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ihr das Gepräge des Gottessohnes und Heilandes nicht
fehlen, weil wir anzunehmen berechtigt sind, daß die histo-
rische Persönlichkeit Christi immer und überall als dieselbe
sich erwiesen, und auch in den einfachsten Scenen bei den
eigenthünilichsten Verhältnissen immer zugleich ihren gan-
zen Werth und ihre volle Bedeutung habe durchbliüen
lassen. Eine der glücklichsten Auffassungen auf einem ein-
zelnen historischen Bilde ist die Figur Christi in Over-
beck's geistvoller Zeichnung, wie Christus die Kinder zu
sich kommen laßt und ihnen den Segen ertheilt. Hier
leuchtet aus dem Ganzen die Vorstellung des Führers und
Heilandes der gefammten Kinderwelt und zugleich die
Idee des Friedefürsten aller künftigen Geschlechter hervor.
Um so mehr ergeht nun aber die Forderung, Bedeutung
und Umfang der Idee so tief und so weit, als immer
möglich, zu nehmen, an das einzelne Christusbild; am
strengsten an das plastische Christusbild, dem so wirksame
Hülfsmittel, welche die Malerei besizt, zur Kundmachung
der geistigen Ideen des, Christenthums fehlen.

Und wie hat nun Thorwaldsen seinen Christus auf-
gefaßt? Obgleich sein- Statue in einer Verbindung mit
den zwölf Apostelstatuen ist, die sich in Nischen längst der
beiden Seitenwände der Kirche ausgestellt befinden; so
steht doch die Christusfigur ohne nähere Umgebung da und
macht zuvörderst einen Eindruck, der das Auge und Ge-
müth nur an sie allein fesselt und mit ihrer eigenthüm-
lichen Bedeutung beschäftigt. Der des Evangeliums Kun-
dige wird sich dabei ungesucht die Stelle zurückrufen, die
schon in der älteren Kirche als Morgenlektion an der
Oktave nach Ostern, am sogenannten weißen Sonntage,
gebraucht worden ist und diesem Gebrauche noch jezt un-
ter den verschiedenen christlichen Confessionen dient (Evang.
Joh. xx, ig — 25):

„Am Abend deffelbigen SabbathS, da die Jünger ver-
sammelt und die Thüren verschlossen waren aus Furcht
vor den Inden, kam Jesus und irat mitten ein und spricht
zu ihnen: Friede sey mit euch! Und als er das sagte,
zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden
die Jünger froh, daß sie den Herrn sahen. Da sprach
Jesus abermal zu ihnen : Friede sey mit euch! Gleichwie
mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und da
er das sagte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Neh-
met hin den heiligen Geist; welchen ihr die Sünden er-
lass t. denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet,
denen sind sie behalten."

In dieser Scene, die wir der Kürze halber am süg-
lichsten-in' öem schlichten Bibelterte angezogen haben, ist
alles zusammengedrängt, was den Erlöser, sein Werk und
seine Bestimmung bezeichnet. Christus erscheint den Jün-
gern zum ersten Male nach seiner Auferstehung. Wie

bei ihm alles Gewöhnliche und Natürliche einen ungewöhn-
lichen Werth und eine geistige Beziehung hat; so be-
kommt auch die gebräuchliche Vegrüfiungsfvrmel der Juden
in seinem Munde, gegenüber seinen Jüngern, unter den
vorliegenden Umständen eine ganz eigcnthümliche, erha-
bene Bedeutung. Er zeigt sich ihnen, den Furchtsamen,
als denjenigen, welcher die Verheißung jenes englischen
Grußes bei seiner Geburt: „Friede auf Erden und den
Menschen ein Wohlgefallen" erfüllt, indem er, der Sieger '
über den Tod, seinen Freunden versichern darf, im Glau-
ben an ihn, in der lebendigen Gemeinschaft ihres Geistes
mit seinem Geiste werde sich jeder Zwiespalt versöhnen,
jeder Zweifel und jede Bekümmerniß ihrer Seele auflösen.
An diese Betheurung reiht sich der Auftrag-, den Frieden,
den sie von ihm erhalten, in die Welt hinaus zu verkün-
digen, und die Zusage, daß zur Bewahrung des Friedens
in ihrer eigenen Brust und zur Verbreituug ihrer Ge-
sinnungen und Ansichten unter allen Völkern des Erd-
bodens eine höhere Kraft, eine nie zuvor geahnte Erleuch-
tung und namentlich ein die Gedanken und Gesinnungen
der Menschen durchdringender Blick ihrem Geiste verliehen
werden solle. Demnach liegt in dieser Erscheinung des
Erlösers der Inbegriff seiner erlösenden Zwecke. Zugleich
wird aber auch der Grund der Erlösung, das Mittel zu
dem großen Zwecke vorgcstellt, indem Christus seine ei-
gene Persönlichkeit ihnen zeigt, und indem er solches nicht
im Anfänge seiner Thätigkeit und blos in Beziehung ans
seine Lehre und auf sein vollkommenes Vorbild thut, son-
dern erst, nachdem er alle die Bedingungen seines ir-
dischen Berufes durchlaufen hatte, und mit besonders an-
schaulicher Vergegenwärtigung seines Todes, welcher als
Schlußstein seines irdischen Werkes die Lehre bekräftigt
und das Vorbild vollendet, den Geist der heiligen Liebe
am reinsten und rührendsten anssprichk und selbst als ein
Gott wohlgefälliges Opfer der Liebe durch die Auferstehung
bezeugt wird.

Solches Alles darf nicht erst mühsam von dem Be-
trachter ergrübest und herausgefragt werden. Es drängt
sich gewaltig auf bei dem Anblicke der hohen Gestalt, die
mit leichtgesenktem Haupte niederschaut auf die des Frie-
dens bedürftige Welt, die Arme vorhält und die Nägcl-
male in den Händen und Füßen und den Lanzenstich- an
der Seite zu bemerken gibt und in der von der gewöhn-
lichen Bekleidung abweichenden Hülle, dem einfachen großen
Mantelumwurf ohne Unterkleid-, die Kunde der Aufer-
stehung von den Todten und der wunderbaren Wiederkehr
in die Mitte der Geliebten bekräftigt. Der Erlöser steht
in solcher Bedeutsamkeit und Größe da, daß sich an seiner
Erscheinung die drei Aemter, welche das System der
älteren Kirche ihm zuzuschreiben pflegt, bewahrheiten.
Als Propheten erkennt man ihn an der begrüßenden
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