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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 11.1830

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https://doi.org/10.11588/diglit.13628#0173
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N°. 41

U N st

lütt.

Dienstag, 22. Mai 1 8 3 0,

Thorwaldscn's Christus- und Apvsiel-Statucn.

(Fortsetzung.)

Thorwaldsen's Christus - und Apostel-Statuen stud
nun in so weit dein Typus und den traditionellen For.
men der alteren Kirche unterworfen, als leztere dem
ursprünglichen Geist und dem historischen Costüme der
biblischen Urkunden und einer glaubwürdigen Sage ent-
sprechen, so Laß jene Kunstwerke für ihren Vcstimmungs-
ort sich vollkommen eignen. Die Physiognomie des gött-
lichen Meisters ist den Umrissen und dem Ausdrucke der
alten kirchlichen Darstellung nahe gebracht: in vollen Lok-
ken fällt das in der Mitte gescheitelte Haar auf Schul-
tern und Rücken herab, und Augen, Stirne, Mund und
Wangen sprechen jenen feierlichen Ernst, jene heilige Würde
aus, die man an dem Hemling'schen Christuskopfe der
ehemaligen Boissere'e'sehen Sammlung bewundert. Die
Statue des Erlösers ragt majestätisch über denen der
Apostel hervor, welche dem Herrn an Größe etwa bis an
die Brust reichen, und wird in dieser physischen Erhaben-
heit noch kräftiger durch den Standpunkt sich Herausstel-
len, den sie, wie verlautet, in der dazu bestimmten Kirche
zu Copenhagen auf dem Altäre erhalten hat. Auch in der
dritten Hinsicht hat Thorwaldsen die Observanz der alten
Kirche geehrt, daß er den Aposteln und Evangelisten ihre
symbolischen Attribute beilegte. Diese Symbole ersparen
allerdings die Unterschrift des Namens, oder sind eigent-
lich selbst künstlerische Bezeichnungen, Hieroglyphen des
Namens für den in die geschichtliche oder mythische Be-
deutung Eingeweihten. Auch läßt sich nicht bestreiten,
daß sie oft ein herrliches Motiv für die Composition ge-
ben und eine anziehende Gruppe herbeiführen, wie solches
namentlich dem schöpferischen Geiste Thorwaldsens mit
dem Engel des Matthäus, wie dereinst dem sinnigen Pe-
ter Bischer zu Nürnberg mit dem Kelche des Johannes
gelungen ist. Aber auch auf der andern Seite muß der
Unbefangenste eingestehen, wie müßig und mißlich noch
öfter diese Attribute sind. Davon im weiteren Verlaufe
unserer Mittheilungen ein Näheres.

Das Wichtigste freilich, was bei allen Kunstwerken
zur Sprache kommt, ist die Art der Auffassung des Ge-
genstandes und die derselben zum Grunde liegenden Idee.
Zumal muß bei Darstellungen aus dem Gebiete des Glau-
bens und der Kirche das prüfende Augenmerk auf die
Wahrheit und den Umfang der Idee des Künstlers, wie
nicht minder sodann auf das Verhältniß der Form zur
Idee, der Darstellung selbst zur inneren Auffassung, ge-
richtet seyn. Und am dringendsten muß eine solche Uir-
tersuchnng vorgcnvmmen werden bei dem höchsten und
würdigsten, durch seine historische Erscheinung und durch
seine religiöse Bedeutung einzigen Gegenstände der kirch-
lichen Kunst, bei dem Bilde des Erlösers. Eö ist gewiß
nicht ein haltloses Gefühl der Selbsttäuschung, welches so
Unzähligen eine bildliche Darstellung des Erlösers fremd-
artig , unpassend und sogar unerlaubt erscheinen läßt.
Darin allerdings irren sie, daß sie der Kunst das Recht
streitig machen, ein Individuum in ihre Formen zu klei-
den, welches körperlich gelebt und an allem Menschlichen
Antheil genommen hat, ja, dessen Hauptverdienst nach den
innersten Zeugnissen unseres gemeinsamen Christenglaubens
eben darin besteht, daß es unter den Menschen menschlich
ausgetreten, oder daß, wie der Evangelist sagt, das Wort
Fleisch geworden ist. Aber sie irren darin nicht, daß sie
ihr inneres Bild von dem göttlichen Erlöser über alle
Gränzen der äußeren Darstellung hinausrückeu, und haben
auch das Zeugniß für sich, daß die meisten der bisher
versuchten und bekannt gewordenen Darstellungen der
Person Christi theils einen zu schwachen Ausdruck geistiger
Würde und menschlich-sittlicher Vollendung zeigen, theils
den Beruf und die, wenn cs zu sagen erlaubt ist, kirch-
liche Stellung des Erlösers, seinen Einfluß und seine
Würde im Reiche Gottes, in einem allzubeschränkten
Maaße zu erkennen geben. Soll ein Christusbild den
Bedürfnissen des Glaubens, welche hier mit den Forde-
rungen des ästhetischen Gefühles zusamm.enfallcn, wirklich
entsprechen; so muß in ihm die hohe Idee eines Christus,
so weit menschliche Kunst ihr nahekommen kann, hervor-
treten. Mag die Gestalt des Erlösers in einer noch so
besonderen Handlung oder Lage dargestellt werden; so darf
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