Tuchhandlung zur Niederlage; in der Ecke links
hat ein Goldarbeiter hinter einer Eingangsthüre
und einem einzigen Vie.rtel-Fenster, das zugleich
als Schaukasten dient, das Atelier seines kunstreichen
Gewerbes aufgcschlagen. Eine große Tafel weist
uns auf die Firma der Handlung mit dem Namen
„G. Hartmann" hin, eine zweite, bescheidenere ihr
zur Seite, „Salomon Gutmann, Goldarbeiter,"
überschrieben, macht uns mit dem Namen des Künst-
lers bekannt. — Treten wir an die messingene
Tafel der Glockengriffe des dreistöckigen Gebäudes
heran, so können wir von unten an darauf lesen:
„G. Hartmann, Commerzienrath," darüber „Baron
v. Milter, Major" und zu oberst „Kämmcrle,
Canzleirath." Wer aber wohnt wohl im Kniestocke,
daß man es nicht für nöthig gefunden hat, auch
bis dorthin einen Glockendraht zu führend Nun,
es würde sich auf dem glänzenden Griffblatt nicht
gut ausgenommen haben, wenn auch noch „Sauter,
Schulmeisters Wittwe" darüber gestanden wäre;
deßhalb hat die Kniestocksfamilie das stolze Vor-
recht, vermittelst des Herrn Commerzicnrathes Glocke
Einlaß zu begehren. Aber für den Fremden bleibt
es doch genant, der diese Wittwe zu besuchen
kommt, weil er nicht immer so geschickt ist, von die-
ser Licenz der Familie sogleich den rechten Gebrauch
zu machen.
So hätten wir denn schon an dem Bisherigen
Beweis genug, daß dieses Haus vom Lehr-, Wehr-
-

und Nährstande zugleich bewohnt wird, wobei der
Mann des Gesetzes wie billig alle überragt, aus-
genommen die Schulmeisters-Wittwe, die um des gött-
lichen Berufes willen, welchem ihr Mann zum Opfer
geworden, dem Himmel zunächst verweilen darf. —
Wenn ich im Hause nicht ganz heimisch wäre,
so möchte der liebe Leser vielleicht lange harren,
bis er mit dessen Bewohnern allen bekannt würde;
so aber kann ich ihm die Liste an den Fingern
herunter sagen: Da ist vordersamst der Herr
Commerzienrath mit Gemahlin und Fräulein Toch-
ter, Eveline mit Namen. Dann folgt der Herr
Major mit Gemahlin und zwei Söhnen, dem Herrn
Lieutenant Albert und dem Herrn Aktuar Eduard;
hierauf kommt die Reihe an den Herrn Canzleirath
mit Gemahlin und fünf erwachsenen Töchtern,
deren Namen hier nichts zur Sache thun, die
übrigens dem der Fräulein Eveline kaum nach-
stehen dürften insofern als sie alle mit ia endigen,
als da sind: Olivia, Cäcilia, Ophelia, Claudia,
Amalia. Der Herr Gutmann besorgt seine Haus-
haltung bis dato selber und die Frau Schulmeistern:
hat zu diesem Zweck neben sich ein Paar Zwillings-
töchter von etwas über 14 Jahren, Karoline und
Louise mit Namen. Das thut im Ganzen 18 Per-
sonen; rechnen wir dazu drei Mägde, die den
Glockengriff abwcchslungswcise zu putzen haben,
und vier Commis des Herrn Commerzicnrathes,
so werden wir auch von der Polizei nichts zu
fürchten haben, wenn sic unsere Novelle unter die
Hände kriegen sollte, weil wir uns nicht bewußt
sind, daß wir irgend ein lebendes Wesen darin ver-
heimlicht hätten, ausgenommen den Hofhund, die
Katzen und diejenigen, um deren willen man selbe
zu halten Pflegt.
Ich bedanke mich jetzt bei dem lieben Leser
schönstens für den eklatanten Beweis von Geduld,
den er mir bis dato gegeben.


 
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