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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0146
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-A>—

Zu Hcnrictte Sonntag's Porlrait



Wäre ich Componist, so würde ich wir zur Auf-
gabe machen, obeustehendeu Nameu mittels Zusam-
mensetzung solcher Töne, wie sie allein nur die
liebenswürdige Trägerin desselben ihrer silberreinen
Kehle entlocken kann, in die Sprache der Musik
zu bringen, damit an der verkörperten Euterpe so
Kern als Schale in würdigem Gewände erscheine.
Schon Viele vor mir scheiterten an dem Plane,
mit Worten zu schildern, welche Gefühle Henrict-
ten's Gesang in ihnen entfesselte, und so will auch
ich nicht versuchen, Unaussprechliches in Worten
wiederzugeben.
Henriette Sonntag erblickte das Licht der Welt
am l3. des Lenzmonats im Jahre-, pfui, wer
wird sich uugalaute Zndiscrctioncn zu Schulden
kommen lassen, besonders, wenn man nicht eigent-
lich eine Biographie, sondern nur kurze Skizzen
als Leitfaden für Unbefangene liefern will -—; also
der Lenzmonat, und Coblenz, die schöne Stadt am
schönen Rhein, waren die Zeugen ihrer Geburt.
Ihre Eltern arbeiteten sich als wackere Jünger Tha-
lia's nach Kräften an Thespis Karren ab; der
Tochter jetziger Ruhm krönt selbst übcrlln Grabe
noch ihr Mühen. —
Nach des Vaters Tode — Henriette zählte erst
neun Jahre— wurde ihre Mutter in Prag engagirt,
und hier war es, im Konservatorium, wo sic, noch
Kind, die Blüthen ihrer Kunst sich sammelte, deren
Früchte später den Continent entzücken sollten.
Nachdem sic, erst fünfzehn Sommer hinter sich
sehend, bei ihrem ersten grösiern theatralischen Ver-
such als Prinzessin in „Johann von Paris", den
Stempel künstlerischer Vollendung dieser Erstlings-
leistung aufgcdrückt und alle ihre Vorgängerinnen
an dortigem Platze weit hinter sich gelassen, war
auch schon der Grund zu ihrer künstlerischen Selbst-
ständigkeit gelegt.

In Wien, Berlin, feierte sie die nächsten
Triumphe. Paris fetirtc sie, wie noch nie eine
Sängerin vor ihr. Ihr war es Vorbehalten, nicht
nur auf den Brettern, sondern auch, um ihres See-
lcnadelö willen, in der Gesellschaft völlig aner-
kannt zu werden. Der Rcichthum ihrer Töne er-
streckte sich auch auf ihr Gemüth, des Körpers Reize
auch auf die der Seele.
Was foll ich Data ihrer Triumphzügc Wieder-
käuen, die längst in allen Dimensionen ausgebeu-
tet siud.
Was lange Gchcimniß, ihre Verheirathung mit
dem Grafen Rossi kurz nach ihrem zweimaligen
Erscheinen in Paris, ward allmählig bekannt, und
damit schloß sich der erste Thcil ihrer dramatischen
Laufbahn.
Zwei Jahrzehente hatte sie der Bühne sich ent-
zogen, die Mutterliebe sollte sie derselben, sowie
neuen Triumphen wieder zuführen.
klnd glänzender als je erstrahlte sic ausss Neue
nm dramatischen Horizont im Jahre 1851.
Man wollte cs nicht glauben, daß ihre Stimme,
der beschwingten Zeit trotzend, rein sich bewahrt,
ja an melodischer Vollendung noch gewonnen habe.
Man drängte sich, zuerst, um die Ueberzeugung des
fest geglaubten Gegcntheils zu hören, und verließ
so begeistert als beschämt den Tempel, den ihr Ge-
sang mit ewig frischen Kränzen schmückte. Fast
spurlos waren der Horen Tänze an ihr vorüber
geflogen; als hätte Kronos kein Recht an sie, trat
sie uns entgegen, und immer wieder mußte man
kommen, um, nach erneutem Genüsse sich sehnend,
wieder zu glchcn. Ein ganzes Leben, zaubcrmähr-
chenglcich, pflanzt ihr Gesang in unsre Seele,
und so lehrt uns Hcnrictte Sonntag erst vollkom-
men mit dem Dichter fühlen, wenn er sang:
 
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